Kantonsgericht Schwyz / Entscheid vom 28. November 1989

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Nicht amtliche Leitsätze: Übertragung eines ganzen Schuldverhältnisses (E. 3); Rechtsnatur eines Wartungsvertrags (Computerservicevertrag): gemischter Vertrag mit dominierenden werkvetraglichen Elementen (E. 4); Erwägungen zu den Kündigungs-Modalitäten bei einem Dauerschuldverhältnis (E. 4); keine ausserordentliche Kündigung wegen Inbetriebnahme eines neuen Computersystems (E. 5); „Versicherungsgedanke“, der Servicevertrag zugrunde liegt (E. 6.c)).

Zusammenfassung des Sachverhalts: Die beklagte W.-AG hatte 1991 ein „Business-Computer-System“ in Betrieb genommen und mit der A. (Suisse) AG einen Wartungsvertrag (Servicevertrag) mit einer jährlichen pauschalen Abonnementsgebühr von Fr. 8’952.- abgeschlossen. Der Servicevertrag war unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten jeweils das Ende des Kalenderjahres kündbar. 1984 wurde der Servicevertrag von einer Schwestergesellschaft, der A.-V. AG übernommen und die entsprechenden Leistungen auch durch diese erbracht. Die W.-AG teilte im Mai 1988 der A.-V. AG mit, dass sie im Mai 1988 ein neues Computersystem in Betrieb nehmen würde. Sie kündigte daher den Servicevertrag für das alte System per 30. Juni 1988 und war nur bereit, die Abonnementsgebühr bis Ende Juni 1988 zu bezahlen. Die A.-V. AG betrieb die Beklagte auf die volle Abonnementsgebühr für 1988. Gegen die Verfügung, in der der Klägerin die provisorische Rechtsöffnung erteilt wurde, rekurrierte die Beklagte.

Aus den Erwägungen:

1. Der von der Klägerin für das Jahr 1988 in Rechnung gestellte Betrag von Fr.7812.- ist ausgewiesen. Er basiert auf der zwischen der A.(Suisse) S.A. resp. der A.-V.-AG mit der W.-AG getroffenen Vereinbarung über das Entgelt für den Service-Vertrag. Es stellt sich deshalb nur die Frage, ob seitens der Beklagten eine Leistungspflicht für das (ganze) Jahr 1988 besteht (…).

3. Die Rekurrentin bestreitet vorab die Identität der Betreibenden mit der Berechtigten. Sie macht geltend, sie habe den Servicevertrag mit der A.(Schweiz) S.A. abgeschlossen, betrieben werde sie jedoch von der A.-V.-AG. Die Rekursgegnerin hält dem entgegen, sie habe im Jahre 1984 sämtliche Serviceverträge der A.-H. (Schweiz) AG, Rechtsnachfolgerin der A.(Schweiz) SA übernommen. Der konkrete Servicevertrag sei in der Folge zwischen ihr und der Beklagten abgewickelt worden.

a) Die Übertragung eines ganzen Schuldverhältnisses mit Einschluss aller darin enthaltenen Rechte und Pflichten ist nach anerkannter Praxis und Doktrin zulässig; im Unterschied zur Zession ist sie jedoch nur möglich mit Einwilligung des Vertragspartners (BGE 47 II 421; von Tuhr/Escher, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, S.343). Mit der Abtretung eines ganzen Rechtsverhältnisses gehen nicht nur einzelne Forderungen oder Verpflichtungen, sondern auch das Stammrecht, d.h. das Rechtsgrundverhältnis auf den Erwerber über. Die Formvorschriften für eine solche Vertragsübernahme richten sich dabei nach den Formvorschriften für die zu übertragenden Vertragsbeziehungen (Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S.539). Nachdem für den Abschluss eines Servicevertrages keine besonderen Formvorschriften bestehen, konnte die Vertragsübertragung folglich formlos, d.h. mündlich, stillschweigend oder durch konkludentes Verhalten vollzogen werden.

