Sachverhalt:
A. Die F. entschloss sich im Jahre 1984 zur Einführung einer zentralen Datenverwaltung mittels eines neuen EDV-Systems. Die entsprechenden Konzepte und Evaluationen liess sie durch den Wirtschaftsinformatik-Spezialisten Prof. B. erstellen. Mit Verträgen vom 20. und 24. Juni 1986 verpflichtete sich die Firma S. zur Lieferung eines «schlüsselfertigen» EDV-Systems (sog. Tripel), bestehend aus Hardware, einem Betriebssystem und einem Datenbanksystem, an F. Die Rechte und Pflichten von S. gingen später durch Fusion auf die U. AG über. Mit der Entwicklung der Anwenderprogramme beauftragte F. wiederum Prof. B.
Vom 7. bis 15. Juli 1986 wurde das Tripel bei F. installiert. Ab August 1986 entwickelte Prof. B. die Applikationen auf dem Tripel weiter. F. stellte in der Folge verschiedene Mängel fest, rügte diese am 16. Oktober und 10. November 1986 und setzte der U. AG Frist bis zum 27. März 1987 zur Nachbesserung. Nach Ablauf der Frist bestanden noch immer diverse Mängel im Gesamtsystem. Am 27. März 1987 erklärte F. gegenüber der U. AG den Vertragsrücktritt mit sofortiger Wirkung und deponierte die von dieser gelieferte Hard- und Software bei einem Speditionsunternehmen.
B. Mit Klage vom 28. August 1989 beantragte F. dem Handelsgericht des Kantons Zürich, die U. AG zur Bezahlung von Fr. 849’411.- nebst Zins zu 5 % seit 12. Juli 1986 zu verurteilen. Das Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom 14. Juli 1997 ab.
C. Die Klägerin führt gegen das Urteil des Handelsgerichts Berufung mit dem Antrag, dieses aufzuheben und die Klage im Umfang von Fr. 840’596.- zuzüglich Zins zu 5 % seit 12. Juli 1986 gutzuheissen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache zur neuen Entscheidung an das Handelsgericht zurück.
Aus den Erwägungen:
4. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wiesen die von der Beklagten gelieferten Handbücher gewisse nicht leicht zu nehmende Fehler auf, welche die Arbeit auf dem System erschwerten und verzögerten, aber nicht verunmöglichten. Während die von der Beklagten gelieferte Hardware mängelfrei war, waren in der Software nach Ablauf der von der Beklagten gesetzten Nachbesserungsfrist am 27. März 1987 noch diverse Mängel vorhanden, wobei einzig bezüglich des Fehlers „can’t receive data“ feststeht, dass er in einer der von der Beklagten erbrachten Leistungen, nämlich im Datenbanksystem, begründet ist. Weitere angebliche Mängel in den beklagtischen Vertragsleistungen blieben unbewiesen. Nach Ansicht der Vorinstanz rechtfertigen die festgestellten Mängel eine Wandelung des Vertrages nicht. Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe den Wandelungsanspruch zu Unrecht verneint, und verlangt die Verurteilung der Beklagten zur Rückerstattung des bezahlten Entgelts.
a) Die Vereinbarung der Parteien sieht bezüglich Mängeln der Software vor, dass diese während einer Garantiefrist von drei Monaten durch einen Programmservice der Beklagten nachzubessern seien. Zudem war die Klägerin berechtigt, Softwaremängel auf Kosten der Beklagten durch einen Spezialisten selbst beheben zu lassen. Die Mängel konnten aber nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz weder durch Nachbesserung noch durch Ersatzvornahme innert angemessener Frist behoben werden. Die Vorinstanz ging zutreffend davon aus, das Vertragswerk sei lückenhaft, da es für diesen Fall keine Regelung vorsehe, und es seien die Regeln des dispositiven Rechts zur Vertragsergänzung heranzuziehen. Eine Bestimmung im Rahmenvertrag vom 20. Juni 1986, welche im Falle der Unmöglichkeit der Nachbesserung eine beschränkte Schadenersatzpflicht der Beklagten vorsah, ist nach Ansicht der Vorinstanz im Rahmenvertrag zur Integration der Einzelverträge vom 24. Juni 1986 aufgehoben worden. Ob diese Auffassung zutreffend ist, kann offenbleiben, da die Bestimmung nach ihrem Wortlaut lediglich die Schadenersatzpflicht einschränkt, ein Wandelungs- oder Minderungsrecht aber nicht ausschliesst.
