[…]
Erwägungen:
I.
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (fortan Klägerin) ist im Vertrieb von Soft- und Hardwareprodukten sowie der Beratung und Erbringung von Dienstleistungen im EDV- und Multimediabereich tätig. […] Der Beklagte und Beschwerdegegner (fortan Beklagter) war Inhaber der Einzelunternehmung […] Am 17. Dezember 2015 unterzeichneten die Parteien einen „Internet-System-Vertrag“. Mit dem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, dem Beklagten einen Internetauftritt (eine individuelle „Internet-Webseite“) zu erstellen und den Betrieb und den Unterhalt desselben während einer Laufzeit von 48 Monaten sicherzustellen.
Sodann umfasste der Leistungsumfang ein „Marketingpaket, Video und Facebook FP“. Vereinbart wurden einmalige Anschlusskosten von Fr. 300.– und ein monatliches Entgelt von Fr. 500.–, je zuzüglich Mehrwertsteuer. Gleichentags widerrief der Beklagte den Vertrag. In der Folge verlangte die Klägerin vom Beklagten die Bezahlung von Fr. 6’000.– (12 x Fr. 500.–) zuzüglich Fr. 480.– Mehrwertsteuer, mithin total Fr. 6’480.–, gestützt auf I. Ziffer 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (fortan AGB) zum Internet-System-Vertrag. […]
II.
1. Umstritten sind die Folgen des Widerrufs des Beklagten vom 17. Dezember 2015. Der von den Parteien unterzeichnete Internet-System-Vertrag sieht ein feste Laufzeit von 48 Monaten ab Vertragsabschluss vor (AGB I. Ziffer 3). Ein vertraglich geregeltes Rücktrittsrecht besteht einzig zugunsten der Klägerin, falls sie – wegen Verzug des Beklagten – ihre Pflichten nicht erfüllen kann (AGB I. Ziffer 4/1 und 5). Diesfalls kann die Klägerin ihre Leistungen einstellen und Schadenersatz im Umfang von 12 Monatsraten – vorliegend à Fr. 500.– zuzüglich Mehrwertsteuer – verlangen (I. Ziffer 5). […].
4. Qualifikation des Vertrages
[…]
4.3. Unterschieden wird zwischen den im Besonderen Teil des OR oder in einem Spezialgesetz spezifisch geregelten Verträgen (sog. Nominatverträgen) und den Innominatverträgen (vgl. BGE 129 III 604 E. 2.2 = Pra. 2004 Nr. 100). Die Innominatverträge werden in gemischte Verträge (mixti generis) und Verträge eigener Art (sui generis) unterteilt. Die gemischten Verträge sind einheitliche Verträge, in denen Tatbestandsmerkmale verschiedener Vertragstypen kombiniert werden. Die Elemente verschiedener (gesetzlich geregelter oder nicht geregelter) Vertragstypen müssen dabei in solcher Weise gemischt sein, „dass es nicht angeht, die Rechtsfolgen im Wesentlichen nur der gesetzlichen Regelung eines einzigen Typus zu entnehmen“. Entscheidend ist ferner, dass die verschiedenen Leistungen „als zusammengehörend“, also „in Verbindung miteinander“ geschuldet werden.
Kommt dem atypischen Element lediglich untergeordnete Bedeutung zu, so spricht man von einem typischen Vertrag mit Beimischung, der nicht mehr als Innominatvertrag aufzufassen ist. Gemischte Verträge kommen in verschiedenen Ausprägungen vor: Kombinationsverträge verpflichten eine Partei zu mehreren Hauptleistungen, die je verschiedenen Vertragstypen zuzuordnen sind. Verträge eigener Art sind Verträge, die weder gesetzlich geregelt sind, noch als typengemischte Verträge verstanden werden können. Entscheidend ist, dass sie sich zu einer besonderen inneren Einheit fügen, mithin nicht bloss eine eigenständige Mischung von Elementen aus (gesetzlich geregelten oder gesetzlich nicht geregelten) Vertragstypen darstellen (vgl. BSK OR I-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 8 ff.).