b) Die Beklagte hat mit verschiedenen Handlungen zum Ausdruck gebracht, dass sie die Klägerin als neue Vertragspartei anerkannte. Sie bezahlte während mehreren Jahren die Abonnementsgebühren an die Klägerin, nahm die Vertragsleistungen der Klägerin unbeanstandet entgegen, traf mit der Klägerin eine neue Vereinbarung über die Höhe der Abonnementsgebühr und sprach letztlich auch die Kündigung gegenüber der Klägerin aus. Die Beklagte hat somit eine Vielzahl von Handlungen vorgenommen, die sie nicht vorgenommen hätte, wenn sie die Klägerin nicht als Vertragspartei betrachtet hätte. Unter diesen Umständen steht ausser Frage, dass eine stillschweigende Vertragsübertragung von der A.(Suisse) S.A. resp. ihrer Rechtsnachfolgerin auf die A.-V.-AG stattgefunden hatte (vgl. Becker, Berner Kommentar, N 7 Vorbem. zu Art.164 – 174 OR). Die Klägerin als Betreibende ist somit auch die aus dem Vertrag Berechtigte, so dass der Einwand der fehlenden Identität abzuweisen ist.

4. Die Vorinstanz hat den zu beurteilenden Servicevertrag zu Recht als gemischtes Vertragsverhältnis mit dominierenden werkvertraglichen Elementen qualifiziert und die Anwendung von Auftragsrecht, insbesondere Art.404 OR, abgelehnt. Dies entspricht sowohl der Praxis (ZR 1977 Nr.17) als auch der Rechtslehre (Schluep, Innominatverträge, in: SPR VII/ 1, S.967) und wird von der Rekurrentin zweitinstanzlich nicht mehr bestritten. Dies heisst jedoch nicht, dass die Normen des Werkvertrages, insbesondere über dessen Beendigung (Art.375 ff. OR), unbesehen auf den konkreten Servicevertrag übernommen werden können. Zu berücksichtigen ist, dass auch mietvertragliche, auftragsrechtliche und kaufsrechtliche Elemente erkennbar sind (vgl. ZR 1977 Nr.17). Wesentlich im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertrages ist insbesondere, dass der Servicevertrag im Gegensatz zum Werkvertrag ein Dauerschuldverhältnis darstellt (BGE 98 II 302 f.; Gauch, Der Werkvertrag, 3. A., S.4 N 9 mit Hinweisen). Die typische Leistungspflicht beim Werkvertrag besteht demgegenüber in einer einfachen Schuld, die mit ihrer Erfüllung erlischt. Dementsprechend sind die Art.375 ff. OR über die (vorzeitige) Beendigung des Werkvertrags auf ein einfaches Schuldverhältnis ausgerichtet; Art.375/77 OR sprechen denn auch ausdrücklich von «Rücktritt» vom Vertrag. Bei Dauerschuldverhältnissen ist indessen nach überwiegender Auffassung ein Rücktritt ausgeschlossen, wenn mit der typischen Dauerleistung bereits begonnen worden ist. Der Rücktritt vom Vertrag wird ersetzt durch die Kündigung mit Wirkung «ex nunc» (BGE 97 II 65 E 7; Schönenberger/Jäggi, Zürcher Kommentar, N 565 zu Art.1 OR; von Tuhr/Escher, a.a.O., S.171). Diesem wesentlichen Unterschied ist bei der Beurteilumg der Beendigung von Serviceverträgen Rechnung zu tragen.

