I Sachverhalt und Verfahren
1. Sachverhaltsübersicht
1.1. Parteien
Die Klägerin […] ist eine im Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Sitz in …, welche die Konzeption, Umsetzung und Einführung von Führungs- und Informationssystemen und Management Accounting Systemen für Banken bezweckt.
Die Beklagte ist ebenfalls eine im Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Sitz in Zürich, welche eine Bank betreibt.
1.2. Prozessgegenstand
Die Beklagte entschloss sich im Jahre 2008 dazu, eine neue Gesamtsoftwarelösung in ihrer Bank einzuführen. Mit der Implementierung des Basissystems wurde der IT-Dienstleister F. betraut. In das Projekt wurden weitere IT- Dienstleister, […] sowie die Klägerin, miteinbezogen. Die Klägerin wurde involviert, um ihre Softwarelösung namens „C1.“ bei der Beklagten einzuführen.
Für die Einführung einer neuen Steuerung und des Controllings der Bank („Gesamtbankensteuerung“) schloss die Beklagte daher am 20. Februar 2008 bzw. 10. März 2008 einen Dienstleistungsvertrag mit der Klägerin ab. Die Klägerin verpflichtete sich darin, ihre Software namens „C1.“ bei der Beklagten zu implementieren, d.h. ihre Software den Bedürfnissen der Beklagten anzupassen. Besagter Vertrag sowie der Anhang B vom 20. Februar 2008 bzw. 10. März 2008 und Anhang C vom 27. Juni 2008 bzw. 30. Juni 2008 regeln die Implementierung der Softwareprogramme im Bereich Kostenmanagement und Vertriebscontrolling sowie deren Anpassung an die Anforderungen der Beklagten. Im Anhang C sind die spezifischen Anforderungen der Beklagten, beispielsweise im Bereich Kostenmanagement und Vertriebscontrolling, und die in diesem Zusammenhang zu realisierenden Gaps, definiert. Zudem enthält der Anhang C den Zahlungsplan für die Gesamtkosten der angepassten Softwareprogramme in der Höhe von CHF 1’861’400.-. Der Zahlungsplan wurde hinsichtlich der Zahlungstermine mit dem Nachtrag vom 15. April 2009 aktualisiert. In den Anhängen D und E, jeweils datierend vom 18. Februar 2010 bzw. 11. März 2010, regelten die Parteien sodann die Einführung der Module „Prozesskostenrechnung“ und „Planner“ sowie die Auslieferung, Installation und Anpassung des „C3.Connector“. Damit einhergehend vereinbarten die Parteien eine „Vertragsanpassung Nr. 1“ vom 18. Februar 2010 bzw. 11. März 2010 betreffend den „Projekt- und Meilensteinplan“.
Die Parteien schlossen des Weiteren am 27. Juni 2006 bzw. 30. Juni 2006 einen Lizenzvertrag, in welchem die Nutzungsrechte der Beklagten an den durch die Klägerin angepassten Softwareprogrammen geregelt wurden. Schliesslich regelten die Parteien im Rahmen eines Wartungs- und Softwarevertrages vom 27. Juni 2006 bzw. 30. Juni 2006 die Modalitäten rund um die Wartung der von der Klägerin implementierten Software. Dabei stehen im Wesentlichen die Behandlung von Fehlermeldungen (sogenannten Patches) und die Aktualisierung der Software (Lieferung von neuen Releases) im Vordergrund. Vereinbart wurde eine jährliche Wartungspauschale im Umfang von CHF 119’916.- für die Softwareprogramme sowie CHF 56’844.- für die vereinbarten Gaps.
Die Klägerin verlangt gestützt auf den Dienstleistungsvertrag für das Grundwerk die von der Beklagten bereits während der Projektphase zurückbehaltenen Beträge im Umfang von CHF 25’000.- (zuzüglich 7,6% MWST) im Zusammenhang mit der produktiven Inbetriebnahme sowie CHF 125’000.- (zuzüglich 7,6% MWST) im Zusammenhang mit der Gesamtabnahme zuzüglich Mehrwertsteuer sowie Zins im Umfang von 5% seit 22. November 2010. Für das Modul „Integration B.-Fond“ macht sie zudem eine Forderung in der Höhe von CHF 25’000.- (zuzüglich 7,6% MWST) sowie Zins von 5% seit 23. Juni 2010 geltend. Für die ausgegliederten Teile „Planner“, „Prozesskostenrechnung“ und „Reportinglösung“ fordert die Klägerin CHF 40’000.-, CHF 40’000.- und CHF 34’400.- (zuzüglich 7,6% MWST) sowie Zins von 5% seit 22. Januar 2011. Des Weiteren fordert die Klägerin die Bezahlung der Wartungsgebühr für das Jahr 2011 im Umfang von 134’208.- (zuzüglich 8% MWST) samt Zins seit 22. Januar 2011. Schliesslich macht sie ein Nutzungsverbot hinsichtlich der von ihr gelieferten Softwareprogramme sowie eine Unterlassungsklage in Bezug auf die Offenlegung der Source Codes der von ihr gelieferten Softwareprogramme geltend.
Die Beklagte fordert demgegenüber die im Zusammenhang mit der Lizenzgebühr sowie der Implementierung der Software geleisteten Zahlungen von insgesamt CHF 1’643’052.- von der Klägerin zurück. Auf den genannten Betrag verlangt sie zudem einen Verzugszins von 5% seit dem 9. März 2011. Die Beklagte verlangt zudem einen Viertel des Pauschalpreises von insgesamt CHF 64’800.- für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anforderungsanalyse zurück; im Ergebnis fordert sie folglich CHF 16’200.- sowie Verzugszins von 5% seit dem 9. März 2011. Im Zusammenhang mit dem Wartungsvertrag fordert die Beklagte überdies die ihrer Ansicht nach nie geschuldete Wartungsgebühr für das Jahr 2010 im Umfang von CHF 137’658.05 von der Klägerin zurück.
[…]
II. Erwägungen
[…]
2. Materielles
A. Unbestrittener Sachverhalt
Der Abschluss der verschiedenen Verträge, welche allesamt den Akten beiliegen, ist unbestritten. Unbestritten ist sodann, dass die Beklagte der Klägerin am 2. September 2009 ein Schreiben betreffend die „Mängel in der Gesamtbankensteuerung“ zusandte. In diesem bezeichnete die Beklagte vergangene Verzögerungen und hielt fest, dass auch „gegenüber dem neuen Einführungstermin per Ende November 2010 ein Verzug von mehreren Monaten zu erwarten“ sei. Ferner wurden diverse ungelöste Probleme benannt. Schliesslich erklärte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 15. September 2010 die ausserordentliche Kündigung betreffend „sämtliche betroffenen Verträge (Lizenzvertrag, Wartungs- und Softwarepflegevertrag, Dienstleistungsvertrag sowie die darauf referenzierten Nachträge) per sofort“. Sie teilte der Klägerin zudem mit, dass sie keine weiteren Rechnungen bezahlen werde und die bereits bezahlten Beträge von ihr zurückfordere.
B. Streitpunkte
Die Parteien sind sich zunächst nicht einig in Bezug auf die Frage, ob am 18. Dezember 2009 eine Gesamtabnahme stattgefunden hat. Während sich die Klägerin auf den Standpunkt setzt, dass das Werk zu diesem Zeitpunkt vollendet gewesen sei und die Gesamtabnahme folglich an diesem Datum stattgefunden habe, beruft sich die Beklagte darauf, dass an besagtem Datum gar keine Abnahme erfolgt sei, da das Werk noch nicht fertiggestellt gewesen sei. Uneinigkeit besteht des Weiteren hinsichtlich der erfolgreichen Erledigung der am 18. Dezember 2009 angebrachten Vorbehalte. So ist strittig, ob nach dem 18. Dezember 2009 die Bearbeitung der sogenannten offenen „Tickets“, d.h. die (erfolgreiche) Beseitigung von bestehenden fehlerhaften Elementen, zur Zufriedenheit der Beklagten erfolgt war. Strittig ist sodann, ob die Gesamtprojektverantwortung bei der Klägerin lag, wer die Verantwortung für die Parametrierung trug und ob die technischen Probleme durch die Klägerin allein oder durch weitere Beteiligte, insbesondere durch die Gesellschaften F., …/H. bzw. durch die Beklagte selber, verursacht worden waren. Auf diese strittigen Punkte ist im Folgenden einzugehen, soweit sie sich als entscheidrelevant erweisen.
C. Ansprüche der Parteien aus dem Dienstleistungsvertrag
1. Vertragsqualifizierung
1.1. Die Verträge im Zusammenhang mit der Erstellung sowie Anpassung von Software sind gesondert zu charakterisieren (vgl. BGE 124 III 456 E. 4 b). Einen typischen Softwarevertrag gibt es nicht. Die Vertragsqualifizierung hängt vom vereinbarten Inhalt, dem Schwerpunkt und dem Leistungsumfang ab.
Der Vertrag über die Lieferung eines aus Hard- und Software bestehenden EDV-Systems kann verschiedenartig ausgestaltet sein, weshalb seine rechtliche Behandlung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist (vgl. SCHLUEP, Innominatverträge, in: Schweizerisches Privatrecht, Band VII/2, S. 964). Keine Werkleistung erbringt, wer vorgefertigte Computer-Standardsoftware liefert. Bei entgeltlicher Überlassung dieser Software handelt es sich um einen Kaufvertrag, bei dessen Überlassung auf Zeit um eine Miete, Verpachtung, eine Lizenzierung oder um ein Leasing (GAUCH, a.a.O., N 35). Demgegenüber kommen nach der Ansicht von GAUCH die Regeln des Werkvertragsrecht bei demjenigen zur Anwendung, der gegen eine entgeltliche Bestellung eine Computer-Individualsoftware herstellt, d.h. für die speziellen Bedürfnisse des Anwenders eine Software entwickelt. Das geistige Werk besteht hierbei in der massgeschneiderten Lösung, das der Unternehmer auf Geheiss des Bestellers zu entwickeln hat (GAUCH, a.a.O., N 334).
Gegenstand eines Werkvertrages ist die Erstellung eines individuell bestimmten Arbeitsergebnisses (GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Auflage, Zürich 2011, S. 5 ff.; ZINDEL/PULVER, BSK OR I, Basel 2011, N 1 zu Art. 363-379 OR). Demgegenüber bezweckt der Kauf die Übereignung einer in der Regel bereits bestehenden und nicht speziell für die individuellen Bedürfnisse des Käufers fabrizierten Sache (GAUCH, a.a.O., S. 37 f.; ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 9 zu Art. 363-379 OR).
1.2. Der vorliegende Dienstleistungsvertrag hat in erster Linie die Implementierung und die Anpassung der Software zum Inhalt (so die Klägerin). Die Klägerin unterstellt ihn dem Werkvertragsrecht. Auch die Beklagte ist der Ansicht, dass diesbezüglich (jedenfalls analog) die werkvertraglichen Bestimmungen anzuwenden sind.
Die vertragliche Verpflichtung der Klägerin war es, eine für die Beklagte massgeschneiderte Softwarelösung in Bezug auf deren Bankensteuerung abzuliefern. Die Klägerin hatte mithin gegen Entgelt auf Geheiss der Beklagten eine Individualsoftware herzustellen bzw. diese auf die speziellen Bedürfnisse der Beklagten abzustimmen. Es gelangen daher die Bestimmungen des Werkvertragsrechts (Art. 363 ff. OR) zur Anwendung.
2. Abnahme des Werkes
2.1. Standpunkt der Klägerin
Die Klägerin stellt sich zusammengefasst auf den Standpunkt, dass die Abnahme der produktiven Inbetriebnahme, die Gesamtabnahme der angepassten Softwareprogramme sowie die Abnahme „Integration“ durch die Beklagte am 18. Dezember 2009 erfolgt sei. […].
2.2. Standpunkt der Beklagten
In Bezug auf die Rückbehalte im Zusammenhang mit dem Grundwerk führt die Beklagte an, dass am 18. Dezember 2009, als die Protokolle unterzeichnet worden seien, keine Abnahme erfolgt sei. […]
2.3. Vertragliche Regelung der Parteien
Der Dienstleistungsvertrag vom 11. Februar 2008 enthält in Ziffer 7 ausführliche Bestimmungen zur Abnahme. In Absatz 1 von Ziffer 7.1 heisst es, dass die betroffenen Arbeitsresultate dann als abgenommen gelten, wenn (a) die Beklagte nach Durchführung der Abnahmetests das Abnahmeprotokoll, samt allfälliger, die Abnahme nicht verhindernder Fehlerliste unterzeichnet, oder (b) wenn die Beklagte vor Ablauf der Abnahmeperiode die Funktionalitäten nicht schriftlich und dokumentiert beanstandet, oder (c) wenn die von der Beklagten für die Durchführung der Abnahme zu liefernden Testdaten und Testfälle fehlen oder so fehlerhaft oder unvollständig sind, dass die Abnahme nicht durchgeführt werden kann, oder (d) sobald die Beklagte die Arbeitsresultate produktiv in Gebrauch nimmt. Weiter wird in Absatz 2 und 3 von Ziffer 7.1 festgehalten, wie im Falle von Fehlern im Rahmen des Abnahmetests, welche die Abnahme verhindern, vorgegangen wird. So heisst es in diesen Absätzen, dass im Falle des Auftretens von Fehlern, welche die Abnahme im Rahmen der Abnahmetests verhindern, die Beklagte die Klägerin im Abnahmeprotokoll darüber informiere. Die Beklagte werde der Klägerin diesfalls mit eingeschriebenem Brief einer der Dringlichkeit und Komplexität angemessene Frist zur Behebung dieser Mängel setzen, wobei die Klägerin der Beklagten ihrerseits innerhalb einer angemessenen Frist mitteilt, ob sie die von der Beklagen festgelegte Nachbesserungsfrist einhalten kann. Ziffer 7.2 regelt sodann die Folgen des Scheiterns der Abnahme.
