Verfügung vom 20. Juni 1989 des Einzelrichters im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Affoltern

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Nicht amtliche Leitsätze: Verstoss gegen Art. 5 lit.c UWG bei Übernahme von fremden Daten in ein Computerprogramm? Art. 5 lit. c UWG verbietet die Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses ohne einen gewissen eigenen Aufwand (Erwägung IV.d)). Das manuelle Erfassen von fremden Daten mit einer Tastatur oder ein Erfassen mit einem Scanner stellt (1989) kein technisches Reproduktionsverfahren ohne eigenen Aufwand im Sinne von Art. 5 lit. c UWG dar (Erwägung IV.d)cc)). Schutzobjekte gemäss Art. 5 lit. c UWG (Erwägung IV.d)dd)).

Zusammenfassung des Sachverhalts: Die Klägerin, die X. AG, vertreibt u.a. Preislisten für Karosserie- und Lackierungsarbeiten. Die Y. AG vertreibt ein Computerprogramm, das u.a. Funktionen für die Fakturierung und Offertstellung für Karosserie- und Lackierbetriebe beinhaltet. Über eine Datenbank lassen sich Informationen über Zeitaufwand und Preis für die Arbeiten an den entsprechenden Automarken abrufen. Die X. AG macht geltend, die Y. AG habe durch die Aufnahme der obengenannten Preislisten in ihre Datenbank gegen das UWG verstossen.
Die X. AG verlangt die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen (Verbot das Computerprogramm zu vertreiben, Beschlagnahmung verschiedener Unterlagen etc.)

Aus den Erwägungen:

„IV. a) Die X. AG sieht eine unlautere Handlung der Y. AG darin, dass diese die Daten der Listen der X. AG in ihr Computerprogramm übernehme und so den Kunden anbiete. Sie sieht darin eine Verletzung von Art. 5 lit. c UWG und Art. 2 UWG.
(…)

b) (…)
bb) Die X. AG hat sich wiederholt darüber beklagt, die Y. AG wolle ihre Quasi-Monopolsituation in bezug auf die Listen auf dem Markt erschüttern. Das Gesetz über den unlautere Wettbewerb geht aber davon aus, dass es Wettbewerb gibt. Zweck des Wettbewerbes ist es unter anderem, die Bildung von Monopolen zu verhindern. Es kann also kaum Sinn eines Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb sein, erworbene Marktpositionen zu schützen. Vielmehr setzt das UWG-Gesetz die Randbedingungen (Spielregeln), innerhalb derer Marktpositionen angegriffen werden können (und nach ordoliberalen Vorstellungen auch sollen), fest. Dahinter steckt die Überlegung, dass bei Fehlen solcher Randbedingungen der eigentliche Sinn des Wettbewerbes, nämlich optimale Erfüllung der bestehenden Nachfrage der Konsumenten, sich ins Gegenteil verkehren könnte und Monopole gerade gefördert werden könnten.
Es ist der X. AG also nicht verwehrt, sich eine Marktposition zu schaffen; sie muss diese aber durch Mittel des Marktes verteidigen und kann dafür in der Regel die Hilfe der staatlichen Behörden nicht beanspruchen. Konkret bedeutet dies, dass die X. AG ihre Kunden davon überzeugen muss, dass sie die einzig zuverlässigen Lack- und Spenglerkalkulationsdaten verkauft, und nicht verlangen kann, dass der Staat andern Anbietern, selbst wenn diese erwiesenermassen unzuverlässige Daten anbieten würden, den Eintritt in den Markt verwehre.
cc) Die X. AG argumentiert weiter damit, es bestünde geradezu ein öffentliches Interesse, dass nur ein Anbieter von Marktdaten für das Carosserie- und Lackgewerbe existiere, damit nicht verschiedene Preise gebildet würden. Diese Argumentation ist ebenfalls untauglich zur Begründung ihres Begehrens. Solche öffentlichen Interessen können allenfalls herangezogen werden, um die Zulässigkeit eines Kartells zu begründen, nicht aber um gestützt auf das Wettbewerbsrecht staatliche Unterstützung beim Ausschluss eines Mitbewerbers zu erhalten. Im übrigen ist die Argumentation auch inhaltlich falsch. Es kann offenbleiben, wie weit die X. AG heute wirklich die Carosserie- und Lackpreise in der Schweiz bildet. Von einem öffentlichen Interesse daran, dass ein einheitlicher Preis gebildet werde, kann nämlich keine Rede sein. Nach ordoliberalen Vorstellungen spielt sich der Wettbewerb in erster Linie über den Preis ab. Es ist also gerade erwünscht, dass sich keine kartellähnliche Preisabsprache im Karosseriegewerbe bildet, sondern dass die einzelnen Garagen verschiedene Preise haben und sich so konkurrenzieren. Die Publikation von Listen, die Preisabsprachen unter den Anbietern ermöglicht, liegt also im Gegensatz zur Publikation von Preisinformationen für die Nachfrager kaum im öffentlichen Interesse.