4.4.1. […]
4.4.2. Der Lizenzvertrag ist, je nach Vertragsgestaltung, ein Innominatkontrakt sui generis oder ein gemischter Vertrag. Durch den Lizenzvertrag verpflichtet sich der Lizenzgeber, dem Lizenznehmer die Benutzung eines immateriellen Gutes zu gestatten. Dabei gehört es zur Pflicht des Lizenzgebers, dem Lizenznehmer die Nutzungsmöglichkeit am Lizenzgegenstand zu verschaffen. Im Gegenzug verspricht der Lizenznehmer dem Lizenzgeber in der Regel die Bezahlung einer Lizenzgebühr. Zwischen den Parteien liegt ein Dauerschuldverhältnis vor (vgl. BSK OR I-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 238 f., N 242 und N 250 f.). Das Eigentum am Lizenzgegenstand verbleibt regelmässig beim Lizenzgeber (vgl. hierzu BGE 125 III 263 E. 4a.).
4.4.3. […]
4.4.4. […] Die vertragliche Hauptleistung der Klägerin besteht somit in der Erstellung einer Website sowie dem Betrieb und dem Unterhalt derselben während der Vertragsdauer. Die Herstellung und Überlassung individuell erstellter Websites oder Software wird nach der überwiegenden Meinung als Werk- bzw. Werklieferungsvertrag qualifiziert (vgl. Heusler/Mathys IT-Vertragsrecht, Praxisorientierte Vertragsgestaltung in der Informationstechnologie, S. 43; Wolfgang Straub, Gewährleistung und Haftung aus IT-Verträgen, in: Internet- Recht und IT-Verträge, 8. Tagungsband, Bern 2009, S. 250). Sodann wird von der Klägerin, wenn von ihr während der Laufzeit des Vertrages der Betrieb und der laufende Unterhalt der Website und damit deren Nutzungsmöglichkeit sicherzustellen ist, nicht bloss ein Tätigwerden, sondern ein Erfolg geschuldet.
4.4.5. Aus dem Gesagten erhellt, dass – entgegen den Erwägungen der Vorinstanz – keine Vertragskomponenten ersichtlich sind, die es rechtfertigen würden, von einem gemischten Vertrag mit überwiegend auftragsrechtlichen und werkvertragsrechtlichen Elementen auszugehen. Die Elemente verschiedener Vertragstypen werden nicht in einer solchen Weise gemischt, „dass es nicht angeht, die Rechtsfolgen im Wesentlichen nur der gesetzlichen Regelung eines einzigen Typus zu entnehmen“ (vgl. vorne II./E. 4.3.). Vielmehr erscheint es sachgerecht, auf den Internet-System-Vertrag grundsätzlich Werkvertragsrecht anzuwenden.
Zu beachten ist hingegen, dass ein Dauerwerkvertrag vorliegt. Dabei handelt es sich um einen Innominatkontrakt, der sich vom gesetzlich geregelten Werkvertrag des Art. 363 OR dadurch unterscheidet, dass die Herstellungspflicht des Unternehmers nicht auf ihr Ende durch Erfüllung angelegt, sondern eine Dauerschuld ist. Solange der auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag mit der betreffenden Dauerschuld andauert, ist der Unternehmer zu ständiger oder wiederkehrender Arbeitsleistung mit bestimmtem Arbeitserfolg verpflichtet (vgl. hierzu Peter Gauch, Der Werkvertrag, 6. Auflage, 2019, S. 144 f. N 322). Die Sicherstellung der Nutzung der Website, deren Betrieb und Unterhalt werden für eine Dauer von mindestens vier Jahren geschuldet.
5. Widerruf des Vertrages
5.1. Der Internet-System-Vertrag sieht für die Beklagte kein vorzeitiges Kündigungsrecht vor. Der Vertrag kann erstmals mit einer Frist von sechs Monaten auf das Ende der Laufzeit von 48 Monaten gekündigt werden (I. Ziffer 3 AGB). Zwar besteht in der Lehre keine einheitliche Meinung darüber, ob Art. 377 OR, welcher dem Besteller, solange das Werk unvollendet ist, gegen Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und gegen volle Schadloshaltung des Unternehmers ein jederzeitiges Rücktrittsrecht zugesteht, dispositives Recht darstellt oder nicht (vgl. hierzu Gauch, a.a.O., S. 262 ff. N 582 ff.). Die herrschende Lehre verneint jedoch die sinngemässe Anwendung von Art. 377 OR auf Dauerwerkverträge (vgl. Gauch, a.a.O., S. 268 N 597). Die von den Parteien getroffene Kündigungsregelung verletzt keine zwingenden gesetzlichen Normen. Sie hat Bestand.