Der Anhang C zum Dienstleistungsvertrag vom 27. Juni 2008 enthält ebenfalls Bestimmungen zur Abnahme, die (falls widersprüchlich) den Regelungen des Dienstleistungsvertrages vorgehen (vgl. Ziffer 2 Absatz 3 des Anhangs C). Im Anhang C wird unter der Ziffer 7.1 mit dem Titel „Abnahmeverfahren“ insbesondere das Testverfahren (vgl. Ziffer 7.1.2) definiert und die Fehlerklassifizierung, die Teilabnahmen sowie die erfolgreiche Abnahme geregelt (Ziffer 7). In Bezug auf Teilabnahmen geht aus Ziffer 7.2 folgendes hervor: „E. ist berechtigt, Abnahmen für Teilleistungen (wie insbesondere für einzelne Gaps oder Implementierungsleistungen eines bestimmten Moduls) zu verlangen. Sämtliche Ausführungen in diesem Vertrag bezüglich der Abnahme gelten für die Teilabnahmen entsprechend.“ In Ziffer 7.3 heisst es in Bezug auf eine erfolgreiche Abnahme, dass die lizenzierten Softwareapplikationen sowie die gemäss des vorliegenden Vertrages erbrachten Dienstleistungen dann als abgenommen gelten, wenn (a) die Beklagte nach Durchführung der Abnahmetests gemäss den vorliegenden Vertragsbestimmungen das Abnahmeprotokoll, samt allfälliger, die Abnahme nicht verhindernder Fehlerliste unterzeichnet, oder (b) wenn die Beklagte vor Ablauf der Abnahmeperiode die Funktionalitäten nicht schriftlich oder dokumentiert beanstandet oder (c) sobald die Beklagte die lizenzierte Software produktiv in Gebrauch nimmt.
2.4. Rechtliches
Die Ablieferung des Werks (durch den Unternehmer) entspricht der Abnahme des Werks (durch den Besteller) zwecks Prüfung der Beschaffenheit (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 3 zu Art. 370 OR). Die Begriffe Ablieferung und Abnahme bezeichnen denselben Vorgang und sind damit korrelativer Natur (GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl., N 97). Besagter Vorgang setzt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und einem Teil der Lehre grundsätzlich voraus, dass sämtliche vereinbarten Arbeiten ausgeführt, das Werk mithin fertiggestellt bzw. vollendet ist (Urteil 4C.469/2004 vom 17. März 2005, E. 2.2; BGE 129 III 748; BGE 118 II 149 E. 4; BGE 115 II 456 E. 4; BGE 97 II 350 E. 2c; GAUCH, a.a.O., N 101 ff.). In der neueren Lehre besteht demgegenüber die Tendenz, auch unvollendete Werke der Ablieferung zugänglich zu machen. Der Besteller kann gemäss dieser Lehrmeinung auch ein unvollendetes (oder auch mängelbehaftetes) Werk als Gegenstand der Erfüllung akzeptieren (vgl. hierzu ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 3 zu Art. 367, m.w.H.).
Eine Abnahme kann sodann auch stillschweigend dadurch erfolgen, dass das Werk gemäss seinem Zweck gebraucht wird (BGE 113 II 267 E. 2b mit Hinweisen). Ein besonderer Abnahmewille des Bestellers oder seines Vertreters ist deshalb nicht erforderlich. Das Vollendungsprinzip findet seine Grenzen sodann auch im Prinzip von Treu und Glauben. Den Vertragsparteien ist es verwehrt, die Ablieferung respektive die Abnahme mit dem Einwand der Nichtvollendung entgegenzutreten, soweit diese Bestreitung dem besagten Grundsatz widerspricht (GAUCH, a.a.O., N 103 f.). Liefert der Unternehmer das von ihm hergestellte Werk in erkennbarer Erfüllungsabsicht ab, so muss er sich bei diesem Verhalten behaften lasse, auch wenn zur Vollendung des Werks noch einzelne Arbeiten von Nöten sind. Der Unternehmer kann diesfalls dem Besteller, welcher sich auf die erfolgte Ablieferung beruft, indem er beispielsweise Mängelrechte geltend macht, nicht entgegenhalten, dass die Wirkungen der Ablieferung (respektive Abnahme) mangels Vollendung des Werks ausgeblieben seien. Demgegenüber kann sich aber auch der Besteller nicht auf den Einwand der Nichtvollendung berufen, wenn er durch eine ausdrückliche Erklärung, durch sein Schweigen oder sein sonstiges Verhalten das berechtigte Vertrauen des Unternehmers erweckt hat, dass er das Werk als abgeliefert anerkenne (FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, Bern 2014, 2. Aufl., N 995 ff. mit Fallbeispielen; GAUCH, a.a.O., N 104).
Die Parteien sind frei, vertragliche Regelungen in Bezug auf die Ablieferung und die Abnahme zu vereinbaren. Sie können insbesondere regeln, dass das Werk in Teilen ablieferbar ist. Besteht eine derartige Regelung, wird die Regel durchbrochen, wonach vor Vollendung des Werkes eine Ablieferung respektive Abnahme ausgeschlossen ist. Die Teilablieferung bzw. Teilabnahme setzt aber dennoch voraus, dass der jeweils abzuliefernde Werkteil vollendet ist (FRÖHLICH-BLEULER, a.a.O., N 1005; GAUCH, a.a.O., N 107 f.). In spezifischen Konstellationen kann eine Ablieferung auch trotz fehlender Fertigstellung zuzulassen sein, wenn die ausstehenden Arbeiten im Vergleich zu den Gesamtkosten ausserordentlich gering sind. Die Berufung des Bestellers auf ein unvollendetes Werk wäre diesfalls als missbräuchlich einzustufen. Die Unterscheidung zwischen einem fertiggestellten und einem mangelhaften Werk kann mitunter schwierig sein. Als elementares Kriterium gilt, ob der Unternehmer ein fertiges, gebrauchsfähiges Werk abgeliefert hat und der Besteller erkennen konnte, dass die Arbeiten beendet sind und er demzufolge gehalten ist, das Werk zu prüfen (ZINDEL/PULVER, BSK OR I, a.a.O., N 3 zu Art. 367 OR).
Die Vollendung des Werks ist von dessen Mängelfreiheit zu unterscheiden (GAUCH, a.a.O., N 101; N 106). Der Besteller kann die Abnahme nicht verweigern, wenn eine Software Fehler aufweist. Bestehen indessen so viele oder schwerwiegende Mängel, dass die Abnahmeprüfung durch den Besteller nicht durchgeführt werden kann, so ist die Software nicht vollendet (FRÖHLICH-BLEUER, a.a.O., N 1002). Die Abnahme und die Genehmigung des Werkes sind sodann ebenfalls klar auseinanderzuhalten (BGE 115 II 456 E. 4). Dieser Umstand ergibt sich nur bereits schon aus dem Wortlaut von Art. 370 Abs. 1 OR, welcher die Genehmigung der Abnahme zeitlich folgen lässt (GAUCH, a.a.O., N 99). Die Abnahme kann mit Mängelrügen oder sogenannten Vorbehalten durch den Besteller verbunden sein. Sie kann aber auch vorbehaltlos erfolgen; erst dann handelt es sich um eine „Genehmigung“ des Werkes. Erst die Genehmigung bedeutet die vorbehaltlose Abnahme des Werkes durch den Besteller (BÜHLER, in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl., N 11 zu Art. 370 OR). Die Genehmigungserklärung ist an keine spezielle Form gebunden und erfolgt unwiderruflich (BÜHLER, a.a.O. N 12 f. zu Art. 370 OR; GAUCH, a.a.O. N 2071). Sie kann jedoch auch bedingt erklärt werden. Als solche Bedingung ist die Behebung der sogenannten „Vorbehalte“ in den Abnahmeprotokollen der Bau- und Investitionsgüterindustrie zu betrachten (BÜHLER, a.a.O., N. 13 zu Art. 370 OR, m.w.H.).
Die Vergütung des Bestellers wird nach Art. 372 Abs. 1 OR mit der Ablieferung des beendeten Werkes fällig, d.h. nicht schon mit der Fertigstellung des Werkes, aber auch nicht erst nach der ordnungsgemässen Prüfung des abgelieferten Werkes durch den Besteller (ZINDEL/PULVER, N 2 zu Art. 372 OR).
2.5. Subsumtion
2.5.1. Inhalt der Abnahmeprotokolle vom 18. Dezember 2009
Die Beklagte nahm im April 2009 sowie Juni 2009 verschiedene Arbeitspakete ab. Diese Abnahmen sind als Teilabnahmen im Sinne der vertraglichen Regelung in Ziffer 7.2 des Anhangs C zum Dienstleistungsvertrag zu qualifizieren. Sodann erfolgte am 18. Dezember 2009 die Gesamtabnahme L. mit der Erklärung „Gesamtabnahme kann gegeben werden mit Vorbehalt – siehe Anlage 1.“. Als Vorbehalt wurde unter dem Titel „Ergebnis“ die „Liste der noch offenen Tickets aus dem Projekt L. und Service Buero“ genannt. Diese noch offenen Punkte seien spätestens mit dem Verarbeitungslauf „Monatsendeverarbeitung Februar“ in der ersten Hälfte des Monats März 2010 zu implementieren, zu testen und produktiv einzusetzen.
Ebenfalls am 18. Dezember 2008 fand die Abnahme der Arbeitsprojekte „Integration“ sowie „Produktive Inbetriebnahme“ statt. Die Abnahmen der unter diese Kategorien fallenden Arbeitsresultate wurden mit den Bemerkungen „Die Abnahme Integration wird gegeben mit Vorbehalt (siehe Anlage).“ sowie „Die produktive Inbetriebnahme kann abgenommen werden – mit Vorbehalt (siehe oben).“ versehen. In Bezug auf das Arbeitspaket „Integration“ bezeichneten die Parteien die Umsetzung und die vollständige Integration „B.-Fond“ nach den Anforderungen der Beklagten bis zum 27. Januar 2010 als Vorbehalt. Der Vorbehalt hinsichtlich des Arbeitspakets „Produktive Inbetriebnahme“ beinhaltete, dass die Analyse und Beseitigung der aktuellen Problematik der noch ausstehenden Verarbeitungsabläufe November noch bis zum 23. Dezember 2009 durchlaufen und verarbeitet werden könne. Die drei Abnahmen sind allesamt mit dem 18. Dezember 2009 datiert und durch M. (Mitarbeiterin der Klägerin), N., O., P. sowie Q. (allesamt Mitarbeiter der Beklagten) unterzeichnet.
2.5.2. Kein Scheitern der Abnahme aufgrund statuierter Vorbehalte
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann angesichts der unterzeichneten Abnahmeprotokolle nicht davon ausgegangen werden, dass am 18. Dezember 2009 per se keine Abnahme stattgefunden hatte. Die Beklagte macht geltend, dass es unmittelbar vor dem 18. Dezember 2009 klar gewesen sei, dass die klägerische Software nicht abnahmefähig gewesen sei. Die Testdaten am 18. Dezember 2009 seien noch gar nicht bearbeitet worden, weshalb ein Abnahmetest nicht möglich gewesen sei. Es ist ihr diesbezüglich entgegenzuhalten, dass sie am 18. Dezember 2009 trotz dieser nunmehr erhobenen Einwände eine Abnahmeerklärung abgegeben hatte, welche im Sinne der vertraglichen Regelungen in einem förmlichen Abnahmeprotokoll festgehalten wurde. Diese Erklärung muss sie sich zum heutigen Zeitpunkt entgegenhalten lassen.
Sämtlichen Abnahmeprotokollen ist zu entnehmen, dass die Abnahmen nicht vollumfänglich als gescheitert erklärt bzw. zur Gänze verweigert, sondern die Abnahmen im Gegenteil vielmehr grundsätzlich erklärt wurden (vgl. beispielsweise act. […]: „Abnahmeerklärung: Die produktive Inbetriebnahme kann abgenommen werden – mit Vorbehalt (siehe oben).“), wenn auch jeweils mit Vorbehalten. Wenn eine Abnahme aufgrund fehlender Testdaten von vornherein unmöglich gewesen wäre, so hätte die Beklagte diesen Umstand im Abnahmeprotokoll vermerken und die Abnahme infolge mangelnder Testung der Daten als gescheitert erklären müssen. Die Ausführungen der Beklagten vermögen aufgrund der explizit erteilten Abnahmeerklärungen (verbunden mit Vorbehalten) nicht zu überzeugen.