c) Gleich zum vornherein kann das Argument verworfen werden, das Verhalten der Y. AG wäre auch nach Art. 2 UWG unlauter. Es ist ja in diesem Verfahren aus Gründen der sachlichen Zuständigkeit davon auszugehen, dass keine Urheberrechtsverletzung zur Diskussion steht. Dann kann aber nach ständiger Praxis der nicht bestehende urheberrechtliche Schutz nicht auf dem Umweg über Art. 2 UWG erreicht werden. Sind die Daten der X. AG urheberrechtlich nicht geschützt, so ist es nicht a priori unlauter, sie wirtschaftlich zu verwerten (David, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 1988, Rz 17).
(…)

d) Somit reduziert sich das Verfahren auf die Frage, ob die X. AG eine Verletzung von Art. 5 lit. c UWG durch die Y. AG glaubhaft gemacht habe. Entgegen der Ansicht der X. AG schafft Art. 5 lit. c UWG kein neues spezielles Immaterialgüterrecht für nicht patent- oder urheberrechtsfähige Rechte (Troller, Immaterialgüterrecht, 3. Aufl., Bd. 2, S. 951). Der Wortlaut von Art. 5 lit. c UWG verbietet eine solche Annahme. Wollte man nämlich Geistesprodukte, die nicht genügend originell sind, um des Urheberrechtsschutzes teilhaftig zu werden, und nicht eine genügende Erfindungshöhe oder ästhetische Eigenart erreichen, um als Patente oder Geschmacksmuster geschützt zu werden, eines besonderen Schutzes teilhaftig werden lassen, wäre es geradezu widersinnig, im Zeitalter der Fotografie und anderer Aufzeichnungstechniken, die eine Erfassung eines Produktes und dessen Nachschöpfung stark erleichtern, das Erfordernis des „technischen Reproduktionsverfahrens“ aufzustellen. Es ist sofort einleuchtend, dass Art. 5 lit. c UWG niemanden hindern kann, das Produkt eines andern nachzuahmen, nachzubauen, nachzuschreiben etc. und als sein eigenes Erzeugnis zu verkaufen. Art. 5c UWG will nur die allzu billige Übernahme des Produktes verhindern; zu denken ist dabei etwa an Raubkopien von Musik-Cassetten und Computerprogrammen u. ä. (…)
Art. 5 lit. c UWG verbietet also nicht die Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses, sondern nur die unlautere Übernahme ohne jeden Arbeitsaufwand, den systematischen Einsatz moderner und billiger Kopiermethoden zum Raub fremder Produkte. Vom Wettbewerber wird also aufgrund von Art. 5 lit. c UWG keinesfalls verlangt, dass er irgendeinen Aufwand erbringt, um ein gleiches oder ähnliches Produkt wie sein Konkurrent zu entwickeln. Es wird nur verlangt, dass er einen gewissen Aufwand erbringt, um dieses zu reproduzieren. Dies erhellt, dass es zum vornherein irrelevant ist, wieviel Zeit und Geld die X. AG aufgewendet hat, um (…) ihre Listen erarbeiten zu lassen, und wieviel Zeit und Geld sie aufwendet, um die Daten halbjährlich auf den neuesten Stand zu bringen. Entweder sind diese Daten durch ein Urheberrecht geschützt, was hier nicht beurteilt werden kann, oder sie sind es nicht. Wenn sie nicht geschützt sind, darf sie sich jedermann grundsätzlich aneignen und wirtschaftlich verwerten. Nur die Aneignungsweise, nicht das Aneignen und Verwerten an sich, kann unlauter sein (Troller a.a.O., S. 966). (…)
aa) (…) Die X. AG behauptet, dass die Y. AG willkürlich Änderungen an ihren Daten vornehme, um deren Herkunft zu kaschieren. Die Y. AG behauptet, dass sie nur etwa 50 % aller Daten direkt von den Listen der X. AG übernehme und sonst auch weitere Quellen konsultiere (namentlich Preislisten von Versicherungen und Ersatzteillisten der Fabrikanten). Wenn dem so wäre, so würde es zum vornherein an einer Übernahme eines Arbeitsergebnisses als solchem fehlen, und das Begehren wäre abzuweisen. (…)