b) Die Vorinstanz kam zum Schluss, bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertragswerk handle es sich um einen Innominatkontrakt, der Elemente verschiedener Vertragstypen, vorwiegend aber solche des Werkvertrages umfasse. In sachgewährleistungsrechtlicher Hinsicht seien die Regeln des Werkvertragsrechts analog anzuwenden, weil die Beklagte der Klägerin nicht bloss Standardsoft- und Hardware überlassen, sondern die Realisierung eines Informationssystems, d.h. einer Kombination von Hardware, Systemsoftware und Datenbank als Ganzes geschuldet habe. Der in den Rahmenverträgen zur Integration der Einzelverträge vom 20. bzw. 24. Juni 1986 verwendete Begriff „schlüsselfertig“, welcher in der Regel für Werkverträge verwendet werde, weise darauf hin, dass die Beklagte eine Erfolgsgarantie für das einwandfreie Funktionieren des Tripels als Ganzes übernahm. Zudem spreche die Vereinbarung eines Nachbesserungsrechts für die Annahme eines Werkvertrages.
aa) Gegenstand eines Werkvertrages ist die Erstellung eines individuell bestimmten Arbeitsergebnisses (GAUCH, Der Werkvertrag, 4. Auflage, Zürich 1996, S. 5 ff.; ZINDEL/PULVER, Basler Kommentar, N. 1 zu Art. 363-379 OR; vgl. HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, Bern 1997, S. 246 f. und S. 248). Demgegenüber bezweckt der Kauf die Übereignung einer in der Regel bereits bestehenden, jedenfalls nicht speziell für die individuellen Bedürfnisse des Käufers fabrizierten Sache (GAUCH, a.a.O., S. 37 f.; ZINDEL/PULVER, a.a.O., N. 9 zu Art. 363-379 OR; HONSELL, a.a.O., S. 248).
bb) Der Vertrag über die Lieferung eines aus Hard- und Software bestehenden EDV-Systems kann verschiedenartig ausgestaltet sein, weshalb seine rechtliche Behandlung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist (vgl. SCHLUEP, Innominatverträge, in: Schweizerisches Privatrecht, Band VII/2, S. 964). Die von Teilen der Lehre befürwortete Prädominanz des Werkvertragsrechts bei der Verpflichtung zur Erstellung eines «schlüsselfertigen» EDV-Systems (URSULA WIDMER, Risikofolgeverteilung bei Informatikprojekten: Haftung für Softwaremängel bei Planung und Realisierung von Informationssystemen, Diss. Bern 1990, S. 75; BARBEY, Les contrats informatiques, in La Semaine Judiciaire 1987, S. 301) darf daher nicht unbesehen angenommen werden, wo – wie vorliegendenfalls – die Leistungen des Anbieters weder die Projektierung des Gesamtsystems noch die Entwicklung der Applikationen umfassen.