Eine Abnahme ist des Weiteren nicht schon dann als gescheitert zu bezeichnen, wenn sie mit Vorbehalten seitens des Bestellers verbunden wird. Die Beklagte setzt die Abnahme und die Genehmigung fälschlicherweise gleich, wenn sie anführt, dass die Voraussetzungen für eine Abnahme schon bereits darum nicht erfüllt gewesen seien, weil die Beklagte in sämtlichen der drei Protokolle Vorbehalte angebracht habe und diese in der Folge durch die Beklagte nicht ausgeräumt worden seien. Wie bereits an obiger Stelle dargelegt, kann eine Abnahme mit Mängelrügen oder Vorbehalten durch den Besteller verbunden werden. Damit scheitert die Abnahme nicht, da der vorbehaltlosen Abnahme einzig die Bedeutung zukommt, dass der Besteller das Werk zeitgleich mit der Abnahme genehmigt. Wenn im vorliegenden Fall Vorbehalte durch die Beklagte angebracht wurden, so bedeutet dies zunächst einmal lediglich, dass das Werk grundsätzlich abgenommen, aber (noch) nicht genehmigt wurde.
Die durch die Beklagte angebrachten Vorbehalte hinderten die Abnahmen am 18. Dezember 2009 nach dem Willen der Beklagten offenkundig nicht, ansonsten sie die Abnahmen nicht grundsätzlich erklärt, sondern als gescheitert bezeichnet hätte. Folgerichtig hätte die Beklagte – e contrario der entsprechenden vertraglichen Regelung in Ziffer 7.1 Absatz 1 lit. a) des Dienstleistungsvertrages – die Abnahmeprotokolle gar nicht erst signiert bzw. hätte deren Unterzeichnung verweigert. Wäre die Abnahme als vollumfänglich gescheitert erklärt worden, wäre die Beklagte – den vertraglichen Bestimmungen folgend – nach Ziffer 7.1 Absatz 3 des Dienstleistungsvertrages vorgegangen und hätte der Klägerin einen eingeschriebenen Brief mit einer der Dringlichkeit und Komplexität angemessenen Frist zur Behebung von Mängel zukommen lassen. Da sie dies nicht getan hat, könnte das Vorgehen der Parteien in Bezug auf die Gesamtabnahme inklusive GAPS Prio 2 und 3 den vertraglichen Regelungen zufolge einzig unter Ziffer 7.1. Absatz 2 lit. a) subsumiert werden. In diesem Punkt ist der Klägerin beizupflichten, da eine andere Zuordnung dieser Fehlerliste zu einer durch die Parteien im Dienstleistungsvertrag und dessen Anhängen getroffenen Regelung nicht ersichtlich ist. Indessen lässt das Verhalten der Klägerin unmittelbar nach dem 18. Dezember 2009 einzig den Schluss zu, dass sie die Abnahme am 18. Dezember 2009 nicht unter Ziffer 7.1. Absatz 2 lit. a) subsumieren wollte (vgl. nachfolgend C./2.5.5.).
Bei dem Vorgehen der Parteien handelt es sich sodann insbesondere nicht um ein Vorgehen gemäss Ziffer 7.1 Absatz 2 des Dienstleistungsvertrages. Diese Vertragsklausel regelt das Vorgehen bei Fehlern, „welche die Abnahme verhindern“. Nach dieser Regelung gingen die Parteien – weder behauptet noch aus den Akten ersichtlich – gerade nicht vor. Es liegt kein eingeschriebener Brief mit einer förmlichen Mahnung, verbunden mit einer Nachfristansetzung, vor. Den Akten kann folgerichtig auch keine Reaktion der Klägerin im Sinne von Ziffer 7.1 Absatz 3, d.h. eine Mitteilung der Klägerin an die Beklagte bezüglich Einhaltung der durch die Beklagte festgelegten Nachbesserungsfrist, entnommen werden. Nach Ziffer 7.3 von Anhang C zum Dienstleistungsvertrag gingen die Parteien des Weiteren ebenfalls nicht vor, da in lit. a-c das Anbringen eines Vorbehaltes anlässlich der Abnahme nicht vorgesehen bzw. geregelt wird.
Die Parteien lebten den vertraglichen Regelungen anlässlich der Abnahme am 18. Dezember 2009 demnach nicht nach, sondern entschieden sich mittels Statuierung von Vorbehalten für eine andere Vorgehensweise. Das nachvertragliche Verhalten der Parteien entsprach nicht dem früheren Vertragsschluss, weshalb im Ergebnis eine nachträgliche konkludente Vertragsänderung vorliegt (vgl. dazu KRAMER/SCHMIDLIN, Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band VI.1.1., Bern 1986, N 28 zu Art. 18 OR).
2.5.3. Kein Scheitern der Abnahme aufgrund fehlender weiterer Abnahmen
Es ist entgegen der Ansicht der Beklagten – in Bezug auf die Frage, ob am 18. Dezember 2009 eine (Teil-)Abnahme erfolgte – nicht von Belang, dass nach der Vertragsanpassung 1, welche am 18. Februar 2010 bzw. am 11. März 2010 von den Parteien unterzeichnet wurde, kein weiteres Abnahmeprotokoll mehr unterzeichnet worden war. Die Beklagte macht diesbezüglich implizit geltend, dass ihre am 18. Dezember 2009 abgegebenen Annahmeerklärungen aufgrund der statuierten Vorbehalte suspensiv bedingt gewesen seien, d.h. die am 18. Dezember 2009 erfolgten Abnahmen bis zur Erledigung der Vorbehalte bzw. deren Abnahmen in einem Schwebezustand gewesen seien.
Dem Standpunkt der Beklagten kann aus den folgenden Gründen nicht gefolgt werden: Der Umstand, dass die Beklagte den Werklohn für denjenigen Teil, welcher anlässlich der Abnahme vom 18. Dezember 2009 abgenommen wurde, anstandslos bezahlte und für denjenigen Teil, welcher die Vorbehalte beinhaltete, keine Zahlungen leistete (vgl. die Ausführungen von Q. [Mitarbeiter der Beklagten] im E-Mail vom 22. Dezember 2009: „Dieser Rückbehalt ist für uns sehr wichtig. Dieser reflektiert die noch nicht vollständig erhaltenen Lieferobjekte entsprechend dem Gegenwert.“), weist darauf hin, dass die Parteien am 18. Dezember 2009 im Sinne einer nachträglichen konkludenten Vertragsänderung jedenfalls eine Teilabnahme vereinbarten. Aus dem ersten Absatz von Ziffer 6.2.2. des Dienstleistungsvertrages geht sodann hervor, dass die Beklagte berechtigt ist, während der Dauer der Gewährleistungspflicht die von den Parteien im separat abgeschlossenen Wartungsvertrag vereinbarten Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Gewährleistungspflicht beträgt sechs Monate ab Abnahme des Arbeitsresultats. Der Umstand, dass R.(Mitarbeiter der Klägerin) in seiner E-Mail vom 18. Dezember 2009 darauf hinwies, dass mit der Gesamtabnahme unter Vorbehalt ab dem 1. Januar 2010 der Softwarepflegevertrag in Kraft trat und diese Anmerkung in der Folge auf Seiten der Beklagten unwidersprochen blieb, belegt ebenfalls, dass am 18. Dezember 2009 zumindest eine Teilabnahme stattgefunden hatte. Auch der Umstand, dass die Beklagte die Rechnung Nr. 2010014 vom 15. Januar 2010 widerspruchslos bezahlte, zeigt auf, dass für einen Teil des Werkes, welches am 18. Dezember 2009 abgeliefert worden war, bereits die Gewährleistungsphase eingetreten war und das Werk in Bezug auf diesen spezifischen Teil demzufolge bereits abgenommen wurde. Mit der Bezahlung der genannten Rechnung erweckte die Beklagte das berechtigte Vertrauen der Klägerin, dass zumindest derjenige Werkteil, welcher nicht von den Vorbehalten betroffen war, am 18. Dezember 2009 abgenommen worden war (vgl. hierzu FRÖHLICH-BLEULER, a.a.O., N 999).
Auch die Vertragsanpassung Nr. 1 zu Anhang C vom 18. Februar 2010 respektive 11. März 2010 weist in diese Richtung. In dieser wird bezüglich des Abnahmedatums auf den 18. Dezember 2009 Bezug genommen, was ebenfalls ein gewichtiges Indiz dafür darstellt, dass am 18. Dezember 2009 zumindest eine Teilabnahme stattgefunden hatte. Hätte keine Teilabnahme stattgefunden, so hätte der 18. Dezember 2009 in der Vertragsanpassung Nr. 1 auch keine Erwähnung gefunden.
Die in den drei Abnahmeprotokollen vom 18. Dezember 2009 enthaltenen Erklärungen können aufgrund der vorstehend aufgezeigten Umstände einzig dahin gehend gewürdigt werden, dass die Abnahme in Bezug auf diejenigen Werkteile, welche nicht vom Vorbehalt erfasst wurden, unwiderruflich erklärt wurde. Hätten die Parteien tatsächlich erst im Frühjahr 2010 eine einzige, alle Werksarbeiten der Klägerin umfassende Abnahme gewollt, so hätten sie die Abnahmeprotokolle am 18. Dezember 2009 gar nicht erst unterzeichnet bzw. hätte die Beklagte die bis dato zu Stande gekommenen Arbeitsresultate als gescheitert erklärt und dementsprechend auch keine Abnahmeerklärung zu Protokoll gegeben. Vor diesem Hintergrund kann nicht konstatiert werden, dass die Abnahme sämtlicher Arbeiten der Klägerin erst nach der Erledigung der Vorbehalte hätte erfolgen sollen.
Nach dem Gesagten lag eine Teilabnahme vor. Die am 18. Dezember 2009 erfolgte Teilabnahme kann mithin auch für den Fall, dass die Klägerin die Erledigung der Vorbehalte im Frühjahr 2010 nicht belegen könnte (vgl. hierzu nachfolgend C./5.), durch die Beklagten nicht im Nachhinein einseitig als vollumfänglich gescheitert erklärt werden. […]
2.5.5. Korrespondenz im Nachgang zum 18. Dezember 2009
[…] Da die Beklagte dieses Verständnis der Beklagten mit E-Mail vom 23. Dezember 2009 bestätigte, ist davon auszugehen, dass sich die Parteien am 18. Dezember 2009 darüber einig waren, eine Abnahme, welche nicht gleichbedeutend mit dem „Abschluss des Projektes“ war, d.h. im Ergebnis eine Teilabnahme, durchzuführen. Der Korrespondenz kann somit mit anderen Worten in Bezug auf die Auslegung der Abnahmeerklärungen entnommen werden, dass die Parteien übereinstimmten, dass das Werk noch nicht in allen Teilen vollendet war, indes die Vorbehalte in Bezug auf die noch nicht vollendeten Teile eine am 18. Dezember 2009 stattfindende Teilabnahme nicht hindern sollte. […] Die Parteien haben mit diesem Vorgehen eine Zwischenform gewählt, welche durch ihre vertraglichen Bestimmungen gedeckt erscheint. So geht aus Ziffer 7.2 des Anhangs C zum Dienstleistungsvertrag wie bereits erwähnt explizit hervor, dass Teilabnahmen erfolgen können.
Wie bereits dargelegt muss ein Werk – und zwar auch ein Teilwerk – bei dessen Ablieferung vollendet sein. Es stellt sich daher die Frage, ob das am 18. Dezember 2009 abgelieferte Teilwerk als vollendet angesehen werden kann. […]
Des Weiteren ist festzuhalten, dass selbst dann, wenn das am 18. Dezember 2009 von der Klägerin abgelieferte Teilwerk noch nicht vollendet gewesen wäre, die Abnahme aufgrund des Prinzips von Treu und Glauben durch die Beklagte im Nachhinein nicht verweigert werden kann. Wie bereits ausgeführt, bezahlte die Beklagte die Wartungspauschale für das Jahr 2010. Sie beglich sodann auch die Rechnungen für denjenigen Werkteil, welcher von den Vorbehalten nicht umfasst war. Diese Umstände erweckten das berechtigte Vertrauen der Klägerin, dass die Beklagte den von den Vorbehalten nicht betroffenen Werkteil als abgenommen anerkannte. Eine Teilabnahme ist daher (auch) gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben zu bejahen. […]
2.5.7. Spaltung der Rechtsfolgen
Die von den Parteien praktizierte Zwischenform, welche von den der vertraglichen Regelung in Ziffer 7.1 des Dienstleistungsvertrages abwich, führt zu einer Spaltung der Rechtsfolgen bezüglich der noch fertigzustellenden Teile (den Vorbehalten) sowie bezüglich der abgelieferten, d.h. von der Beklagten abgenommenen Teile. Bezüglich der abgenommenen Teile war die Leistung der Klägerin grundsätzlich erbracht und folgte die Gewährleistungsphase (Mängelbehebung). In Bezug auf die noch nicht abgenommenen Teile war die Vertragsleistung der Klägerin am 18. Dezember 2009 demgegenüber noch nicht erbracht. […].