bb) Das Begehren ist also schon deshalb abzuweisen, weil eine Übernahme der Daten der X. AG durch die Y. AG tel quel nicht glaubhaft gemacht ist.
Es kommt aber dazu, dass auch die technische Reproduktion nicht glaubhaft gemacht ist. Entgegen der Ansicht der X. AG ist die Tatsache, dass die Y. AG Daten der X. AG im elektronischen Speicher eines Computers erfasst und dadurch natürlich reproduzieren kann, keine Anwendung eines technischen Reproduktionsverfahrens im Sinne von Art. 5 lit. c UWG
Wenn diese Daten nämlich, wie die Y. AG behauptet, manuell erfasst werden, also durch Eintasten in die Tastatur, so ist dies genau der Vorgang, der zum Setzen eines Textes nötig ist. Deshalb ist dem von der Y. AG eingereichten Privat-Rechtsgutachten zuzustimmen, wenn es sagt, dass der Aufwand des Eintippens mit dem Herstellungsaufwand der X. AG vergleichbar ist. Auch die X. AG tut, wenn sie ihr Werk schafft, nichts anderes, als die Daten in den Computer einzulesen und dann mittels entsprechender Software den Satz zu erstellen. Genauso verhält es sich, wenn die Y. AG die Daten manuell eintippt. Dieses Eintippen ist einem Abschreiben oder Neusetzen gleichzustellen. Dass dann das neugesetzte Werk beliebig oft reproduziert werden kann, ist die natürliche Folge des Eintippens, also des Arbeitsaufwandes der Y. AG, und nicht unlauter, weil eben die wirtschaftliche Verwertung des Produktes der X. AG an sich nicht unlauter ist. Die X. AG will die These des Privatgutachters der Y. AG vom vergleichbaren Arbeitsaufwand der Parteien mit dem Hinweis auf ihre Redaktionskosten widerlegen. Dies ist, um es noch einmal zu wiederholen, ein untaugliches Argument, weil sich die Redaktionskosten auf die Schaffung des – gemeinfreien – Geistwerkes beziehen, das übernommen werden darf, und es nach Art. 5 lit. c UWG nur auf den Aufwand bei der Reproduktion des Geistwerkes ankommt.
Tippt also die Y. AG alle Daten der X. AG von Hand in den Computer, ist Art. 5 lit.c UWG mit Sicherheit nicht anwendbar.
cc) Nun bestreitet aber die X. AG, dass die Y. AG ca. 400 000 Daten manuell in den Computer eingegeben habe. Dies sei unmöglich. Auf die Frage des Richters, wie denn das Erfassen der Daten erfolgt sei, erklärte die X. AG, sie wisse es nicht, sie könne sich nur einen Scanner vorstellen. Ein Scanner ist ein Gerät, das optisch geschriebene oder gezeichnete Information nach den Helligkeitswerten erfasst, diese Information digitalisiert und so für die Abspeicherung im Computer geeignet macht. Die Information wird also in Form von Helligkeitsunterschieden erfasst. In einer Textdatei werden Buchstaben natürlich nicht als Helligkeitsunterschiede erfasst, sondern jedem Buchstaben und jeder Ziffer, allenfalls jeder Zahl, wird ein Code, in der Regel eine 16- oder 32stellige Binärzahl, zugeordnet (meistens im sog. ASCII-Code), die abgespeichert wird. Durch geeignete Programme und Geräte kann nun dieser Code in beliebigem Schriftbild wiedergegeben werden und logisch verarbeitet werden (Textkorrekturfunktionen, Formatierung etc.). Dies alles ist offensichtlich nicht möglich, wenn Buchstaben in ihrer physischen Form als Hell-/Dunkel-Kontraste gespeichert werden. Folglich muss die vom Scanner erfasste Information zuerst einmal durch geeignete Programme umgesetzt