Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 1. Juni 1977

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Nicht amtliche Leitsätze: Prüfung der Gültigkeit einzelner Klauseln eines Leasingvertrages (über ein EDV-System)(E.8.). Anwendbarkeit der Bestimmungen zum Abzahlungsvertrag (E. 9)? Bedeutung eines im Liefervertrag zwischen Lieferanten und Anwender (und Leasingnehmer) vereinbarten Rücktrittrechtes für den Leasingvertrag (E. 10).

Verkürzter Sachverhalt: Im Entscheid ging es um die Lieferung Hard- und Software, die über einen Leasingvertrag finanziert wurde.
„2. Am 6.Juni 1973 unterzeichnete die Beklagte einen ihr von der T.AG unterbreiteten ,Kauf-Liefer-Vertrag‘ über einen Mael-Computer, Modell 4800. Ein Kaufpreis wurde nicht festgesetzt, sondern bestimmt, dass bei einer Leasingdauer von fünf Jahren ,pro Monat in Leasing‘ Fr.3224.50 zu bezahlen seien, zuzüglich 2,5 % Bearbeitungsgebühr im ersten Leasingmonat. In einem Zusatzvertrag vom 5.Juli 1973 bestellte die Beklagte sodann bei der T.AG die Programme für den Mael-Computer. Gestützt auf diese beiden Verträge beauftragte die T.AG mit Schreiben vom 23.Juli 1973 die Klägerin mit der Ausstellung eines Leasingvertrages zuhanden der Beklagten. Die Offerte zum Abschluss eines Leasingvertrages wurde der Beklagten hierauf mit Begleitschreiben der Klägerin vom 6.August 1973 zugestellt. Mit Begleitbrief vom 29. August 1973 sandte die Beklagte den Leasingvertrag mit den Unterschriften ihrer beiden Prokuristen J. und M. zurück. Einige Monate später, am 17. Mai 1974, installierte die T.AG die bestellte Computer-Anlage bei der Beklagten, welche die ordnungsgemässe Lieferung am 27.Mai 1974 bestätigte. Am 28.Mai 1974 bezahlte die Klägerin der T. AG den ihr von dieser bereits am 21.Dezember 1973 in Rechnung gestellten Kaufpreis für den Computer von Fr. 155 780.10. Die Beklagte leistete ihrerseits die im Leasingvertrag auf Fr. 3895.- festgesetzte Bearbeitungsgebühr sowie die Leasingzinsen von je Fr. 3349.- für die Monate Juni und Juli 1974.
Da sich die Lieferung der Programme durch die T. AG verzögerte, weigerte sich die Beklagte ab August 1974, weitere Leasingzinsen zu bezahlen, welche sodann im Einvernehmen mit der T.AG und der Klägerin bis zur ordnungsgemässen Ablieferung der Programme sistiert wurden. Als weitere Schwierigkeiten entstanden, erklärte die Beklagte am 10.Januar 1975 der T.AG gegenüber den Rücktritt vom Leasingvertrag. Die Klägerin erhielt am 13.Januar 1975 eine Kopie des Rücktrittschreibens. Verschiedene Verhandlungen unter den Beteiligten führten insofern zu einem Erfolg, als die Beklagte der T.AG Nachfrist bis 31.Mai 1975 ansetzte, um genau spezifizierte Programme zum Laufen zu bringen. Mit Schreiben vom 25.April 1975 akzeptierte die T.AG die Vergleichsofferte der Beklagten, wobei sie allerdings hinsichtlich des Termins zur Fertigstellung der Programme einen Vorbehalt anbrachte, den sie mit späteren Briefen dahin konkretisierte, dass sie sich beim 20.Juni 1975 behaften liess. Am 30.Mai 1975, dem letzten Arbeitstag im Mai, stellten die Beklagte und die T.AG in einem gemeinsam unterzeichneten Protokoll fest, dass das Programm mit Ausnahme von zwei Fehlern ordnungsgemäss erstellt worden sei. Obwohl diese beiden Fehler am nächsten Arbeitstag, dem 2.Juni 1975, behoben wurden, erklärte die Beklagte mit Schreiben ihres Anwaltes vom 2.Juni 1975 gegenüber der T.AG endgültig den Rücktritt vom Vertrag. Die T.AG akzeptierte den Rücktritt jedoch nicht und teilte der Klägerin ihrerseits mit, die Sistierung der Leasingzinsen sei mit Wirkung ab 1. Juni 1975 aufgehoben. Die Beklagte weigerte sich, die Zahlung der Leasingzinsen wieder aufzunehmen. Mit Schreiben vom 25.September 1975 mahnte die Klägerin erfolglos die Juli- und August-Zinsen 1975 von je Fr. 3349.- , worauf sie diese beiden Zinsbetreffnisse mit der vorliegenden Hauptklage einforderte. Widerklageweise fordert die Beklagte umgekehrt von der Klägerin die Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr sowie der Leasingzinsen für die Monate Juni und Juli 1974; ausserdem verlangt sie die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Unverbindlichkeit des Leasingvertrages vom 6.August 1973.
[…]