3. Rechtsfolgen in Bezug auf die noch nicht erbrachten Leistungen
3.1. Standpunkt der Klägerin
Die Klägerin führt zusammengefasst aus, dass die materiellen Voraussetzungen von Art. 366 OR nicht erfüllt seien. […]
3.2. Standpunkt der Beklagten
Die Beklagte macht insbesondere geltend, dass die von der Klägerin behauptete Abnahme nie stattgefunden habe, weshalb ein vollendetes „Grundwerk“ nie abgeliefert worden sei. Sie sei daher gemäss Ziffer 7.2 des Dienstleistungsvertrages berechtigt gewesen, vom Vertrag zurückzutreten. Des Weiteren sei die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin auch berechtigt gewesen, gestützt auf Art. 366 OR vom Vertrag zurückzutreten. […]
3.3. Rücktritt gestützt auf die vertragliche Regelung
In Ziffer 12.2 des Dienstleistungsvertrages hiesst es unter dem Titel „Vertragsbeendigung“, dass der Dienstleistungsvertrag, inklusive seiner Anhänge und allfälliger Nachträge, bis zu seiner vollständigen Erfüllung oder bis zu seiner gemäss den vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen erfolgten Kündigung daure. Bestimmungen zur vertraglichen Kündigung finden sich einzig im Zusammenhang mit dem Scheitern der Abnahme und dem damit einhergehenden Vorgehen (vgl. Ziffer 7.1 sowie 7.2 des Dienstleistungsvertrages).
Wie bereits an obiger Stelle dargelegt, ist ein Scheitern der Abnahme am 18. Dezember 2009 nicht erfolgt, da die Beklagte sämtliche Abnahmeprotokolle unterzeichnete. Die Abnahmen wurden damit nicht als gescheitert erklärt, sondern vielmehr grundsätzlich erklärt, wenn auch jeweils mit „Vorbehalt“. Die Beklagte ist am 18. Dezember 2009, wie bereits aufgezeigt auch nicht nach den Bestimmungen von Ziffer 7.1 des Dienstleistungsvertrages vorgegangen. Abermals ist zu konstatieren, dass die Parteien den vertraglichen Regelungen in Bezug auf das Abnahmeprozedere in ihrem Geschäftsalltag nicht nachgelebt, sondern eine vertraglich nicht vorgesehene Zwischenform gewählt haben. Die Beklagte geht daher fehl, wenn sie anführt, dass die Gesamtabnahme am 18. Dezember 2009 gescheitert sei. Da eine Abnahme am 18. Dezember 2009 nicht vollumfänglich scheiterte, kann sich die Beklagte entgegen ihren Ausführungen nicht auf Ziffer 7.2 des Dienstleistungsvertrages berufen.
Die Beklagte hätte sodann auch hinsichtlich der von ihr behaupteten Fehler bzw. fehlerhaften Verarbeitungsprozesse in Bezug auf die anlässlich der Abnahmen vom 18. Dezember 2009 statuierten Vorbehalte gemäss der vertraglichen Regelung in Absatz 3 von Ziffer 7.1. des Dienstleistungsvertrages vorgehen müssen. Die Beklagte liess der Klägerin jedoch keinen eingeschriebenen Brief mit angemessener Fristansetzung zur Behebung von Mängeln zukommen. Es trifft zwar zu, dass keine förmliche Abnahme der Erledigung der Vorbehalte erfolgte (dies macht die Klägerin auch nicht geltend), indes wäre ein Scheitern der Abnahme nach den vertraglichen Regelungen erst dann eingetreten, wenn die Beklagte den Regelungen in Absatz 3 von Ziffer 7.1 nachgekommen wäre und die Klägerin in der Folge die im Rahmen der Abnahmetests aufgetretenen Fehler innerhalb einer von der Beklagten angesetzten (zweimaligen) Frist nicht hätte beheben können. Da die Beklagte das im Vertrag definierte Verfahren nicht einhielt, kann sie sich nun auch nicht auf Ziffer 7.2 des Dienstleistungsvertrag berufen.
Die Beklagte macht verschiedentlich geltend, dass Abnahmetests erst gar nicht möglich gewesen seien, weshalb keine Abnahme habe erfolgen können. Den vertraglichen Regelungen zur Abnahme sind keine Bestimmungen für die von der Beklagten behauptete Fallkonstellation zu entnehmen, dass (Abnahme-)Tests gar nicht erst möglich sind. Aus Ziffer 7 geht indessen hervor, dass dem Abnahmeprotokoll innerhalb des Abnahmeprozedere entscheidendes Gewicht zukommt. Die Beklagte erstellte nach der am 18. Dezember 2009 erfolgten Teilabnahme keine Abnahmeprotokolle, in denen deutlich vermerkt wurde, dass die Abnahmen der Erledigungen der Vorbehalte mangels der erforderlichen Tests als gescheitert zu bezeichnen seien (vgl. hierzu Ziffer 7 act. […]: „Der KUNDE erstellt für jeden durchgeführten Test ein Abnahmeprotokoll, worin deutlich vermerkt ist, ob die Abnahme erfolgreich war oder gescheitert ist.“). Erst wenn aus einem Abnahmeprotokoll explizit („deutlich“) hervorgegangen wäre, dass eine Abnahme mangels der Möglichkeit, einen Abnahmetest durchzuführen, gescheitert war, hätte die Beklagten nach Ziffer 7.2 („Scheitert die Abnahme…“) vorgehen können. Die E-Mail der Beklagten vom 15. März 2010 stellt kein förmliches Abnahmeprotokoll dar, da es sich deutlich von den Abnahmeprotokollen unterscheidet, welche die Parteien während des gesamten Projekts verwendeten (vgl. die diversen Abnahmeprotokolle unterschiedlichen Datums: […]).
Selbst wenn man die E-Mail der Beklagten vom 15. März 2010 als förmliches Abnahmeprotokoll auffassen würde, so ging die Beklagte im Anschluss unbestrittenermassen nicht nach Absatz 3 von Ziffer 7.1 des Dienstleistungsvertrages vor. Die Beklagte hätte der Klägerin bei Scheitern der Abnahme im Frühjahr 2010 eine zweifache Frist ansetzen müssen, innerhalb welcher die Klägerin Mängel hätte beheben bzw. hätte dafür sorgen müssen, dass brauchbare Testdaten bestehen. Das Zuwarten der Beklagten bis September 2010 entsprach nicht den vertraglichen Regelungen gemäss Ziffer 7 des Dienstleistungsvertrages und lässt sich im Übrigen auch nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr vereinbaren. Indem die Beklagte erst im September 2010 ihren Rücktritt vom Vertrag gestützt auf Ziffer 7.2 des Dienstleistungsvertrags erklärte, liess sie zu, dass die Klägerin bis dahin an der Erledigung der Vorbehalte arbeitete, obwohl die Beklagte die diesbezüglichen Abnahmen bereits im März 2010 als gescheitert ansah, was sie der Klägerin mit E-Mail vom 15. März 2010 auch mitteilte. Wenn die Beklagte überhaupt einen Rücktritt auf Ziffer 7.2 des Dienstleistungsvertrages hätte abstützen können, so hätte sie die diesbezügliche Erklärung bereits im März 2010 und nicht erst im September 2010 abgeben müssen. […]
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beklagte ihren Rücktritt nicht auf Ziffer 7.2 des Dienstleistungsvertrags abstützen kann. Ziffer 12.2 des Dienstleistungsvertrages verweist in Bezug auf die Vertragsbeendigung auf die gesetzlichen Regelungen, weshalb auf diese im Folgenden einzugehen ist. In concreto ist zu prüfen, ob Art. 366 OR zur Anwendung gelangt.
3.4. Rücktritt gestützt auf Art. 366 OR
3.4.1. Einleitung
In Bezug auf die noch nicht erbrachten Vertragsleistungen kommt entweder ein Rücktritt nach Art. 366 OR oder nach Art. 377 OR in Frage. Die Beklagte beruft sich (einzig) auf Art. 366 OR, weshalb vorab zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.
3.4.2. Rechtliches
Möchte der Besteller nach Art. 366 Abs. 1 OR vorgehen, hat er den Unternehmer nach einhelliger Ansicht von Lehre und Rechtsprechung zu mahnen sowie eine angemessene Nachfrist zur nachträglichen Erfüllung der Werkleistung anzusetzen. Art. 366 Abs. 1 OR bedarf mithin der Ergänzung durch die allgemeinen Verzugsbestimmungen von Art. 102 ff. OR (GAUCH, a.a.O., N 675; ZINDEL/PULVER, in: BSK OR I, Basel 2011, N 13 und N 19 zu Art. 366 OR). Die entsprechende Nachfristansetzung stellt eine Verfügung über die Forderung dar, wobei sie gleich der Mahnung durch ein einseitiges Rechtsgeschäft des Gläubigers erfolgt. Dieser bringt mit ihr rechtsverbindlich zum Ausdruck, dass er seine Leistungsaufforderung auf die Dauer der angesetzten Nachfrist begrenzen will. Die Nachfrist enthält mit anderen Worten die ultimative Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, die verspätete Leistung innerhalb der angesetzten Frist vorzunehmen. Entscheidend dabei ist, dass der Schuldner nach Treu und Glauben erkennen kann, dass der Gläubiger die verzögerte Leistung erhalten will und ihm hierzu nur noch die angesetzte Nachfrist zur Verfügung steht (WEBER, in: Berner Kommentar, Bern 2000, N 61 f. zu Art. 107 OR). Bei der Nachfristansetzung handelt es sich wie bei der Mahnung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die an keine besondere Form gebunden ist (WIEGAND, BSK OR I, a.a.O., N 7 zu Art. 107 OR). Als einseitiges Rechtsgeschäft hat die Nachfristansetzung erhöhten Bestimmtheitserfordernissen zu genügen. Sie ist nur gültig, falls ihr Ende terminlich genau oder durch Angabe eines fixen Zeitraums angegeben wird. Der blosse Hinweis, dem Schuldner stehe eine angemessene Nachfrist zur Verfügung, reicht nicht aus (WEBER, a.a.O., N 63 zu Art. 107 OR m.w.H.).
Erst nach Ablauf der Nachfrist kann der Vertragsrücktritt erklärt werden (BGE 115 II 55), wobei diese Erklärung unverzüglich zu erfolgen hat, falls der Besteller ihn nicht schon bereits mit der Fristansetzung oder während noch laufender Frist angedroht hat (GAUCH, a.a.O., N 675). Falls aus dem Verhalten des Schuldners hervorgeht, dass sich eine Nachfrist als unnütz erweisen würde, ist die Ansetzung einer Frist zur nachträglichen Erfüllung gemäss Art. 108 Ziff. 1 OR nicht erforderlich (Urteil des Bundesgerichts 4C.255/1996 vom 28. März 2000, E. 6c/aa, nicht publ. in BGE 126 III 230).
Hat der Unternehmer im Zeitpunkt des Rücktritts mit der Ausführung des Werkes bereits begonnen, so steht es dem Besteller frei, den Vertrag gegen Vergütung der bereits geleisteten Arbeit ex nunc – ergo nur für die Zukunft – aufzulösen und das Werk, soweit es ausgeführt ist, zu beanspruchen (GAUCH, a.a.O., N 685).
Der Besteller hat die Erfüllung der dem Rücktrittsrecht nach Art. 366 Abs. 1 OR zugrunde liegenden materiellen und formellen Voraussetzungen nachzuweisen. Er trägt insbesondere die Beweislast dafür, dass der Unternehmer das Werk nicht mehr rechtzeitig hatte herstellen können (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 43 zu Art. 366 OR). Misslingt der Beweis, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt nach Art. 366 OR vorgelegen haben, so gilt der Rücktritt des Bestellers als Rücktritt (= Kündigung) im Sinne von Art. 377 OR, falls die Auslegung seiner Erklärung ergibt, dass er den Vertrag in jedem Falle beenden wollte (GAUCH, a.a.O., N 690).
3.4.3. Vorliegen der materiellen und formellen Voraussetzungen
3.4.3.1 Entscheidend erscheint vorliegend zunächst, dass die Parteien mit dem am 15. April 2009 unterzeichneten „Nachtrag zum Einzelvertrag (Projektvertrag) vom 30. Juni 2008 B.-2008-002-DL“ festhielten, dass durch „einen nicht ausschliesslich durch den Dienstleister verursachten Projektverzug“ die Zahlungstermine neu zu regeln seien, wobei auch die entsprechenden Meilensteine neu terminiert wurden.
[…] Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des „Nachtrags“ vom 15. April 2009 besteht kein Raum für ein davon abweichendes Verständnis. Der beidseitig beschlossene neue Zeitplan kann mithin von der Beklagten im Nachhinein nicht derart (um-)interpretiert werden, dass der Klägerin von der Beklagten eine Nachfrist gewährt worden wäre. Eine Nachfristansetzung stellt einen einseitigen Vorgang einer Partei dar und enthält die ultimative Aufforderung an die Gegenpartei, die verspätete Leistung innerhalb der angesetzten Frist vorzunehmen. Dem „Nachtrag“ vom 15. April 2009 ist keine einseitige Aufforderung an die Klägerin, innerhalb einer gewissen Zeitspanne das Werk fertigzustellen, zu entnehmen.[…]
Dasselbe gilt für die Ausführungen der Beklagten, wonach der Klägerin auch nach dem 18. Dezember 2009 weitere Nachristen angesetzt worden seien, wobei die entsprechenden Nachfristen in den Protokollen „Abnahme Produktion Inbetriebnahme“ sowie „Gesamtabnahme“ erwähnt worden seien. Den besagten Protokollen ist keine förmliche Mahnung, verbunden mit einer Nachfristansetzung, d.h. eine einseitige, explizite Aufforderung, zu entnehmen, eine verspätete Leistung innerhalb einer gewissen Zeitspanne vorzunehmen. Es handelt sich bei den im Zusammenhang mit den Vorbehalten statuierten Fristen vielmehr um eine durch die Beklagte innerhalb des Abnahmeprozederes angesetzte Zeitspanne, um die Vorbehalte der Abnahme zu erledigen. Mit deren Ablauf wäre die Klägerin nach vorangehender Mahnung in Verzug gekommen.