werden. Buchstaben, aber auch Begrenzungslinien, Unterstreichungen, Satzzeichen, Leerstellen, Absätze etc., die als Helligkeitsunterschiede erfasst werden, müssen durch ein Erkennungsprogramm, das die Helligkeitsunterschiede analysiert und den so erkannten Zeichenformen den entsprechenden ASCII-Code zuordnet, bearbeitet werden. Solche Programme sind ungeheuer komplex. Es dürfte kein Programm geben, das es ermöglicht, einfach mit einem Scanner über die grafisch aufwendig gesetzte Lackliste der X. AG zu fahren und die dort zwischen Balken und Strichen gesetzten Daten, die teilweise weiss-schwarz gesetzt sind, teilweise schräg gedruckt sind, so zu erfassen, dass sie automatisch und logisch geordnet in die zum Programm der Y. AG gehörende Datei abgespeichert werden können. Es ist auch unwahrscheinlich, dass die Y. AG in der Lage ist, selber ein solches Programm herzustellen; in jedem Fall wäre der Programmieraufwand, vorsichtig ausgedrückt, mindestens so hoch wie der Aufwand für das manuelle Eintippen der Daten. Man könnte also auch bei einem Gebrauch eines Scanners zum Einlesen der Daten nicht von einem technischen Reproduktionsverfahren reden, jedenfalls nicht von einem, das ohne eigenen Aufwand angewendet werden könnte.
dd) (…) Zusammenfassend ist also festzustellen, dass ein manuelles Erfassen der Daten der X. AG mit einer Tastatur oder ein Erfassen mit einem Scanner kein technisches Reproduktionsverfahren ohne eigenen Aufwand im Sinne von Art. 5 lit. c UWG wäre und ein Überspielen von Disketten bei weitem nicht glaubhaft dargetan oder auch nur substantiiert behauptet wurde. Auch aus diesem Grunde wäre das Begehren der X. AG abzuweisen.
ee) Schliesslich ist das Begehren der X. AG noch aus einem weiteren Grunde abzuweisen. Selbst wenn man annehme, die Y. AG erfasse die Datenlisten der X. AG tel quel ohne eigenen Aufwand mechanisch, so wäre festzuhalten, dass die X. AG ja nicht behauptet hat, die Y. AG biete ein Programm an, mit welchem eine Liste ausgedruckt werden könne.
Die X. AG hat nun aber, wie gesagt, in keiner Weise substantiiert behauptet oder gar glaubhaft gemacht, dass die Y. AG diese Daten verwende, um sie beim Kunden in einer geordneten lexikalischen Form zu präsentieren. Viel mehr wird die Datei mit den Lack- und Spenglerdaten im Rahmen eines Programmes verwendet, das die X. AG wettbewerbsrechtlich ausdrücklich nicht beanstandet hat. Der Kunde der Y. AG kann offenbar bei der Offertstellung und bei der Fakturierung die entsprechenden Daten abrufen und in das Computerformular einbauen. Es wäre durchaus denkbar, ein Fakturierungs- und Offertstellungsprogramm ohne diese Daten herzustellen. Der Kunde müsste dann, wenn er das entsprechende Formular am Bildschirm bearbeitet, die einzelnen Daten in den Listen der X. AG nachschauen und ins Formular über die Tastatur eingeben. (…) Das Programm der Y. AG ist kein Lexikonprogramm, sondern ein Buchhaltungs- und Geschäftsverwaltungsprogramm, das als einer unter mehreren Bestandteilen eine Datei mit Informationen, die allenfalls von der X. AG stammen, enthält. Das Produkt der X. AG wird also in das Programm der Y. AG eingebaut und weiterverarbeitet. Das Arbeitsergebnis, das allein Schutzobjekt ist (Troller, a.a.O. S. 951), ist demnach bei den Parteien nicht das gleiche. Auch diese Erwägung führt zur Abweisung des Begehrens.

Quelle: ZR 1989, Nr. 61
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