Kantonsgericht St. Gallen, Präsident der III. Zivilkammer, 6. November 2008, VZ.2008.49

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Amtliche Leitsätze: Art. 363, Art. 394, Art. 404 und Art. 377 OR (SR 220). Die Optimierung einer Webseite, wozu das individuelle Kodieren, die Anpassung des HTML Codes und das Konfektionieren der Keywords gehören, stellt ein geistiges Werk dar; die entsprechenden Leistungen können damit Gegenstand eines Werkvertrages sein. Da die Qualität der Webseite – unter dem Gesichtspunkt der Suchergebnisse – und namentlich die Auswahl der geeigneten Suchbegriffe eine nach objektiven Kriterien überprüfbare Leistung ist, kann ein Arbeitserfolg versprochen werden. Ein SEO- Vertrag ist daher als Werkvertrag zu qualifizieren.

(Bemerkung; Die klein geschriebenden Namen in den Literaturangaben stammen aus dem Original.)

Erwägungen
I.
1. Am 2./7. November 2005 schlossen die B-GmbH und die A-AG, ehemals E-AG, einen Vertrag ab, wonach sich die B-GmbH zu folgender Leistung verpflichtete: „Suchmaschineneintragung mit vorgängiger Optimierung inkl. Webhosting (Start-Up)“. Zu optimieren war die Webseite „www.e-ag“. Der Vertrag begann am 1. Januar 2006, und es wurde eine Vertragsdauer von zwölf Monaten vereinbart plus zusätzlich drei bzw. fünf Monate Gratislaufzeit (kläg. act. 1 und bekl. act. 1; Klage, 4). In Bezug auf die Vertragsdauer war in Ziffer 6 der Vertragsbedingungen ferner festgehalten:
“ Beginn, Dauer und Verlängerung: Dieser Vertrag beginnt mit der beidseitigen Unterzeichnung. Er kann erstmals auf den Ablauf der vereinbarten festen Laufzeit gekündigt werden. Erfolgt keine Kündigung, verlängert er sich jeweils automatisch um ein weiteres Jahr zum jeweils bei Ablauf der Kündigungsfrist gültigen Standardpreis. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate. Die Kündigung hat per Einschreiben zu erfolgen. Ein Rücktritt vom Vertrag ist nur aus wichtigem Grund möglich.“
Die A-AG bezahlte die gemäss Vertrag geschuldete Entschädigung von Fr. 3’230.- exklusive 7,6% Mehrwertsteuer für das erste Vertragsjahr fristgerecht (Klage, 4; Beschwerde, 3). Mit E-Mail vom 28. Juni 2007 ersuchte die B-GmbH die A-AG, ihr die aktuellen Daten zukommen zu lassen, worauf die A-AG in ihrem E-Mail vom 29. Juni 2007 die Ansicht vertrat, sie habe den Vertrag „vor einiger Zeit nicht weitergeführt“; es sei daher in dieser Angelegenheit nichts mehr zu unternehmen (kläg. act. 5). Am 29. Juni 2007 stellte die B-GmbH der A-AG den Pauschalpreis von Fr. 3’230.- plus Mehrwertsteuer für das zweite Vertragsjahr mit einer Laufzeit vom 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2008 in Rechnung (kläg. act. 4). Diese Rechnung bezahlte die A-AG nicht (Beschwerde, 4).
2. Da anlässlich des Vorstandes vom 19. Dezember 2007 keine Einigung erzielt werden konnte (vi-act. 2), reichte die B-GmbH am 19. Februar 2008 beim Kreisgericht Klage ein mit dem Antrag, die A-AG sei zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 3’475.50 nebst Zins zu 5% seit 7. September 2007 zu bezahlen unter Kosten- und Entschädigungsfolge (Klage, 2). In ihrer Klageantwort vom 25. Februar 2008 beantragte diese die Abweisung der Klage und machte gleichzeitig Aufwands- und Schadenersatzansprüche von insgesamt Fr. 2’984.- geltend (Klageantwort, 2). Mit Entscheid vom 9. April 2008 hiess die Vorinstanz die Klage gut und verpflichtete die A-AG, der B-GmbH Fr. 3’475.50 nebst 5% Zins seit 26. September 2007 zu bezahlen. (…).
3. Gegen dieses Urteil, versandt am 16. Juni 2008, reichte die A-AG am 18. August 2008 fristgerecht Rechtsverweigerungsbeschwerde ein. Sie verlangt die Aufhebung des Entscheids des Kreisgerichtspräsidiums vom 9. April 2008 (…).