Besagter Frist im Zusammenhang mit den Vorbehalten kommt nicht die Bedeutung einer Mahnung und Nachfristansetzung im Sinne von Art. 102 ff. OR zu. So wurde einerseits seitens der Beklagten im Abnahmeprotokoll nicht explizit deklariert, dass es sich um die im Zusammenhang mit den Vorbehalten formulierte Frist um eine Mahnung, verbunden mit einer Nachfrist, im Sinne vom Art. 102 ff. OR handelt. Die Klägerin konnte damit (zurecht) davon ausgehen, dass diese Frist einzig im Zusammenhang mit der Abnahme Geltung beanspruchte. Andererseits kann bei dieser Frist nicht von einer einseitigen Aufforderung ausgegangen werden, da die Abnahmeprotokolle sowohl die Unterschriften der für die Beklagte als auch der für die Klägerin handelnden Personen tragen. Eine einseitige explizite Aufforderung, die verspätete Leistung innerhalb einer von der Beklagten bestimmten Zeitspanne vorzunehmen, liegt mithin nicht vor. […]
3.5. Rücktritt gestützt auf Art. 377 OR
3.5.1. Einleitung
Zu Unrecht auf andere Normen gestützte Rücktrittserklärungen sind als Rücktritt im Sinne von Art. 377 OR zu qualifizieren (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 2 zu Art. 377 OR). Das Rücktrittsrecht verwirkt mit der Vollendung des Werkes. Beendet ist das Werk, wenn alle vereinbarten Leistungen erbracht sind. Die Ablieferung bzw. die Abnahme sowie allfällige Mängel des Werks sind hierbei unbeachtlich (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 6 zu Art. 377 OR).
[…].
3.5.3 Rechtliches
Nach Art. 377 OR kann der Besteller, solange das Werk unvollendet ist, gegen Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und gegen volle Schadloshaltung des Unternehmers jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Das Rücktrittsrecht des Bestellers besteht längstens bis zur Vollendung, indes nicht bis zur Ablieferung respektive Abnahme des vollendeten Werkes (GAUCH, Der Rücktritt des Bestellers vom Werkvertrag, in: Festschrift für Horst Locher, S. 36). Ratio legis der Bestimmung ist, der Veränderung der Verhältnisse und der Interessen des Bestellers Rechnung zu tragen (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 1 zu Art. 377 OR).
Die Rücktrittserklärung des Bestellers bewirkt die fristlose Beendigung des Werkvertrags. Der Vertrag wird ex nunc aufgelöst, weshalb Art. 377 OR entgegen seines Wortlautes ein Kündigungsrecht und nicht ein Rücktrittsrecht beinhaltet (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 11 zu Art. 377 OR). Der Besteller hat die bereits geleistete Arbeit und sämtliche Aufwendungen zu vergüten und dem Unternehmer volle Schadloshaltung (im Sinne des positiven Vertragsinteresses) zu gewähren. Im Gegenzug hat er Anspruch auf das unvollendete Werk.
Als Folge des Rücktritts hat der Besteller dem Unternehmer sämtliche bereits erbrachten Aufwendungen für die Vertragserfüllung zu vergüten. Das Gesetz erwähnt zwar lediglich den Ersatz der „Arbeit“, indes sind nach einhelliger Auffassung sowohl der Arbeitsaufwand als auch die im Preis nicht enthaltenen Auslagen, beispielsweise für vom Unternehmer beschaffenen Werkstoff, zu entgelten. Berechnungsgrundlage bildet dabei der vertraglich festgelegte Preis (ZINDEL/PULVER, a.a.O, N 13 zu Art. 377 OR).
Art. 377 OR verpflichtet den Besteller zur „vollen Schadloshaltung des Unternehmers“. Der Besteller hat einerseits die bereits geleistete Arbeit zu vergüten und andererseits das positive Vertragsinteresse des Unternehmers zu ersetzen, mithin auch entgangenen Gewinn (vgl. zum Ganzen GAUCH, a.a.O., N 542 ff.; ZINDEL/PULVER, a.a.O. N 15 ff.). Massgebend ist die sich aus dem Vertrag ergebende Gewinnmarge. In Abzug zu bringen ist, was der Unternehmer infolge der Auflösung des Werkvertrags anderweitig erwarb oder zu erwerben treuwidrig unterlassen hat. Die Methode der konkreten Berechnung des Schadenersatzes ist umstritten (Additionsmethode vs. Abzugsmethode; vgl. ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 16 ff, m.w.H.). Wurde ein Pauschalpreis vereinbart, so schuldet der Besteller vom vereinbarten Preis einen Teilbetrag, welcher sich aus dem Verhältnis der erbrachten Teilleistung zum Wert der Gesamtleistung ergibt (GAUCH, Der Rücktritt des Bestellers vom Werkvertrag, a.a.O., S. 37).
Die Beweislast hinsichtlich der Tatsache und des Zeitpunktes der Vertragsauflösung obliegt demjenigen Vertragspartner, der gestützt darauf den Untergang seiner Schuld oder den Vergütungs- und Schadenersatzanspruch geltend macht. Der Unternehmer hat den Schaden aus den entzogenen Arbeiten sowie die Aufwendungen und Auslagen für die erbrachten Arbeiten nachzuweisen. Dem Besteller obliegt demgegenüber die Beweislast dafür, dass ein Sachverhalt vorliegt, der ihn zur entschädigungslosen Vertragsauflösung berechtigt. Macht er geltend, dass der Unternehmer infolge der Vertragsauflösung anderweitigen Erwerb erzielt oder treuwidrig versäumt hat, so trägt er dafür die Folgen der Beweislosigkeit (vgl. zum Ganzen ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 22 zu Art. 377 OR, m.w.H.). […]
3.5.5 Rücktritt nach Art. 377 OR in Bezug auf die ausgegliederten Werke
3.5.5.1. Parteibehauptungen
3.5.5.1.1. Hinsichtlich der ausgegliederten Werke „Planner“, „Prozesskostenrechnung“ sowie „Reportinglösung“ stellt sich die Klägerin auf den Standpunkt, dass die Anwendung von Art. 377 OR zur Folge habe, dass die Klägerin einerseits Anspruch auf die Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und andererseits auf Schadenersatz im Sinne des positiven Vertragsinteresses habe.
Die für die Fertigstellung der ausgegliederten Werke und die Wartung der Software reservierten Mitarbeiter hätten nach dem Projektstopp bis heute nicht anderweitig eingesetzt werden können. […]
3.5.5.3. Vergütung des Erfüllungsinteresses
Wie bereits ausgeführt, liegt die Beweislast für den erlittenen Schaden bei der Unternehmerin, mithin bei der Klägerin.
Der klägerischen Ansicht, wonach sämtliche nicht verrechenbare Stunden in den Monaten September 2010 bis Dezember 2010 geschuldet sein sollen, weil sie ihre für die anfallenden Projektarbeiten vorgesehenen Mitarbeiter nicht habe anderweitig einsetzen können, ist nicht ohne Weiteres zu folgen. Es ist Sache der Unternehmerin, sich (spätestens nach einer kurzen Übergangszeit) neu zu organisieren und ihre Mitarbeiter anderweitig einzusetzen. Wollte man anders entscheiden, würde das jederzeitige Rücktrittsrechts des Bestellers im Sinne von Art. 377 OR ad absurdum geführt, da er stets damit rechnen müsste, dass die Unternehmerin noch während Monaten nach dem Rücktritt entgangene verrechenbare Stunden geltend macht – dies mit dem Argument, dass sie ihre Mitarbeiter nicht habe anderweitig einsetzen können. Die Unternehmerin müsste in diesem Zusammenhang zumindest hinreichend begründen, weshalb sie ihre Mitarbeiter während Monaten nicht anderweitig einsetzen bzw. weshalb sie sich während Monaten betriebsintern nicht anderweitig organisieren konnte. Vorliegend hat die Klägerin ihre Behauptung, wonach sie ihre Mitarbeiter in den Monaten September 2010 bis Dezember 2010 nicht habe anderweitig einsetzen können, nicht ansatzweise substantiiert. Es bleibt völlig unklar, weshalb es ihr nicht möglich war, sich in der langen Zeitspanne von September 2010 bis Dezember 2010 neu zu organisieren bzw. neue Aufträge zu generieren oder ihre Mitarbeiter im Zusammenhang mit anderen Projekten zu beschäftigen. Damit ist ihre pauschale Behauptung, dass sie ihre Mitarbeiter nicht habe anderweitig einsetzen können, von vornherein nicht ausreichend substantiiert. Der klägerische Anspruch auf Ersatz ihres Erfüllungsinteresses ist bereits aus diesem Grunde abzuweisen.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass die von der Klägerin angeführten Tagessätze von CHF 1’800.- lediglich im Zusammenhang mit Zusatzleistungen oder Änderungen gemäss Ziffer 3.3 des Anhangs C zum Dienstleistungsvertrag gelten. […] Die Klägerin legt nicht dar, ob sie anderen Kunden ebenfalls einen Stundenansatz von CHF 225.- verrechnet bzw. welcher Stunden¬ansatz branchenüblich wäre. Es bleibt damit unklar, mit welchem Stundenansatz die behauptete Stundenanzahl effektiv multipliziert werden könnte.
[…]
4. Rechtsfolgen in Bezug auf die bereits erbrachten Leistungen
4.1. Einleitung
Wie an obiger Stelle bereits dargelegt, erfolgte am 18. Dezember 2009 eine Teilabnahme des Werkes, was eine Spaltung der Rechtsfolgen bewirkte. In Bezug auf den am 28. Dezember 2009 abgenommenen Werkteil trat die Gewährleistungsphase ein. Die Beklagte macht Wandlung nach Art. 368 Abs. 1 OR geltend. Damit ist im Folgenden zu prüfen, ob die Voraussetzungen von Art. 368 OR erfüllt sind.
[…]
4.3. Vertragliche Regelung
In Bezug auf die vertragliche Regelung hinsichtlich der Handhabung von Mängeln ist abermals auf Ziffer 7.1 Absatz 3 des Dienstleistungsvertrages zu verweisen. Gemäss dieser Bestimmung hat die Beklagte der Klägerin mit eingeschriebenem Brief eine der Dringlichkeit und Komplexität angemessene Frist zur Behebung von Mängeln anzusetzen. Scheitert die Mängelbehebung innert dieser Frist und werde die Mängel auch innert einer zweiten, mit eingeschriebenem Brief gesetzten, der Dringlichkeit und Komplexität angemessenen Frist nicht nachgeholt, richten sich die Ansprüche der Beklagten nach Art. 368 OR.
4.4. Rechtliches
4.4.1. Gemäss Art. 367 Abs. 1 OR hat der Besteller die Beschaffenheit des Werks nach dessen Ablieferung zu prüfen, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, und den Unternehmer in der Folge von allfälligen Mängeln in Kenntnis zu setzen. Haben die Parteien Teillieferungen vereinbart, finden die gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen auf die einzelnen Lieferungen Anwendung. Der Besteller hat mithin jeden abgelieferten Teil zu prüfen und allfällige Mängel zu rügen (FRÖHLICH-BLEULER, a.a.O., N 1089). Die Mängelrüge ist nicht formgebunden. Der Besteller hat den Unternehmer unverzüglich zu rügen. Treten die Mängel allmählich auf, so muss der Besteller rügen, sobald er die Bedeutung und die Tragweite der Mängel erfassen kann (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 20 zu Art. 367 OR). Meldet der Unternehmer einen Mangel nicht umgehend – d.h. innerhalb weniger Tage nach dessen Entdeckung – dem Unternehmen, gilt er als genehmigt und die betreffenden Gewährleistungsansprüche fallen dahin (STRAUB, a.a.O., Bern 2004, S. 151).
4.4.2. Nach Art. 368 Abs. 1 OR darf der Besteller die Abnahme des Werkes verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern, falls das Werk unter erheblichen Mängeln leidet oder sonst so sehr vom Vertrage abweicht, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann. Sind die Mängel oder die Abweichungen vom Vertrage minder erheblich, so kann der Besteller gemäss Art. 368 Abs. 2 OR einen dem Minderwerte des Werkes entsprechenden Abzug am Lohne machen oder auch, sofern dieses dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht, die unentgeltliche Verbesserung. Bei diesen drei Mängelrechten Wandelung, Minderung sowie Nachbesserung handelt es sich um Gestaltungsrechte, weshalb die entsprechende Erklärung des Bestellers unwiderruflich ist (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 12 zu Art. 368 OR).