8. Weiter macht die Beklagte geltend, verschiedene der in den Allgemeinen Mietbedingungen (AMB) des Leasingvertrages enthaltenen Klauseln seien wegen Rechts- und Sittenwidrigkeit nichtig; da sie wesentliche Teile des Vertrages beträfen, sei der ganze Vertrag nichtig (Art. 20 Abs. 2 OR).

8.1. Letzteres ist von vornherein auszuschliessen. Die Klägerin hat wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, am Vertrag auch dann festzuhalten, wenn das Gericht einzelne seiner Klauseln als nichtig betrachten sollte. Da sämtliche beanstandeten Klauseln die Klägerin begünstigen und da sie zudem nicht die Essentialia des Vertrages berühren, kann auch nicht angenommen werden, die Beklagte hätte den Vertrag ohne diese Klauseln nicht geschlossen. In Frage kommt daher höchstens Teilnichtigkeit im Sinne der Nichtigkeit einzelner Vertragsklauseln. Diese sind im folgenden einzeln zu prüfen, auch wenn sie für den vorliegenden Rechtsstreit nur nebensächliche Bedeutung haben. Dabei kann sich die Prüfung nicht, wie es die Beklagte wünscht, auf die ‚mietvertragliche Qualifikation` beschränken, denn die unrichtige Bezeichnung als Mietvertrag ist gemäss Art. 18 Abs. 1 OR unbeachtlich.

8.2. Ziffer 2.2. der im Leasingvertrag der Parteien enthaltenen AMB lautet:
,Dieser Vertrag wird unter der Bedingung abgeschlossen, dass die Mietobjekte geliefert werden. Tritt in der Lieferung eine Verspätung von mehr als 2 Monaten ein, so hat die Vermieterin das Recht, ohne Entschädigung vom Vertrag zurückzutreten.‘ Die Beklagte betrachtet diese Klausel als rechts- und sittenwidrig, weil sie nur der Klägerin ein Rücktrittsrecht einräume und daher den Grundsatz der Parteiparität verletze. Die Beklagte übersieht jedoch, dass der Grundsatz der Parteiparität unter dem Regime der Vertragsfreiheit nur dort zum Zuge kommt, wo eine Partei ihre Stellung rechtsmissbräuchlich ausnützt (Merz N. 327 zu ZGB 2). Solches ist hier nicht der Fall. Vielmehr entspricht es der beim Finanzierungs-Leasing gegebenen Interessenlage, dass die Leasinggesellschaft, die keinen Einfluss auf die Festsetzung des Liefertermins hat, sich das Recht vorbehält, bei erheblicher Überschreitung des ihr bekanntgegebenen Termins vom Vertrag zurückzutreten. Der Leasingnehmer wird dadurch nicht etwa schutz- und rechtlos (vgl. dazu hinten Erw. 8.3 und 8.6. zu Ziffer 2.3. und 5.3. der AMB des Leasingvertrages).