Die von der Vorinstanz festgestellten Mängel befinden sich in der Datenbank und in den dazugehörigen Handbüchern. Dabei handelt es sich um Standardsoftware und Dokumentationen, deren entgeltliche Überlassung lizenzvertraglichen, kauf- oder miet- bzw. pachtrechtlichen Charakter hat (GAUCH, a.a.O., S. 11 N. 35; HONSELL, Standardsoftware- und Sachmängelhaftung, in Festschrift für Mario M. Pedrazzini, Bern 1990, S. 314 ff.; URSULA WIDMER, a.a.O., S.46 oben und S. 74). Wo das Verhältnis zwischen den Parteien demjenigen zwischen Käufer und Verkäufer ähnelt, d.h. einem einmaligen Austauschverhältnis näher kommt als einem Dauerschuldverhältnis, drängt sich die Anwendung der kaufrechtlichen Normen auf (vgl. VON BUREN, Der Lizenzvertrag, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Band I/1 [Grundlagen], S. 249 und 309). Da die Beklagte der Klägerin die fraglichen Leistungen im Gegenzug zur einmaligen Bezahlung einer im pauschalen „Kaufpreis“ enthaltenen Geldzahlung überliess, rechtfertigt sich die analoge Anwendung des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts. Der Klägerin steht demnach bei gegebenen Voraussetzungen ein Recht auf Wandelung oder Minderung nach den Regeln des Kaufrechts zu (vgl. GAUCH, a.a.O., S. 664 N. 2507; URSULA WIDMER, a.a.O., S. 195 f.). Ob in sachgewährleistungsrechtlicher Hinsicht auch bei Mängeln in einem Standardsoftwareprogramm trotz grundsätzlicher Zuordnung zum Kaufrecht ein – dem Werkvertragsrecht entliehenes – Nachbesserungsrecht anzuerkennen ist (vgl. URSULA WIDMER, a.a.O., S.44 f. und S. 104, Fussnote 9), kann offenbleiben, da vorliegendenfalls ein solches vertraglich vereinbart wurde. Aus der vertraglichen Vereinbarung eines Nachbesserungsrechts kann jedenfalls entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht unbesehen auf das Vorliegen eines Werkvertrages geschlossen werden, da ein Nachbesserungsanspruch auch im Rahmen eines Kaufvertrages sinnvoll sein kann und häufig vereinbart wird (HONSELL, Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 205 OR).
c) Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, kam die Klägerin ihrer Rügeobliegenheit bezüglich des Softwaremangels „can’t receive data“ mit den Mängelrügen vom 16. Oktober und 10. November 1986 rechtzeitig nach, da die bezüglich der Software vereinbarte dreimonatige Garantiefrist erst zu laufen beginnen konnte, als die Installation abgeschlossen war und die Klägerin das System produktiv, mit echten Betriebsdaten und unter echten Einsatzbedingungen, in Gebrauch nahm, da erst dannzumal, mithin geraume Zeit nach dem 15. Juli 1986, eine nach dem üblichen Geschäftsgang tunliche Prüfung möglich war. Die Vorinstanz traf aber keine Feststellungen über den exakten Zeitpunkt, in dem die Klägerin das System produktiv einsetzte. Ob die Mängelrüge bezüglich der Handbücher, welche nach den Feststellungen der Vorinstanz spätestens am 26. Februar 1987 erfolgte, rechtzeitig vorgenommen wurde, kann daher das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht beurteilen.
d) Nach den Feststellungen der Vorinstanz hätte das Auftreten der Fehlermeldung „can’t receive data“ durch eine andere, besser geeignete Programmierweise der von Prof. B. erstellten Applikationen vermieden werden können. Der Fehler hätte bereits zu Beginn der Applikationsentwicklung festgestellt und das Applikationsdesign zwecks Umgehung des Fehlers angepasst werden können. Die Vorinstanz nahm an, der Fehler „can’t receive data“ stelle trotz der Umgehbarkeit einen von der Beklagten zu vertretenden Mangel in der Vertragserfüllung dar, da die Umgehung einen gewissen Mehraufwand in der Applikationsentwicklung bedingt hätte. Da aber der Mangel vom Applikationsentwickler gleichsam hätte neutralisiert werden können, sei er nicht derart gravierend, dass er eine Wandelung rechtfertige; der Klägerin sei eine Annahme des Tripels trotz der – umgehbaren – Mängel zumutbar. Auch die Mängel in den Handbüchern rechtfertigten keine Wandelung, da sie die Arbeit auf dem System verzögerten und erschwerten, aber nicht verunmöglichten.