4.4.3. Die in Art. 368 Abs. 1 OR statuierte Annahmeverweigerung bezieht sich auf das Wandelungsrecht des Bestellers. Die Wandelung bedingt, dass die Werkmängel derart erheblich sind, dass das Werk für den Besteller unbrauchbar ist. Hierbei ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei in erster Linie die Art und das Ausmass der Werkmängel ausschlaggebend erscheinen (vgl. hierzu die Auflistung der diesbezüglichen Kriterien bei ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 15 zu Art. 368 OR). Umstritten ist in der Lehre, ob das Werk in Bezug auf das Kriterium der Unbrauchbarkeit absolut unbrauchbar sein muss oder ob die Unbrauchbarkeit von den besonderen Bedürfnissen des Bestellers abhängig sein soll (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 16 zu Art. 368 OR). Die Wandelung setzt sodann voraus, dass das abgelieferte Werk definitiv unbrauchbar ist. Solange die Mängel behoben werden können, steht das Nachbesserungsrecht im Vordergrund (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 19 zu Art. 368 OR).
4.4.4. Die Mängelrüge ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann grundsätzlich auch mündlich erfolgen. Im Hinblick auf die nachträgliche Beweisbarkeit ist allerdings die Geltendmachung mit eingeschriebenem Brief oder allenfalls Telefax mit Sendebestätigung sinnvoll (vgl. zur Beweislast der Rechtzeitigkeit einer Mängelrüge BGE 118 II 142 E. 3a und BGE 107 II 172 E. 1). Mitunter wird im Vertrag eine bestimmte Form vorgesehen. Sofern nicht das Gegenteil vereinbart wurde, dienen solche Abmachungen lediglich Beweiszwecken, so dass auch eine in anderer Form erhobene Mängelrüge gültig ist. Die Mängelrüge muss inhaltlich so konkret sein, dass der Unternehmer den Umfang der Beanstandung – nicht aber die technische Ursache – ermessen kann (vgl. dazu Urteil 4C.395/2001 vom 28. Mai 2002 E. 2.1.1). Ein blosser Hinweis, dass das Werk mangelhaft sei, genügt nicht (Urteil 4A_82/2008 vom 29. April 2009 E. 6.1). Der Besteller sollte dem Unternehmer insbesondere folgende Angaben mitteilen: Zeitpunkt und Umstände des Auftretens (z.B. bei Verwendung einer bestimmten Funktion), Erscheinungsbild (z.B. Inhalt einer allfälligen Fehlermeldung auf dem Bildschirm) und Auswirkungen der Fehlfunktion (z.B. Absturz einer weiteren Applikation; vgl. zum Ganzen, STRAUB, a.a.O., S. 152).
4.4.5. Liegen die Voraussetzung von Art. 368 Abs. 1 OR vor, kann der Besteller den Werkvertrag durch einseitige Willenserklärung mit rückwirkender Kraft (ex tunc) aufheben. Die Vertragsaufhebung zieht einerseits das Erlöschen der noch bestehenden gegenseitigen Forderungen der Vertragsparteien und andererseits das Entstehen von gegenseitigen Rückleistungspflichten nach sich.
4.4.6. Die Verjährungsfrist beträgt zwölf Monate (Art. 371 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 210 OR) und beginnt mit der Abnahme des EDV-Systems. Meistens ist dies auch der Beginn der Gewährleistungsfrist in Systemverträgen. Bei einer als „Gewährleistungsfrist“ bezeichneten Zeitdauer ist mittels Auslegung zu ermitteln, ob es sich dabei um eine Rügefrist oder um eine Verjährungsfrist handelt. Erbringt der Lieferant im Rahmen der Gewährleistung die gleichen Leistungen wie im nahtlos darauf folgenden Pflegevertrag, so spricht dies für das Vorliegen einer kombinierten Rüge- und Verjährungsfrist; die Gewährleistung hat dann die gleiche Funktion wie die Pflege, bei der Mängel immer gerügt werden können. Wird demgegenüber vereinbart, dass Mängel umgehend nach deren Entdeckung zu rügen sind, so dürfte unter der Gewährleistungsfrist eine reine Verjährungsfrist zu verstehen sein (vgl. zum Ganzen FRÖHLICH-BLEULER, a.a.O., N 1093 m.w.H.; GAUCH, a.a.O., N 2487). Im Zweifel ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unter „Garantiefrist“ oder „Garantiezeit“ die Verjährungsfrist gemeint (BGE 63 II 180; a.M. GAUCH, a.a.O., N 2483).
4.4.7. Der Besteller, der Mängelrechte gemäss Art. 368 OR geltend machen will, hat das Vorliegen des Werkmangels zu beweisen (GAUCH, a.a.O., N 1507). Dasselbe gilt für die Tatsachen, auf welche er sich in Bezug auf seine Wahlerklärung (Wandelung, Minderung oder Nachbesserung) abstützt (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 90 zu Art. 368 OR).
4.5 Subsumtion
4.5.1. Nichteinhaltung der vertraglichen Regelung durch die Beklagte
Sinn und Zweck von Ziffer 7.1 Absatz 3 des Dienstleistungsvertrages ist es, dem Nachbesserungsrecht den Vorrang zukommen zu lassen (vgl. hierzu GAUCH, a.a.O., N 2501 ff.; ZINDEL/PULVER, N 83 zu Art. 368 OR). Der Beklagten stand das Wandlungs- oder Minderungsrecht nach der besagten vertraglichen Regelung erst dann zu, wenn die Klägerin nicht in der Lage war, die von der Beklagten monierten Mängel innerhalb einer von der Beklagten zweimalig angesetzten Frist zu beheben. Das vertraglich vorgeschriebene Vorgehen seitens der Beklagten diente mithin nicht lediglich zu Beweiszwecken (vgl. C./4.4.4.), sondern regelte das Verhältnis zwischen den verschiedenen Mängelrechten bzw. den Vorrang der Nachbesserung. Die Beklagte hatte der Klägerin bei im Rahmen der Abnahmetests aufgetretenen Fehlern (vgl. hierzu die Ticketliste in act. […], welche sämtliche anlässlich der Gesamtabnahme vom 18. Dezember 2009 noch bestehenden Fehler auflistet) zunächst eine angemessene Frist zur Behebung dieser Mängel zu setzen. Die von den Parteien vorgenommene Regelung der Mängelrechte beschränkte die Wahlfreiheit der Beklagten und hatte zur Folge, dass die Möglichkeit der Minderung definitiv entfiel, da die Beklagte nicht formell, d.h. in dem gemäss Abs. 3 von Ziffer 7.1 des Dienstleistungsvertrages umschriebenen Prozedere, zunächst förmlich die Nachbesserung durch die Klägerin verlangte (vgl. hierzu GAUCH, a.a.O., N 2502).
Die Beklagte ist dem in Ziffer 7.1 genannten Vorgehen unbestrittenermassen nicht nachgekommen. Einerseits behauptet sie nicht, dass sie nach Ziffer 7.1 Absatz 3 vorgegangen sei; andererseits ist den Akten auch kein Schreiben von ihr an die Klägerin mit einer Fristansetzung zur Behebung der Mängel zu entnehmen. Erst wenn die Klägerin die Mängelbehebung in der in einem zweiten eingeschriebenen Brief angesetzten Frist nicht nachgeholt hätte, würden sich die Ansprüche der Beklagten gemäss der vertraglichen Regelung nach Art. 368 OR richten bzw. könnte sie wandeln oder mindern. Da die Beklagte diese vertragliche Regelung nicht befolgt hat, ist ihr Wandlungsrecht verwirkt und es ist ihr daher von vornherein verwehrt, sich auf eine Wandlung gemäss Art. 368 Abs. 1 OR zu berufen.
Im Sinne einer Eventualbegründung ist im Folgenden – der Vollständigkeit halber – dennoch auf die Voraussetzungen der Wandlung im Sinne von Art. 368 Abs. 1 OR sowie auf die von der Klägerin erhobene Verjährungseinrede einzugehen.
4.5.2. Verjährung
Ziffer 6.2.2 des Dienstleistungsvertrages ist zu entnehmen, dass die Beklagte während der Dauer der sechsmonatigen Gewährleistungsfrist berechtigt ist, die von den Parteien im separat abgeschlossenen Wartungsvertrag vereinbarten Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Parteien vereinbarten folglich für die Gewährleistungsphase dieselben Leistungen, wie sie auch für den Wartungsvertrag gelten. Damit handelt es sich vorliegend um eine kombinierte Rüge- und Verjährungsfrist. Demzufolge konnte die Beklagte allfällige Mängel innerhalb der sechsmonatigen Gewährleistungsfrist rügen. In Anbetracht dieser kombinierten Frist begann die zwölfmonatige Verjährungsfrist ergo mit der Teilabnahme der Werke „Produktive Inbetriebnahme“, „Gesamtabnahme“ sowie „Integration“ am 18. Dezember 2009.
Die Beklagte erhob ihre Widerklage am 17. Juni 2011 und machte eventualiter Wandlung nach Art. 368 Abs. 1 OR geltend. Die Widerklage unterbricht die Verjährung wie eine selbständige Klage (vgl. DÄPPEN, BSK OR I, N 7 zu Art. 135 OR). Da die zwölfmonatige Verjährungsfrist – wie oben erwähnt – am 18. Dezember 2009 zu laufen begann, ist die Geltendmachung der Wandlung somit klar verjährt. Die Verjährungseinrede der Klägerin ist demnach zu schützen. Im Rahmen der Eventualbegründung ist nachfolgend auch auf die formellen Voraussetzungen der Wandlung nach Art. 368 OR einzugehen.
[…].
4.5.4. Mangelhafte Substantiierung und fehlende taugliche Beweisofferten
Die Beklagte macht Wandlung geltend, indem sie anführt, dass das Werk für sie unbrauchbar gewesen sei. In ihrer Duplik führt sie in Bezug auf die von der Klägerin monierte hinreichende Substantiierung der von ihr behaupteten, nach dem 18. Dezember 2009 bestehenden Mängel aus, dass sie diese in ihrer Klageantwort in Randziffer 118 und 119 hinreichend dargelegt habe. Die Datenverarbeitung sei immer wieder abgebrochen und nicht durchgelaufen. Die Robustheit der Gesamtverarbeitung „end-to-end“ sei nicht gegeben gewesen. Als Beweis offerierte sie die von Q. (Mitarbeiter der Beklagten) am 12. März 2010 verfasste E-Mail.
Die Beklagte führt die von ihr behaupteten Tatsachen in Randziffer 118 sowie 119 der Klageantwortschrift auf, indem sie den Inhalt einer E-Mail von Q. vom 12. März 2010 zum integrierenden Bestandteil ihrer Klageschrift macht. Diese Vorgehensweise würde zwar grundsätzlich den Voraussetzungen einer hinreichenden Substantiierung der Mängel genügen, indessen wird aus dem Wortlaut der E-Mail nicht ersichtlich, ob die Beklagte sämtliche der aufgelisteten Mängel alleine der Klägerin anlastet. Es ist unklar, inwiefern die genannten Fehler allesamt in der alleinigen Verantwortung der Klägerin liegen. Die besagte E-Mail wurde an BE. (Mitarbeiter des IT-Unternehmens F.), an R. (Mitarbeiter der Klägerin) sowie an BF. (Mitarbeiter des IT-Unternehmens … H.) gesendet. Die Anrede „Sehr geehrte Herren“ sowie der einleitende Text („… um konzertiert die Probleme mit der GBS (F., G., …H.) in den Griff zu kriegen.“) weisen darauf hin, dass die verschiedenen Probleme im Zusammenhang mit der Gesamtbankensteuerung alle drei IT-Unternehmen betrafen. Die Beklagte legt in den erwähnten Randziffern 118 und 119 ihrer Klageantwort nicht detailliert und klar dar, welche Mängel konkret der Klägerin zuzuordnen sind bzw. welchen Anteil die Klägerin (in Abgrenzung zu den anderen IT-Unternehmen) an diesen trägt. Die Beklagte legt auch nicht hinreichend dar, inwiefern die in der E-Mail genannten Mängel als derart gravierend zu taxieren sind, dass sie das Werk definitiv unbrauchbar machen.
Damit vermögen die Ausführungen der Beklagten einer gehörigen Substantiierung der behaupteten Mängel jedenfalls nicht zu genügen.
Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen würde, dass die von der Beklagten in den Randziffern 118 sowie 119 aufgeführten Mängel hinreichend substantiiert wären, so würde sich die Untauglichkeit des Werkes aufgrund der von der Beklagten offerierten Beweismittel nicht erstellen lassen können. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann ein Beweismittel nur dann als formgerecht angeboten betrachtet werden, wenn sich die Beweisofferte eindeutig der damit zu beweisenden Tatsachenbehauptung zuordnen lässt (Urteil 4A_56/2013 vom 4. Juni 2013 E. 4.4). Die Beklagte offeriert im Zusammenhang mit den von ihr behaupteten Mängeln lediglich die bereits erwähnte E-Mail vom 12. März 2010. Diese weist indessen hinsichtlich der behaupteten Mängel, die nach Ansicht der Beklagten zu einem unbrauchbaren Werk führten, keine genügende Beweiskraft auf, um die Unbrauchbarkeit des Werkes rechtsgenügend zu beweisen. Die E-Mail stammt von der Beklagten selber, mithin nicht von einer objektiven Drittperson mit entsprechendem Expertenwissen in IT-Belangen. Die aufgelisteten Mängel müssten hinsichtlich ihrer Schwere bzw. ihrer Eignung, das Werk definitiv unbrauchbar zu machen, einer professionellen Prüfung unterzogen werden, was lediglich mittels einer Expertise möglich wäre. Da ein Gutachten von der Beklagten nicht angeboten wird, kann eine solches im vorliegenden Fall auch nicht erhoben werden. Art. 183 Abs. 1 ZPO statuiert zwar, dass das Gericht auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen bei einer oder mehreren sachverständigen Personen ein Gutachten einzuholen hat. Indessen ist in Verfahren, in welchen die Dispositionsmaxime gilt, grösste Zurückhaltung in Bezug auf die Einholung eines Gutachtens von Amtes wegen geboten. Eine Partei, welche den Sachverhalt nur ungenügend substantiiert oder ein Gutachten nicht rechtzeitig beantragt, darf nicht auf Kosten der Gegenpartei ungerechtfertigt bevorzugt werden (DOLGE, BSK ZPO, 2. Aufl., N 2 zu Art. 183 ZPO).