II.
(…).
2. Die Rechtsverweigerungsbeschwerde gemäss Art. 254 ff. ZPO ist ein unvollkommenes Rechtsmittel, welches keine allgemeine Überprüfung des angefochtenen Entscheids erlaubt. Es ist daher im Einzelnen darzulegen, welche formellen und/oder materiellen Rechtsverweigerungen geltend gemacht werden. Es gilt mithin das Rügeprinzip (vgl. Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, N 2b zu Art. 255 ZPO).
(…)

III.
Mit einer Rechtsverweigerungsbeschwerde können zum einen formelle Rechtsverweigerungen gerügt werden (Art. 254 Abs. 1 lit. a ZPO). Zum anderen kann geltend gemacht werden, ein Kreisgerichtspräsident habe bei der Ausübung seiner Befugnisse willkürlich gehandelt (Art. 254 Abs. 1 lit. c ZPO).
1. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, es liege eine formelle Rechtsverweigerung vor. Die Vorinstanz habe ihr rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihr keine Gelegenheit eingeräumt habe, zur – auf „zufällig vorhandenes“ Fachwissen gestützten, aber falschen – Auffassung des Gerichts, es handle sich vorliegend um Software, Stellung zu nehmen (Beschwerde, 11 Ziff. 16). Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, die Beschwerdeführerin habe weder im Schriftenwechsel noch anlässlich der mündlichen Hauptverhandlung eine gerichtliche Expertise beantragt. Im Rechtsverweigerungsverfahren sei es ausgeschlossen, neue Beweismittel zu beantragen. Zudem seien ihre Leistungen im Vertrag klar umschrieben (Stellungnahme, 9).
Das Gericht hat die rechtliche Qualifikation eines Vertrages von Amtes wegen vorzunehmen (vgl. gauch/schluep/schmid, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 9. Aufl., Nr. 1038; Entscheid des Bundesgerichts 4A 51/2007 vom 11. September 2007 E. 4.2). Hier hatte die Vorinstanz zu prüfen, ob der Inhalt des strittigen Vertrages die gesetzlichen Merkmale des Auftrages oder diejenigen des Werkvertrages erfüllt. Zur Abgrenzung zwischen diesen beiden Vertragstypen stellte die Vorinstanz namentlich auf das Versprechen eines Arbeitserfolges ab (vgl. Urteil, 4 Ziff. 3a). Sie kam in ihrem Entscheid zum Schluss, der zwischen den Parteien abgeschlossene Suchmaschinenoptimierungsvertrag sei als Werkvertrag zu qualifizieren, denn die Beschwerdegegnerin habe einen Erfolg zu erbringen gehabt, nämlich das verbesserte Ranking bei Suchmaschinen. In Bezug auf das Erfordernis der Herstellung eines Werkes führte die Vorinstanz aus, auch ein Vertrag über die entgeltliche Herstellung individueller auf die konkreten Bedürfnisse des Anwenders zugeschnittener Programme oder über die Anpassung vorhandener Software gelte als Werkvertrag (Urteil, 4 f.). Sinngemäss folgerte die Vorinstanz aus diesem Umstand, auch der vorliegende Suchmaschinenoptimierungsvertrag könne Gegenstand einer werkvertraglichen Leistung sein.
(…) Von einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs kann vorliegend keine Rede sein: (…).