5.2. Anzufügen ist, dass sich die Anwendung von Art. 404 OR nicht rechtfertigt, selbst wenn von einem gemischten Vertrag (sog. Kombinationsvertrag) aus auftrags- und werkvertragsrechtlichen Komponenten ausgegangen würde. Denn stehen verschiedene Parteivereinbarungen nicht als selbständige Verträge nebeneinander, sondern sind sie nach dem Willen der Parteien in der Art miteinander verknüpft und voneinander abhängig, dass ein gemischter Vertrag vorliegt, so wird dieser als Einheit aufgefasst. Es geht nicht an, die einzelnen Vertragsbestandteile einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal zu unterwerfen. Vielmehr ist für jede Rechtsfrage der vertragliche Regelungsschwerpunkt zu ermitteln (vgl. hierzu BGE 139 III 49 E. 3.3. m.H.). Dem Bundesgericht zufolge kann demnach ein gemischter Vertrag nicht dem Recht eines einzigen Vertragstypus unterstellt werden, weil in diesem Fall keines der einzelnen vermengten Typenelemente für sich genommen hinreichend dominant ist, um eine Absorption zu rechtfertigen.
Umgekehrt ist es aber in Anbetracht der wechselseitigen Abhängigkeit der verschiedenen vermischten Vertragselemente auch nicht möglich, dass Rechtsfragen, die sich für diese Elemente gleichermassen stellen (z.B. Kündigung), nach Massgabe jeweils unterschiedlicher Typenrechte beantwortet werden (das würde z.B. heissen: Beendigung des auftragsrechtlichen Teils des Vertrages nach Mandatsrecht, des mietrechtlichen Teils des Vertrages nach Mietrecht usw.). Deshalb muss jede Rechtsfrage, die ein gemischter Vertrag aufwirft, isoliert betrachtet und im Zusammenhang untersucht werden, welches der im Vertrag enthaltenen Typenrechte für diese konkrete Frage dominiert. Dieser „Ausdifferenzierungsprozess“ erlaubt mithin die Ermittlung eines auf die betreffende Rechtsfrage passenden einheitlichen Nominattypenrechts (vgl. hierzu BSK OR I-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 23 m.H. auf die einschlägige Rechtsprechung). Die Hauptleistung gemäss Internet-System-Vertrag bildet die Gestaltung und Erstellung der Website. Hernach soll deren Betrieb und Unterhalt, damit die Nutzungsmöglichkeit sichergestellt werden. Sodann ist der Vertrag auf Dauer angelegt. Es erschiene nicht sachgerecht, auf den ganzen Vertrag die auftragsrechtlichen Kündigungsvorschriften, insbesondere das jederzeitige Kündigungsrecht nach Art. 404 OR, anzuwenden. So stellt das Bundesgericht für die Frage, ob hinsichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des Auftragsrechts als sachgerecht erscheinen, vor allem darauf ab, ob nach Art des Vertrags ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien unerlässlich ist und ihm besondere Bedeutung zukommt (vgl. BGer 4A_542/2020 vom 03.03.2021, E. 3.3.1). Für beides ergeben sich vorliegend keine Anhaltspunkte. […]
6.1. Die einseitige Möglichkeit seitens der Klägerin bei fehlender Mitwirkung des Beklagten ihre Leistungen einzustellen und Schadenersatz in der Höhe von zwölf Monatsraten zu verlangen (I. Ziffer 5), verstösst nach dem Gesagten nicht gegen eine zwingende Bestimmung des Privatrechts. Sie ist nicht widerrechtlich. Da der Beklagte nicht behauptet, die AGB global übernommen zu haben, muss nicht weiter geprüft werden, ob die AGB der Klägerin ungewöhnliche Klauseln enthalten (vgl. OGer ZH PP200011 vom 29.12.2020, III./E. 3.1. ff.).
Quelle: www.entscheidsuche.ch