Vorliegend ist es daher aus Gründen der Verfahrensfairness (Gleichbehandlung der Parteien) nicht gerechtfertigt, ein Gutachten von Amtes wegen einzuholen. Da die Beklagte im Übrigen im gesamten Verfahren durchwegs angab, die klägerische Software bereits gelöscht zu haben, würde sich die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens von Amtes wegen ohnehin als nutzlos erweisen. Die Beklagte hätte es in der Hand gehabt, vor der Löschung der klägerischen Software vorsorglich ein Gutachten einzuholen (Art. 158 ZPO), um allfällige Softwaremängel in einem späteren Gerichtsverfahren belegen zu könne. Da dies jedoch offensichtlich unterlassen wurde, können solche angeblichen Mängel zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr auf ihre Erheblichkeit hin gutachterlich untersucht und beurteilt werden. […]
4.5.5. Fazit
Die Beklagte hat das vertraglich festgelegte Vorgehen nicht eingehalten, da sie das vertraglich statuierte Verhältnis zwischen den verschiedenen Mängelrechten bzw. den Vorrang der Nachbesserung nicht beachtete. Der Wandlungsanspruch der Beklagten ist ferner gemäss Art. 371 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 210 OR verjährt. Die Mängelrüge ist des Weiteren als verspätet einzustufen, da sie nicht unverzüglich erfolgte. Die Beklagte substantiierte die relevanten Punkte zudem nicht hinreichend und offerierte auch keine tauglichen Beweise, mittels welchen die behauptete Tatsache, wonach die von der Klägerin zu vertretenen Mängel das Werk definitiv unbrauchbar machen würden, erstellt werden könnten. Sie bot die Beweise sodann auch nicht formgerecht an. Eine Wandlung nach Art. 368 OR ist daher ausgeschlossen.
Da weder die vertraglichen Regelungen eingehalten noch die Voraussetzungen von Art. 366 OR sowie von Art. 368 Abs. 1 OR erfüllt sind, ist die Widerklage in Bezug auf die Rechtsbegehren in Ziffer 1 und 2 abzuweisen. Für die Rückforderung der bereits ausgerichteten Zahlungen in der Höhe von CHF 1’643’052.- sowie im Umfang von CHF 16’200.- besteht weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Grundlage.
D. Ansprüche der Parteien aus dem Wartungs- und Softwarepflegevertrag
1. Einleitung
Die Parteien schlossen am 27. Juni 2008 respektive 30. Juni 2008 einen Wartungs- und Softwarepflegevertrag ab. Die Klägerin fordert die Wartungspauschale für das Jahr 2011 im Umfang von CHF 134’208.- inklusive Mehrwertsteuer in der Höhe von CHF 10’736.64. Die Beklagte fordert demgegenüber die bereits von ihr bezahlte Gebühr für das Jahr 2010 im Umfang von CHF 137’658.06 von der Klägerin zurück.
2. Standpunkt der Parteien
2.1. Die Klägerin macht geltend, dass keine wichtigen Gründe vorliegen würden, welche die Beklagte zu einer ausserordentlichen Kündigung des Wartungs- und Softwarepflegevertrags berechtigen würden. Die Kündigung der Beklagten sei daher als ordentliche Kündigung zu qualifizieren, weshalb der Vertrag bis zum 31. Dezember 2011 fortdaure. Die Klägerin habe daher bis zum 31. Dezember 2011 Anspruch auf die gemäss Ziffer 12.1 vereinbarte jährliche Wartungspauschale. […]
2.2. Die Beklagte stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass hinsichtlich des bereits bezahlten Betrags von CHF 137’658.06 eine ungerechtfertigte Bereicherung bestehe. Als sie die Rechnung Nr. 2010014 bezahlt habe, sei die klägerische Software noch nicht in den produktiven Betrieb genommen und sie sei auch später nicht in den produktiven Betrieb genommen worden. Der Wartungsvertrag habe daher gar nicht in Kraft treten können.
3. Rechtliches
Der Wartungs- und Softwarepflegevertrag wird als atypischer Werkvertrag angesehen, wobei das Dauerelement des Vertrags als ungewöhnliches Element eingestuft wird. Weder Art. 404 OR noch Art. 377 OR gelangen im Zusammenhang mit einem solchen Vertrag zur Anwendung, da allein die Regeln zur Beendigung von Dauerverträgen massgeblich sind (FRÖHLICH-BLEULER, N 3367). Gründe, einen Wartungs- und Softwarepflegevertrag zu kündigen, sind der Ablauf der festen Vertragsdauer, die ordentliche Kündigung, die Kündigung aus wichtigem Grund sowie die Kündigung im Falle einer Vertragsstörung (FRÖHLICH-BLEULER, a.a.O., N 3297 sowie N 3365 ff.).
Das Rechtsinstitut der Kündigung aus wichtigem Grund erfährt in der Regel eine nicht abschliessende vertragliche Regelung bei Dauerschuldverhältnissen. Der Grund für eine ausserordentliche Kündigung muss derart schwerwiegend sein, dass eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses (auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist) als nicht mehr zumutbar erscheint (FRÖHLICH-BLEULER, a.a.O., N 3372 mit Verweis auf N 2947 ff.). Die Kündigung aus wichtigem Grund steht im Widerspruch zum fundamentalen Grundsatz „pacta sunt servanda“ und ist daher ultima ratio. Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund vorliegt, entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Art. 4 ZGB). Es geht dabei um eine Billigkeitsentscheidung, die auf objektiver Interessenabwägung unter Beachtung der Umstände des beurteilten Falles beruht (BGE 128 III 428 E. 4).
Die primäre Rechtsfolge einer gerechtfertigten ausserordentlichen Kündigung ist das Erlöschen sämtlicher Vertragserfüllungspflichten. Die ausserordentliche Kündigung wirkt hierbei ex nunc, d.h. Leistungspflichten, die vor der Kündigung fällig, aber noch unerfüllt geblieben sind, bleiben erhalten (VETTER/GUTZWILLER, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der ausserordentlichen Beendigung von Dauer-schuldverhältnissen, AJP 2010, S. 706 f.).
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und Lehre entfaltet eine ungerechtfertigte ausserordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses grundsätzlich keine Rechtswirkungen. Bei Fehlen eines wichtigen Grundes bleibt das Dauerschuldverhältnis daher im Grundsatz bestehen. Bei unbefristeten Verträgen erscheint es indes nicht sachgerecht, die ausserordentliche Kündigung bei Fehlen eines wichtigen Grundes als absolut nichtig zu taxieren und zu verlangen, dass die auflösungswillige Vertragspartei erneut, d.h. diesmal ordentlich, kündigen muss. Eine Ausnahme dürfte diesbezüglich einzig im formstrengen Mietrecht bestehen. Ein Teil der Lehre befürwortet daher die Konversion: Bei unbefristeten Verträgen erscheint es angemessen, den Kündigungswillen der Vertragspartei anzuerkennen und die ausserordentliche Kündigung als ordentliche Kündigung zu interpretieren (vgl. zum Ganzen VETTER/GUTZWILLER, a.a.O., S. 709).
Ausnahmsweise ist trotz Fehlen eines wichtigen Grundes von einer Beendigung des Dauerschuldverhältnisses auszugehen, wenn die Erfüllung nicht mehr durchsetzbar ist. Dies ist einerseits dann der Fall, wenn eine solche Unmöglichkeit durch das Gesetz vorgesehen wird, in der Natur der geschuldeten Leistung liegt oder in einem besonderen Interesse einer Partei begründet ist. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann es andererseits geboten sein, dass ein in ungerechtfertigter Weise ausserordentlich gekündetes Dauerschuldverhältnis ausnahmsweise trotz des Fehlens eines wichtigen Grundes aufgelöst wird. Ist es beispielsweise über eine lange Zeit nicht zum Vollzug des Vertrags gekommen, erscheint es mit Blick auf das Prinzip von Treu und Glauben angemessener, die Wirksamkeit der Beendigung anzunehmen. Einerseits verschwindet das Interesse an der Realerfüllung mit zunehmendem Abwarten, andererseits kann es im Einzelfall praktisch unmöglich werden, die vertraglichen Pflichten nachträglich zu erfüllen, da sich in der Zwischenzeit die Umstände verändert haben (vgl. zum Ganzen VETTER/GUTZWILLER, a.a.O., S. 712 f., m.w.H.).
4. Ausserordentliche Kündigung gestützt auf die vertragliche Regelung
4.1. Eine Kündigung kann durch die Parteien gemäss Ziffer 13.2.1 sowie Ziffer 13.2.2 des Wartungs- und Softwarepflegevertrags ordentlich oder ausserordentlich ausgesprochen werden. Die ordentliche Kündigungsfrist wurde von den Parteien auf sechs Monate auf das Ende eines Kalenderjahres angesetzt. Die ausserordentliche Kündigung kann aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung erfolgen, wobei diese schriftlich zu erfolgen hat. Als wichtiger Grund gilt die schuldhafte Verletzung wesentlicher Vertragspflichten. Vorausgesetzt wird die Ansetzung einer Nachfrist mit Kündigungsandrohung und Unzumutbarkeit der Weiterführung (vgl. Ziffer 13.2.2).
4.2. Die Beklagte behauptet nicht, dass sie der Klägerin (gemäss der vertraglichen Regelung in Ziffer 13.2.2 des Wartungs- und Softwarepflegevertrags) eine Nachfrist mit Kündigungsandrohung und Unzumutbarkeit der Weiterführung ansetzte. Damit hielt die Beklagte die formellen Voraussetzungen einer ausserordentlichen Kündigung gemäss den vertraglichen Regelungen nicht ein, weshalb die Rechtmässigkeit dieser Kündigung – gestützt auf den Wartungs- und Softwarepflegevertrag – zu verneinen ist. Im Übrigen ist anzumerken, dass eine Rückerstattung der Jahresgebühr pro rata vertraglich nicht vorgesehen ist. Da die Beklagte nach Ablauf der Zahlungsfrist keine schriftliche und begründete Beanstandung des Rechnungsbetrages oder der Berechnungsgrundlagen der Klägerin zukommen liess, galt der Rechnungsbetrag in der Höhe von CHF 137’658.06 als genehmigt (vgl. Ziffer 12.3 des Wartungs- und Softwarepflegevertrags). Eine Rückerstattung der Wartungspauschale für das Jahr 2010 kann daher nach dem Gesagten nicht auf vertragliche Vereinbarungen abgestützt werden kann.
4.3 Die ausserordentliche Kündigung lässt sich nach dem Gesagten nicht auf die vertraglichen Regelungen abstützen. Die Klägerin geht indessen fehl, wenn sie anführt, dass die Kündigung vom 15. September 2010 aufgrund der durch die Beklagte nicht eingehaltenen vertraglich vereinbarten Kündigungsvoraussetzungen (schriftliche Kündigungsandrohung und Fristansetzung) selbst dann keine ausserordentliche Kündigung sei, wenn ein wichtiger Kündigungsgrund vorgelegen hätte. Das Recht zur ausserordentlichen Kündigung darf nicht durch Kündigungsmodalitäten, wie sie in Ziffer 13.2.2. des Wartungs- und Softwarepflegevertrags bestehen, wegbedungen oder beschnitten werden (vgl. VETTER/GUTZWILLER, a.a.O., S. 706, m.w.H.). Im Folgenden ist mithin zu prüfen, ob die ausserordentlichen Kündigung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes abgestützt werden kann.
5. Ausserordentliche Kündigung gestützt auf einen wichtigen Grund
5.1. Den Beweis, dass ein wichtiger Grund für eine ausserordentliche Kündigung gegeben war, obliegt vorliegend der Beklagten, da sie diejenige Partei ist, die sich auf einen wichtigen Grund als Voraussetzung für die Rechtmässigkeit ihrer ausserordentlichen Kündigung beruft (Art. 8 ZGB).