5. Die Festsetzung der Modalitäten der Kündigung ist vorliegend – mangels Anwendbarkeit von Auftragsrecht – der freien Parteidisposition zugänglich. Im Servicevertrag wurde der 31. Dezember jeden Jahres als Kündigungstermin bei einer Kündigungsfrist von 3 Monaten vereinbart. An diesen Kündigungsmodus haben sich die Parteien zu halten, und es ist der Beklagten deshalb verwehrt, das Vertragsverhältnis einseitig ausserterminlich aufzuheben. Gründe für eine «vorzeitige» Beendigung des Vertragsverhältnisses im Sinne von Art.376 ff. OR bestehen keine, da einerseits Art.376 und Art.378 OR einen «zufälligen» Untergang des Werkes resp. eine «zufällige» Unmöglichkeit der Erfüllung voraussetzen. Von Zufall kann hier indessen keine Rede sein. Anderseits erweist sich Art.377 OR nicht analog auf einen Servicevertrag anwendbar, weil der «Rücktritt» gemäss Art.377 OR auf ein einfaches Schuldverhältnis zugeschnitten ist und deshalb aus den vorgenannten Gründen nicht auf ein Dauerschuldverhältnis übertragen werden kann. Ob allenfalls eine sofortige Aufhebung des Vertrages «aus wichtigen Gründen» analog zum Arbeitsvertragsrecht (Art.337 OR) möglich wäre (vgl. BGE 97 II 66, Pra 60 1971 S.450), kann vorliegend dahingestellt bleiben, da «wichtige Gründe» weder behauptet werden noch sonstwie ersichtlich sind. Die Tatsache allein, dass die Beklagte keine Verwendung mehr für die Vertragsleistung der Gegenpartei hat, stellt jedenfalls keinen solchen Grund dar; die Beendigung des Vertragsverhältnisses hat auch diesfalls nach den einschlägigen gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsbestimmungen zu erfolgen. Dieser Grundsatz findet sich bei allen typischen Dauerschuldverhältnissen, so z.B. auch im Mietrecht, wonach der Mietzins bis zum ordentlichen Ablauf der Kündigungsfrist zu bezahlen ist, auch wenn der Mieter für das Mietobjekt keine Verwendung mehr hat resp. dieses nicht mehr bewohnt, oder auch im Versicherungsvertragsrecht, wo bei einseitiger Auflösung des Vertrages der Anspruch des Versicherers auf die Prämie für die zur Zeit der Vertragsauflösung laufende Versicherungsperiode gewahrt bleibt (Art.25 VVG). Die Vorinstanz ging demzufolge zu Recht davon aus, dass die ausserterminliche Kündigung der Beklagten per Mitte Jahr erst auf Ende 1988 wirksam geworden war. Der Umstand, dass die Klägerin ab Mitte 1988 keine Wartungsarbeiten mehr erbringen musste, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Beklagte hätte im Hinblick auf die Auswechslung des Computersystems in ihrem Betrieb im Rahmen der vertraglichen Bestimmungen ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, den Servicevertrag per Ende 1987 zu kündigen und diesen allenfalls noch bis Mitte 1988 durch Vereinbarung zu verlängern. Wenn sie dies unterlassen hat, so ist sie an ihre vertraglichen Verpflichtungen gebunden, wie auch die Klägerin gebunden bleibt, ihre Leistungen für die gesamte Vertragsdauer zur Verfügung zu stellen und zu erbringen.

6. Die Rekurrentin beruft sich schliesslich auch auf Übervorteilung im Sinne von Art.21 OR. Sie macht geltend, sie habe den Kundendienst der Klägerin seit 1985 nie länger als 5 Stunden pro Jahr in Anspruch genommen; im Jahre 1988 habe ihre Vertragspartnerin überhaupt keine Leistung erbringen müssen. Trotzdem habe der Abonnementspreis Fr.8000.- und mehr betragen. Unter diesen Umständen sei ihr ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar gewesen, zumal das Beharren der Gegenpartei auf ihrem Anspruch angesichts des nachträglich entstandenen offenbaren Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung eine geradezu wucherische Ausbeutung des Schuldners dargestellt habe. Die Rekursgegnerin hält dem entgegen, die Beklagte habe während all den Jahren bis zur Ausmusterung der Maschinen am Vertrag festgehalten. Damit Wucher vorliege, bedürfe es einer Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des Ausgebeuteten. Diese Voraussetzungen seien jedoch weder behauptet noch bewiesen, noch sei der Vertrag innerhalb der Frist von einem Jahr widerrufen, noch sei vom Kündigungsrecht Gebrauch gemacht worden.

a) Die Berufung auf Art.21 OR setzt voraus, dass der Verletzte sein Recht auf Anfechtung des Vertrages innert Jahresfrist seit Vertragsabschluss ausübt. Diese Jahresfrist ist eine Verwirkungsfrist; Zeitablauf «heilt» den Mangel (Gauch/Schluep/Jäggi, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 1977, S.93 Rz.384). Der Servicevertrag wurde 1981 geschlossen, wobei die Abonnementsgebühr von Fr.8952.- damals höher lag als im Jahre 1988 (Fr.7812.-). Die Beklagte hat somit auf Grund der langen, mehrjährigen Vertragsdauer das Anfechtungsrecht gestützt auf Art.21 OR offensichtlich verwirkt. Der Einwand der Übervorteilung resp. des Wuchers ist deshalb zum vorneherein zu verwerfen.

