Urteil des Handelsgericht Zürich vom 17. Februar 2000

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Nicht amtliche Leitsätze: Qualifikation eines Vertrages gemäss dem eine Datenbank und Standardsoftware geliefert und installiert, Software an die spezifischen Bedürfnisse des Kunden im Rahmen einer Parametrisierung angepasst wird und die Mitarbetier des Kunden geschult werden (E. IV1.a) und b)). Anwendbarkeit des Wiener Kaufrechts (UN-Kaufrecht) (E. IV. 1.c)).

I.
Am 18. November 1998 gingen die Klageschrift und die Weisung ein (…). Nach Eingang der Klageantwortschrift vom 14. Januar 1999 (…) fand am 8. April 1999 eine Referentenaudienz statt, zu welcher die Beklagte unentschuldigt nicht erschien. Mit Beschluss vom 16. April 1999 wurde sie deshalb verpflichtet, die Klägerin für ihr Erscheinen zu entschädigen, und es wurden ihr unabhängig vom Verfahrensausgang die betreffenden Kosten auferlegt (…). Die Klägerin erstattete am 31. August 1999 ihre Replikschrift (…). Mit Verfügung vom 27. September 1999 wurde vorgemerkt, dass die Beklagte innert Frist keine Duplikschrift einreichte, und das Hauptverfahren als geschlossen erklärt (…)

(…)
IV.
1.
a) Die in Österreich domizilierte … GmbH in Linz [Beklagte](…) hat sich gegenüber der in der Schweiz ansässigen Beklagten verpflichtet, EDV zu installieren und die Mitarbeiter der Bahnunternehmungen A und B zu schulen. Dabei haben weder die … GmbH und die Beklagte noch die Prozessparteien eine Rechtswahl getroffen.
b) Der einheitliche EDV-Vertrag ist als Innominatkontrakt zu qualifizieren (Schluep/Amstutz, Kommentar zu Art. 1 – 529 OR, 2. Aufl. Basel und Frankfurt a.M. 1996, Einleitung vor Art. 184 ff. N 271), der gesellschaftsrechtliche Züge annehmen kann. Daneben finden sich andere Elemente des Nominatvertragsrechts wie Kauf-, Miet-, Werkvertrag und Auftrag. Werden die Leistungen entkoppelt durch einen einzigen Lieferanten erbracht, ist aufgrund des Parteiwillens und der Umstände festzustellen, ob eine einheitliche oder für jede Leistung getrennte Rechtsfolge-Regelung vorliegt. Wer den Hard-, Software und Zusatzleistungen durch verschiedene Lieferanten erbracht, liegen meistens unabhängige Einzelverträge vor (Schluep/Amstutz, Einleitung vor Art. 184 ff. N 272, 276 ff.).
Bei einem einheitlichen Vertrag über die Beschaffung einer Standardanlage zu Eigentum sind etwa zu unterscheiden (Schluep/Amstutz, Einleitung vor Art. 184 ff. N 277)
– Beratung und Information grundsätzlich als Auftragselement,
– Verschaffung des Eigentums an der Standardhardware als Kaufselement,
– Verschaffung der Benützungsrechte an der Standardsoftware mit Elementen des Kaufs oder evtl. des Lizenzvertrages,
– Installation der Hard- und Software sowie Erstellung der Betriebsbereitschaft als werkvertragliches Element,
– Einräumung von Testzeit als Element der kaufrechtlichen Prüfung,
– Wartung der Anlage und Programmpflege als Innominatelement, nämlich als Dauerschuldverhältnis mit werkvertraglichem oder allenfalls auftragsrechtlichem Element,
– Personalschulung als Innominatelement, Personalleihe und weitere Anwenderunterstützung ebenfalls als Innominatelement.
Bei der Beschaffung einer individuellen Anlage für den Kunden (Systementwicklung) liefert der Hersteller regelmässig eine Standardsoftware (kaufvertragliches Element) und entwickelt aufgrund der Bedürfnisse des Bestellers eine individuelle Software (werkvertragliches Element). Daneben erledigt er alle Arbeiten, die im Laufe des EDV-Projekts anfallen und deren Bewältigung EDV-spezifische Kenntnisse voraussetzt (Elemente des Auftrags und des Werkvertrags). Zu weiteren möglichen Leistungen kann auf die Ausführungen über die Beschaffung einer Standardsoftwareanlage verwiesen werden (Schluep/Amstutz, Einleitung vor Art. 184 ff. N 279)
c) Der Verkauf von Computerprogrammen, also von Software gilt als Kaufgegenstand im Sinne des Wiener Kaufrechtes (Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht – CISG – 2. Auflage, München 1995, Art. 1 N 21; – vgl. auch Art. 3 CISG), ebenso der gemeinsame Verkauf von Hard- und Software (sinngemäss: Caemmerer/Schlechtriem, Art. 51 N 14). Unter dessen sachlichen Anwendungsbereich fallen nämlich nach Art. 3 Abs. 1 CISG nicht nur reine Warenkäufe, sondern grundsätzlich auch Werklieferungsverträge.
Die Klägerin führt dazu aus, im Vertrag zwischen der …GmbH und der Beklagten dominierten in sofern kaufvertragliche Elemente, als dass praktisch ausschliesslich Standardsoftware installiert worden sei. Zwar habe die …GmbH auch Anpassungsarbeiten dieser Software (immer im Rahmen der Parameterisierung) vorgenommen und Mitarbeiterschulungen durchgeführt, aber das Kaufelement sei das Typische. Die Elemente des Kaufvertrags überwiegten daher, weshalb auf den Grundvertrag Wiener Kaufrecht anzuwenden sei. Die Leistungen der …GmbH könnten wie folgt beschrieben werden:
1. Oracle Datenbank geliefert und installiert
2. Software Standard geliefert und installiert
3. Software geschult
4. Spezifische Anpassung der Software an die Bedürfnisse der Kunden im Ausmasse der Parameterisierung
Die Verschaffung der Benutzungsrechte an der Standard Software (inkl. deren Installation) habe 45 %, die Personalschulung 20 %, und die auf Standard-Software auf Grund der Bedürfnisse des Bestellers entwickelte individuelle Software (im Ausmass der Parameterisierung) ca. 35 % des gesamten „Auftrags“ ausgemacht (…).
Die Beklagte erstattete keine Duplik und verzichtete damit darauf, diese Darstellung zu bestreiten (vgl. …). Diese Ausführungen der Klägerin gelten so mit in tatsächlicher Hinsicht als anerkannt. Danach bestand der überwiegende Teil der Leistungen der Lieferantin, nämlich der …GmbH, nicht in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen (Art. 3 Abs. 2 CISG)
Dem Wiener Kaufrecht sind sowohl die Schweiz als auch Österreich beigetreten (Caemmerer/Schlechtriem, S. 801). Auf den Vertrag zwischen der …GmbH und der Beklagten ist somit Wiener Kaufrecht anwendbar.
(…)

Quelle: www.cisg-online.ch