Die Klägerin macht demgegenüber geltend, ob ein vorhandener Fehler EDV-technisch hätte umgangen werden können, spiele keine Rolle, denn die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, nach den Fehlerursachen zu forschen und nach Wegen zu suchen, um diesen auszuweichen. Die Möglichkeit, bestehende Fehler zu umgehen, ändere nichts an der Mangelhaftigkeit des gelieferten Systems. Auch berechtigte die mangelnde Eignung der Handbücher die Klägerin zur Wandlung, selbst wenn diese nicht geradezu unbrauchbar seien. Der Richter habe nicht zu prüfen, ob die Wandelung unverhältnismässig erscheine.
aa) Die Wandelung eines nach den kaufrechtlichen Regeln zu beurteilenden Vertrages setzt voraus, dass die vom Verkäufer erbrachte Leistung körperliche oder rechtliche Mängel hat, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder erheblich mindern, oder vertraglichen Zusicherungen nicht entspricht (Art. 197 OR). Software-Fehler sind demnach nur dann Mängel im Rechtssinne, wenn sie das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft bewirken oder die Funktionsfähigkeit der Software für den vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigen oder ausschliessen (URSULA WIDMER, a.a.O., S. 121 f.; HELMUT REDEKER, Der Rechtsbegriff des Mangels beim Erwerb von Software, Computer und Recht 1993, S. 195; vgl. ULRICH SANDHÖVEL, Gewährleistung beim Erwerb von Software, Diss. Bonn 1991, S. 76 f.). Der Mangel muss zudem so erheblich sein, dass die Umstände es rechtfertigen, den Vertrag rückgängig zu machen, ansonsten bloss Ersatz des Minderwertes zuzusprechen ist (Art. 205 Abs. 2 OR). Die Wandelung ist z.B. dann gerechtfertigt, wenn der Vertragsgegenstand aufgrund des Mangels unbrauchbar ist, oder wenn die Reparaturkosten bzw. der Minderwert hoch sind und sich der Mangel dennoch nicht gänzlich beseitigen lässt. Ist aber dem Käufer das Aufrechterhalten des Vertrages zumutbar, und sprechen die Interessen des Verkäufers gegen eine Rückabwicklung des Vertrages, ist bloss auf Minderung zu erkennen (vgl. HANS HENZEN, Die Relativierung des Wandelungsanspruchs des Käufers durch den Vorbehalt des richterlichen Ermessens gemäss OR 205/II, Diss. Bern 1990, S. 42 ff.). Die Unzulänglichkeit von Handbüchern rechtfertigt eine Wandelung im allgemeinen nur, wenn sie die Unbrauchbarkeit des gelieferten Systems zur Folge hat, z.B. wenn überhaupt keine Programmdokumentation geliefert wird oder wenn diese in einer dem Käufer nicht verständlichen Fremdsprache abgefasst ist (URSULA WIDMER, a.a.O., S. 149 f. Fussnote 191 sowie S. 151).
bb) Nach der Vereinbarung der Parteien hatte die Beklagte ein „schlüsselfertiges“ EDV-System zu liefern, auf dem die Klägerin das selbsterstellte Anwenderprogramm entwickeln konnte. Die Notwendigkeit, Fehler im gelieferten System durch Umprogrammierung der Applikationen auszumerzen, stellt eine Beeinträchtigung des vorausgesetzten Gebrauchs und damit einen rechtserheblichen Mangel dar. Da aber die Klägerin die Fehlersymptome umgehen und damit die Gebrauchstauglichkeit des Systems herstellen konnte, erscheint die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht als unzumutbar. Vielmehr wäre die Rückabwicklung des Vertrages unbillig, war doch die gelieferte Hardware mängelfrei und konnte der Beklagten neben dem Fehler „can’t receive data“ kein weiterer Softwaremangel nachgewiesen werden. Auch die Mängel in den Handbüchern vermöchten eine Wandelung nicht zu rechtfertigen, selbst wenn die Klägerin diese rechtzeitig gerügt haben sollte, da sie den Gebrauch des Systems nicht geradezu verunmöglichten. Die Vorinstanz verletzte demnach kein Bundesrecht, wenn sie die Wandelung als ungerechtfertigt betrachtete.
Quelle: www.bger.ch
www.softwarevertraege.ch