5.2. Die Beklagte offerierte in ihren Rechtsschriften keine tauglichen Beweismittel, mittels welcher die von ihr angeführten wichtigen Gründe erstellt werden könnten. Ein Beweismittel kann – wie vorstehend bereits erwähnt – nur dann als formgerecht angeboten betrachtet werden, wenn sich die Beweisofferte eindeutig der damit zu beweisenden Tatsachenbehauptung zuordnen lässt (Urteil 4A_56/2013 vom 4. Juni 2013 E. 4.4). Die Beklagte bot im Zusammenhang mit ihrer Behauptung, dass die Weiterführung des Wartungs- und Softwarepflegevertrags für sie unzumutbar gewesen sei, insbesondere kein Gutachten an, anhand welchem die von ihr geltend gemachten schwerwiegenden Vertragsverletzungen, insbesondere die unvollständige Parametrierung sowie die unzuverlässigen sowie unvollständigen und falschen Datenverarbeitungen, erstellt werden könnten. Der von der Beklagten ins Recht gelegten E-Mail von Q. vom 12. März 2010 kommt für sich allein betrachtet – wie bereits an anderer Stelle dargelegt (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in C./4.5.4.) – keine genügende Beweiskraft zu, um die darin aufgelisteten behaupteten Mängel zu belegen.
5.3 Der Umstand, dass zwei Mitarbeiter der Klägerin diese im Juni 2010 sowie im Oktober 2010 verliessen, kann entgegen den Ausführungen der Beklagten ebenfalls nicht als Grund dafür herangezogen werden, den Wartungs- und Softwarepflegevertrag ausserordentlich zu kündigen. […] Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang zurecht an, dass den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen nicht entnommen werden kann, dass die Klägerin der Beklagten während der gesamten Projektdauer dasselbe Team zur Verfügung stellen musste.
5.4 Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist damit im Ergebnis zu verneinen.
6. Anspruch auf die Wartungspauschale 2011
6.1. Ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes und damit die Berechtigung der Beklagten zu einer ausserordentlichen Kündigung zu verneinen, so ist bei unbefristeten Verträgen die (unzulässige ausserordentliche) Kündigung als ordentliche Kündigung auf den nächsten Kündigungstermin zu interpretieren (vgl. dazu VETTER/GUTZWILLER, a.a.O., S. 708 ff.). Da der Wartungs- und Softwarepflegevertrag gemäss dessen Ziffer 13.2.1 unter Wahrung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils auf das Ende eines Kalenderjahres erfolgen kann, beendet die mit Schreiben der Beklagten vom 15. September 2010 vorgenommene Kündigung den Wartungs- und Softwarepflegevertrag mit Wirkung per 31. Dezember 2011. Die Klägerin hat daher bis zum 31. Dezember 2011 Anspruch auf die gemäss Vertragsziffer 12.1 vereinbarte Wartungspauschale. Aufgrund des Vertragswortlautes ist denn auch von einer unbedingten und leistungsunabhängig geschuldeten Wartungspauschale auszugehen. Nach dem Prinzip der Vertragstreue ist vorliegend der Grundsatz „pacta sunt servanda“ zu beachten, wonach sich die Parteien an abgeschlossene Verträge zu halten haben. […]
6.3. Die Beklagte ist daher zu verpflichten, der Klägerin in Gutheissung von deren Rechtsbegehren Ziffer 3 den Betrag von [… Wartungspauschale …] zu bezahlen.
7. Rückerstattung der Wartungspauschale 2010
7.1. Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten (Art. 62 Abs. 1 OR). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung schliesst ein vertraglicher Anspruch einen Bereicherungsanspruch aus. Wird eine vertraglich geschuldete Leistung erbracht, so stellt der gültige Vertrag den Rechtsgrund dar, weshalb der Leistungsempfänger nicht ungerechtfertigt, d.h. rechtsgrundlos bereichert sein kann (BGE 133 III 356 E. 3.2.1).
7.2 […] Der zwischen den Parteien ausgetauschten Korrespondenz zur Softwarepflege sowie dem Umstand, dass die Rechnung für die Wartungspauschale 2010 anstandslos beglichen wurde, kann einzig entnommen werden, dass die Parteien nach der Teilabnahme am 18. Dezember 2009 übereinstimmend davon ausgingen, dass mindestens teilweise ein Übertritt in die Wartungsphase erfolgt war und die Behebung von Fehlern, welche den am 18. Dezember 2009 bereits abgenommenen Teil betrafen, gemäss Ziffer 5.1.1. des Wartungs- und Softwarevertrages erfolgen sollte. Als Folge davon handelt es sich bei der Zahlung im Umfang von CHF 137’658.06 um eine vertragliche Leistung und nicht um eine solche ohne Rechtsgrund. Die Beklagte hat demnach keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Sinne von Art. 62 OR.
7.3. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass die produktive Inbetriebnahme nicht erfolgte und die Bestimmungen des Wartungsvertrags damit gar nicht erst zur Anwendung gelangten, so wäre der bereicherungsrechtliche Anspruch der Beklagten nach Art. 67 Abs. 1 OR verjährt. […]
E. Ansprüche aus dem Lizenzvertrag
1. Einleitung
Die Parteien schlossen am 27. Juni 2008 bzw. 30. Juni 2008 einen Lizenzvertrag. In diesem wird der Beklagten gemäss Ziffer 3.1 sowie 8.1 ein zeitlich unlimitiertes Recht zur Nutzung der klägerischen Softwareprogramme gegen die Entrichtung einer einmaligen Lizenzgebühr in der Höhe von CHF 666’200.- gewährt.
2. Standpunkt der Parteien
2.1 Die Klägerin führt aus, dass die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2010 keine Wirkungen in Bezug auf den Lizenzvertrag zeitige.
2.2 Die Beklagte macht geltend, […] [d]ie Klägerin verkenne indes, dass der Lizenzvertrag eine Abnahme der Software vorgesehen habe.
3. Vertragliche Regelung
Der Vertrag sieht lediglich für die Klägerin eine ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit vor (Ziff. 11.2). Für die Beklagte ist eine ausserordentliche Kündigung einzig im Zusammenhang mit der Rechtsgewährleistung möglich.
Nach Ziffer 6 des Lizenzvertrages richtet sich das Abnahmeverfahren der lizenzierten Software nach den Bestimmungen des Anhangs C zum Dienstleistungsvertrag.
4. Rechtliches
Unterschieden werden in der Praxis Softwareüberlassungen auf Dauer sowie auf Zeit. Bei der Softwareüberlassung auf Dauer kann der Anwender die Software so lange nutzen, wie er möchte (vgl. FRÖHLICH-BEULER, a.a.O., N 1638 ff. sowie Rz. 2367 ff.). Die Rechtsnatur des Software-Lizenzvertrags ist umstritten (vgl. FRÖHLICH-BEULER, a.a.O., N 1643), wobei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei einem einmaligen Austauschverhältnis die kaufrechtlichen Gesetzesbestimmungen zur Anwendung gelangen (BGE 124 III 456; vgl. auch die Übersicht zu den verschiedenen Lehrmeinungen bei FRÖHLICH-BEULER, a.a.O., N 1643 ff.).
Auf den vorliegenden Lizenzvertrag, der eine einmalige Lizenzgebühr vorsieht und welcher dem Anwender (der Beklagten) ein Nutzungsrecht auf Dauer erlaubt (vgl. Ziffer 3.1 des Lizenzvertrags; […]), gelangt damit (zumindest analog) Kaufvertragsrecht zur Anwendung. Gemäss Art. 205 OR steht dem Käufer bei Mängeln der Kaufsache die Wandelung oder Minderung zu. Ein Mangel besteht beim Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder wenn die Tauglichkeit der Sache zum vorausgesetzten Gebrauch aufgehoben oder erheblich vermindert ist (vgl. zum Ganzen HONSELL, BSK OR I, N 2 zu Art. 197 OR).
Beweisbelastet für die Behauptung, dass die Software Mängel aufweist, welche diese unbrauchbar machen, ist die Beklagte (Art. 8 ZGB).
5. Subsumtion
5.1. Die Beklagte geht fehl, wenn sie geltend macht, dass eine Abnahme am 18. Dezember 2009 vollends gescheitert sei (vgl. die Ausführungen in c./2.). Sie kann sich sodann – wie bereits an obiger Stelle ausgeführt (vgl. C./3.3.) – nicht auf Ziffer 7.2 des Dienstleistungsvertrags berufen.
5.2. Da auf den Lizenzvertrag die kaufrechtlichen Bestimmungen anzuwenden sind, und die Beklagte die Rückzahlung der bereits bezahlten Lizenzgebühr und damit die Wandlung geltend macht, ist zu prüfen, ob derart erhebliche und nicht vernünftig behebbare Mängel aufgetreten sind, dass die Sache für die Beklagte unbrauchbar war.
5.3. Die Beklagte legte im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zum Lizenzvertrag keine Beweismittel vor bzw. offeriert keine tauglichen Beweismittel (insbesondere keine Expertise), mittels welchen erstellt werden könnte, dass die klägerische Software an erheblichen Mängeln litt. Die Forderung der Beklagten in Bezug auf die Rückerstattung der Lizenzgebühr in der Höhe von CHF 666’200.- ist daher abzuweisen.
F. Verbot der Nutzung der installierten Programme
1. Standpunkt der Parteien
1.1. Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte die von ihr geforderten Vergütungen nicht fristgerecht bis zum 21. Januar 2011 bezahlt habe, weshalb sie gestützt auf die Nutzungsregelung in Ziffer 5 des Dienstleistungsvertrages, Ziffer 3.1 des Lizenzvertrages sowie Ziffer 9 des Wartungs- und Softwarepflegevertrages nicht mehr befugt sei, die an sie gelieferten Softwareprogramme, inklusive Gaps, Patches und Releases zu nutzen. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf Art. 82 OR und macht geltend, dass sie die Nutzung nicht zu gewähren brauche, solange die Beklagte mit der Vergütungszahlung in Verzug sei. […]
1.2. Die Beklagte bestreitet die Nutzung und Nutzbarkeit der klägerischen Software und macht zudem geltend, dass es unverhältnismässig sei, der Beklagten den Gebrauch der Software zu verbieten, obschon die Beklagte für diese rund CHF 1,6 Mio. bezahlt habe. [….]
3. Rechtliches
Ein Unterlassungsanspruch setzt ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse voraus, dass eine Verletzung andauert oder aber droht. Ein solches Interesse besteht, wenn die widerrechtliche Handlung unmittelbar droht, d.h. die behauptete Rechtsverletzung ernsthaft zu befürchten ist (BGE 109 II 346, E. 3, mit Hinweisen). Eine bloss hypothetische, durch nichts konkretisierte Gefährdung genügt nicht, ebenso wenig wie eine Gefährdung, die zwar früher bestanden hatte, deren Verwirklichung aber nicht mehr realistisch ist.
4. Subsumtion
4.1. Vorab ist festzuhalten, dass die Klägerin in keiner Weise ausführt, wer seitens der Beklagten die von ihr als gänzlich unbrauchbar bezeichnete klägerische Software wann und vor allem inwiefern tatsächlich nutzt. […] Die Gefahr einer unzulässigen Nutzung würde ohnehin nur dann bestehen, wenn die betreffende Software auch effektiv genutzt werden könnte. Der Umstand, dass diese klägerische Software nicht genutzt werden konnte, stellt vorliegend aber gerade das Grundproblem dar und bildet den gesamten Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen den Parteien. […]
5. Fazit
Auf Ziffer 4 des klägerischen Rechtsbegehrens ist nicht einzutreten.
G. Löschung der Source Codes
1. Standpunkt der Parteien
1.1. Die Klägerin macht geltend, dass es ihr infolge des abrupten Abbruchs des Projekts am 9. September 2010 durch die Beklagte nicht möglich gewesen sei, die Source Codes für gewisse Computerprogramme, die sie bei der Beklagten installiert habe, zu verschlüsseln. Die Beklagte habe gestützt auf die Verträge keinen Anspruch auf die Überlassung der Source Codes und sei nicht befugt, diese Dritten offen zu legen. Sie verlange deshalb, dass die Source Codes verschlüsselt würden (soweit dies nicht bereits erfolgt sei) und der Beklagten verboten werde, diese gegenüber Dritten offen zu legen.
1.2. In Bezug auf die Offenlegung der Source Codes macht die Beklagte ebenfalls primär geltend, dass die Klägerin kein rechtliches Interesse an einer Verschlüsselung habe, da sie die klägerische Software ohnehin bereits gelöscht habe.
2. Fehlendes aktuelles Rechtsschutzinteresse
Abermals ist festzuhalten, dass die Beklagte geltend macht, dass sie die klägerische Software bereits gelöscht habe. Ihre diesbezüglichen Ausführungen korrespondieren mit ihrem gesamten Verhalten im vorliegenden Verfahren (vgl. F./4.), weshalb nicht ersichtlich ist, weshalb die Beklagte diesbezüglich keine wahrheitsgetreue Angaben machen sollte. Es ist mithin davon auszugehen, dass die klägerische Software tatsächlich gelöscht wurde.
Da die klägerische Software durch die Beklagte bereits gelöscht wurde, fehlt es an einem aktuellen Rechtschutzinteresse der Klägerin an der von ihr geltend gemachten Löschung der Source Codes. Auf die von der Klägerin geforderte Löschung der Source Codes ist daher nicht einzutreten.
3. Fazit
Auf Ziffer 5 des klägerischen Rechtsbegehrens ist nicht einzutreten.
Quelle: www.gerichte-zh.ch
www.softwarevertraege.ch