2. a) Die Beschwerdeführerin kritisiert ferner, dass die Vorinstanz den Vertrag analog zu den Verträgen betreffend Softwareherstellung bzw. -anpassung unter die Werkverträge subsumiert hat. Gegenstand des strittigen SEO-Vertrages sei weder die Erstellung noch die Anpassung eines Computerprogramms. Die Dienstleistung, welche die Beschwerdegegnerin erbracht habe, sei als reine EDV-Anwendung zu verstehen. Die Vorinstanz habe denn den massgeblichen Sachverhalt, d.h. die Frage, ob es sich um Software handle oder nicht, willkürlich festgestellt bzw. das Recht willkürlich angewendet (Beschwerde, 6 f. Ziff. 5). Die Beschwerdegegnerin legt demgegenüber dar, das individuelle Kodieren, die Anpassung des HTML-Codes sowie das Konfektionieren der Keywords und deren Eintragung in die Suchdienste mit Hilfe der Software-Module sei als Werk zu betrachten. Nach einer individuellen Content-Analyse der Webseite mit Hilfe ihres WebAnalyzers habe sie Software Module programmiert. Das Software Modul sei ein Werk, dessen Einbau die Werksübergabe. Auch die konfektionierten und erfolgreich platzierten Keywords seien als Werk zu qualifizieren (Stellungnahme, 5).
Bei einem Auftrag hat der Beauftragte die ihm übertragenen Geschäfte vertragsgemäss zu besorgen (Art. 394 Abs. 1 OR), während sich beim Werkvertrag der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes und der Besteller zur Leistung einer Vergütung verpflichtet (Art. 363 OR). Das Werk wird als Ergebnis einer Tätigkeit bestimmt. Die Art der Tätigkeit spielt bei der Definition keine Rolle. Sie kann geistig oder körperlich, menschlich oder mechanisch, dauernd oder nicht, schwierig oder nicht sein. Es ist ferner unwesentlich, ob der Unternehmer Material liefern muss, ob er Eigentümer des Werkes bis zu seiner Übergabe ist. Das Vorliegen eines Werkes setzt jedoch voraus, dass die Tätigkeit ein Resultat erzeugt, das dem Besteller geliefert wird. Das Werk kann des Weiteren nicht nur darin bestehen, eine neue Sache zu schaffen, sondern unbestrittenermassen auch darin, eine bestehende Sache umzuändern, zu vergrössern, zu verbessern, zu renovieren, ihr neue Eigenschaften zu verleihen (BGE 130 III 458 E. 4 = Praxis 94 [2005] Nr. 41 E. 4; Entscheid des Bundesgerichts 4A 51/2007 vom 11. September 2007 E. 4.3; peter gauch, Der Werkvertrag, Nr. 24 ff. und Nr. 334 ff.; alfred koller, a.a.O., N 125 ff. und N 220 ff. zu Art. 363 OR; zindel/pulver, Basler Kommentar, N 1 ff. vor Art. 363 – 379 OR). Die Qualifikation als Werkvertrag hat aufgrund einer Analyse der im konkreten Fall vereinbarten Leistungen zu erfolgen.
(…)
Zu den Leistungspflichten der Beschwerdegegnerin gehörte zudem das Webhosting, d.h. das Zur-Verfügung-Stellen von Speicherkapazität für die Webseite der Beschwerdeführerin (vgl. markus dill, a.a.O., 1519). Der Website-Hosting-Vertrag gehört zu den sogenannten Internet-Verträgen (claire huguenin, Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. Aufl., N 1656). Im Überlassen von Speicherplatz liegt ein pachtrechtliches Element, wobei die gesamte Unterhaltspflicht im Gegensatz zur Pacht beim Hosting-Provider liegt (claire huguenin, a.a.O., N 1661).
Im Lichte dieser Erwägungen ist die Rechtsauffassung der Vorinstanz, die von der Beschwerdegegnerin erbrachten Leistungen könnten Gegenstand eines Werkvertrages sein (Urteil, 5), keineswegs willkürlich.
b) Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, seitens der Beschwerdegegnerin sei ein sorgfältiges und zielgerichtetes Tätigwerden in ihrem Interesse geschuldet gewesen, um nach Möglichkeit die Suchsituation für ihre Webseite zu verbessern. Von einer eigentlichen Erfolgsgarantie für Toppositionen sei im Vertrag keine Rede. Es könne lediglich von einem zielgerichteten Wirken die Rede sein. Bei einem SEO-Vertrag könne kein Arbeitserfolg garantiert werden. Nicht bestritten werde jedoch, dass eine Verbesserung des Ranking einer Webseite grundsätzlich möglich sei. Der SEO-Vertrag sei klarerweise als Auftrag einzuordnen (Beschwerde, 5 bis 8, Ziff. 2 bis 10). Die Beschwerdegegnerin ist demgegenüber der Ansicht, im strittigen Vertrag werde klar ein Arbeitserfolg versprochen, nämlich das verbesserte Ranking bei Suchmaschinen unter den vorher vereinbarten Suchbegriffen. Die Vorinstanz habe das vorliegende Rechtsverhältnis zu Recht als Werkvertrag und nicht als Auftrag qualifiziert (Stellungnahme, 5 f.).
Der Werkvertrag setzt begriffswesentlich das Versprechen eines Arbeitserfolgs voraus. Bei unkörperlichen Arbeitsergebnissen ist von einem Werkvertrag auszugehen, wenn das Resultat nach objektiven Kriterien überprüft und als richtig oder falsch qualifiziert werden kann. Dagegen ist von einem Auftrag auszugehen, wenn die Richtigkeit des Ergebnisses nicht objektiv überprüft werden kann (Entscheid des Bundesgerichts 4A 51/2007 vom 11. September 2007 E. 4.3).
Ziel des Vertrages war, die Keywords über periodische Fortschrittskontrollen in den Toppositionen der Suchdienste zu positionieren und dort zu halten. Gemäss Ziffer 1 der Vertragsbedingungen garantierte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin erste sichtbare Resultate 6 Wochen nach Aufschaltung der Neuprogrammierungen. In Ziffer 3 der Bedingungen ist zudem ein Reporting vorgesehen. Danach hatte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin nach erfolgter Eintragung einen Report per E-Mail zuzustellen (Ist-Zustand und Real Time-Zustand), damit sie Eintragungen und Platzierungen ihrer Webseite überprüfen konnte (kläg. act. 1). Die Qualität der Webseite der Beschwerdeführerin – unter dem Gesichtspunkt der Suchergebnisse -, und namentlich die Auswahl der geeigneten Suchbegriffe, ist eine nach objektiven Kriterien überprüfbare Leistung. Zudem ist es möglich, durch einen Vergleich der Suchresultate, vorgenommen zu verschiedenen Zeitpunkten, festzustellen, ob sich das Ranking verbessert hat (vgl. kläg. act. 8).
Zu bemerken ist, dass es sich hier um einen „Dauer-Werkvertrag“ handelte (kläg. act. 1; bekl. act. 1: Die erste Vertragsperiode betrug 15 bzw. 17 Monate). Dieser unterscheidet sich vom reinen Werkvertrag dadurch, dass die Herstellungspflicht des Unternehmers nicht auf ihr Ende durch Erfüllung angelegt, sondern eine Dauerschuld ist (alfred koller, a.a.O., N 174 zu Art. 363 OR; peter gauch, a.a.O., Nr. 322 f.). Für die hier zu beurteilenden Fragen ist dies jedoch ohne Belang.
Auch in Bezug auf das Kriterium des Arbeitserfolgs hat die Vorinstanz demnach den Vertrag richtig gewürdigt, und es kann ihr damit keine Willkür vorgeworfen werden.

VZ.2008.49
Quelle: www.gerichte.sg.ch