b) Aber auch die weitere Voraussetzung des Art.21 OR, die Ausbeutung einer Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns der Gegenpartei, ist nicht erfüllt. Weder eine Schwäche der Beklagten noch deren Ausbeutung durch die Klägerin ist erkennbar; entsprechendes wird von der Rekurrentin auch nicht substanziert vorgebracht, geschweige denn glaubhaft gemacht. Gemäss Servicevertrag erfolgte die Lieferung des Computersystems an die Beklagte am 10. August 1981, der Servicevertrag selbst datiert jedoch erst vom 23. Oktober 1981. Die Beklagte nahm sich folglich gebührend Zeit, die Vor- und Nachteile eines Servicevertrages zu überlegen. Jedenfalls ist bei dieser Ausgangslage nicht ersichtlich, inwiefern die A. (Suisse) S.A. eine Schwäche der Beklagten «bewusst ausgebeutet» hätte, um diesen konkreten Vertrag abzuschliessen. Nur nebenbei sei noch erwähnt, dass die Beklagte diesen Vertrag nicht einmal direkt mit der A.-S.A., sondern stellvertretend durch die Verkäuferin der Anlage, die St.C. AG, Luzern, abgeschlossen hatte.

c) Schliesslich geht auch der Einwand fehl, es bestehe ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Zwar erscheint eine Abonnementsgebühr von Fr.8000.- und mehr im Verhältnis zu der von der Klägerin erbrachten, konkreten Gegenleistung als hoch. Gerade hier kommt aber der Versicherungsgedanke, der dem Servicevertrag zugrunde liegt, zum Ausdruck. Die Klägerin hat sich verpflichtet, an den im Vertrag bezeichneten Maschinen alle notwendigen Reparaturen vorzunehmen, einschliesslich die des Motors und der elektrischen Anlagen, und alle Ersatzteile für diese Reparaturen mit Ausnahme der Magnetkarten und der Magnetbandkassetten zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite verpflichtete sich die Beklagte zur Bezahlung eines fixen, jährlichen Abonnementspreises. Die Klägerin übernahm damit auch grösste Reparaturen, von denen man weiss, dass sie sehr kostspielig sein können, ohne dass dadurch die Beklagte mit zusätzlichen Kosten hätte rechnen müssen. Die Kalkulation des Abonnementspreises kann sich deshalb nicht nach dem konkreten Aufwand in einem Einzelfall richten, sondern hat nach einer regelartigen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen, die durch Berechnungen und Erfahrungen in einer Vielzahl von Fällen gewonnen werden. Nur so können extreme Aufwandkosten im Einzelfall ausgeglichen und eine durchschnittliche Vertragsentschädigung zum voraus festgesetzt werden (vgl. ZR 1977 Nr.17).

Die Beklagte hatte nach dem Kauf des «Business-Computer-Systems» von A. im Jahre 1981 die freie Wahl, ob sie einen Servicevertrag abschliessen und damit für Betrieb und Unterhalt dieser Anlage mit jährlichen Fixkosten rechnen wollte, oder ob sie das Risiko betr. Störanfälligkeit und Instandhaltungskosten selber tragen wollte. Wenn sie sich für die versicherungsähnliche Variante, bei der sich die Kosten in einem kalkulierbaren Rahmen halten, entschieden hat, kann sie sich nicht nachträglich darauf berufen, die Gegenpartei habe nur einen geringen Aufwand gehabt; ebensowenig wie ein Versicherungsnehmer Anspruch auf Rückerstattung der Prämien hat, wenn er den Versicherungsschutz nicht in Anspruch genommen hat.

7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sämtliche Einwendungen der Rekurrentin unbegründet sind. Der Servicevertrag stellt unbestrittenermassen einen provisorischen Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 82 SchKG dar. Nachdem dieser Vertrag erst per 31. Dezember 1988 rechtsgültig gekündigt worden war, ist die Abonnementsgebühr von Fr. 7812.- für das (ganze) Jahr 1988 geschuldet. Dass die Klägerin den Vertrag nicht gehörig erfüllt hätte, wird nicht behauptet. Der Rekurs ist demzufolge abzuweisen und die angefochtene Verfügung zu bestätigen.

Quelle: SJZ 1990, 78, S. 379
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