8.3. Ziffer 2.3. der AMB lautet:
,Ansprüche wegen verspäteter Übergabe der Mietsachen sind an den Lieferanten und nicht an die Vermieterin zu richten. Demgemäss haftet die Vermieterin nicht aus Lieferungsverzug. Dagegen verpflichtet sie sich, dem Mieter sämtliche Ansprüche gegenüber dem Lieferanten aus dem Kaufvertrag zu zedieren.‘ Was die Beklagte gegen diese Klausel vorbringt, beruht auf einem offensichtlichen Missverständnis. Bei dem im letzten Satz von Ziffer 2.3. erwähnten Kaufvertrag handelt es sich um den zwischen dem Lieferanten und Leasinggeber T. AG und der Klägerin als Leasinggesellschaft abgeschlossenen Kaufvertrag und nicht, wie die Beklagte annimmt um den Kauf-Liefer-Vertrag, den sie selbst mit der T.AG abgeschlossen hat. Die Abtretung von Ansprüchen gegen die T.AG aus dem von dieser mit der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrag stellt keineswegs etwas Unmögliches dar. Dass die Klägerin im übrigen eine Haftung für Lieferungsverzug ablehnt, entspricht der beim Finanzierungs-Leasing gegebenen Interessenlage und wirkt keineswegs anstössig (Giger Leasingvertrag S.75 und 95f.).

8.4. Ziffer 3.2. der AMB lautet:
,Mit dem Mietzins dürfen keinerlei Gegenforderungen des Mieters an die (Leasinggesellschaft) oder an den Lieferanten (= T. AG) zur Verrechnung gestellt werden.‘
Die Beklagte stellt hierzu selber fest, dass gemäss Art.126 OR auf Verrechnung zum voraus gültig verzichtet werden kann. In diesem Sinne hat die Beklagte durch Unterzeichnung des Leasingvertrages darauf verzichtet, allfällige Gegenansprüche gegen die Klägerin mit den Leasingzinsen zu verrechnen. Soweit sie jedoch Forderungen gegen den Lieferanten T.AG geltend machen will, steht Ziffer 3.2. dem nicht entgegen. Die Klausel hält lediglich die selbstverständliche Tatsache fest, dass die Beklagte Forderungen, die sie gegenüber der T.AG geltend machen will, nicht mit dem der Klägerin geschuldeten Mietzins‘, d. h. nicht mit den Leasingzinsen verrechnen darf (Giger Leasingvertrag S. 93). Das ist nicht rechtswidrig, sondern wie gesagt selbstverständlich.

8.5. Ziffer 3.3. und 4.3. der AMB lauten:
,3.3. Die Miete ist auch dann geschuldet, wenn die Mietobjekte aus irgendwelchen Gründen nicht benutzt werden können.
4.3. Defekte und/oder Betriebsstörungen berechtigen den Mieter nicht, während der betreffenden Zeit die Bezahlung des Mietzinses einzustellen oder eine Reduktion des vertraglichen Mietzinses zu verlangen.
Ebenso wenig kann er im Falle eines Betriebsunterbruchs aus irgend einem Grunde eine Entschädigung von der Vermieterin fordern.‘
Die Beklagte betrachtet diese Klauseln als mit Art. 255 bzw. 254 OR unvereinbar. Wenn der Mietgegenstand in einem Zustand übergeben wird, der den vertragsgemässen Gebrauch ausschliesst oder erheblich schmälert, ermöglichen diese Bestimmungen dem Mieter den Rücktritt vom Mietvertrag oder berechtigen ihn, eine Herabsetzung des Mietzinses zu verlangen. Zweifellos widersprechen die Ziffern 3.3. und 4.3. diesen Bestimmungen des OR. Die Beklagte übersieht aber, dass Art. 254/255 OR kein zwingendes Recht darstellen, wie sich unter anderem zweifelsfrei aus der in Art. 254 Abs. 3 OR erwähnten Ausnahme ergibt (Guhl/Merz/Kummer, OR, S. 354). Ein Ausschluss der Gewährleistung ist deshalb rechtlich durchaus zulässig. Er ist zudem aber auch beim Leasingvertrag sachlich begründet. Wie vorn in Erw. 4.2. dargelegt, weist das Finanzierungs-Leasing starke Verwandschaft mit einer Kreditgewährung auf. Hätte die Beklagte den Computer selbst von der T.AG gekauft, sich den Kaufpreis jedoch von der Bank kreditieren lassen, so wäre sie ihrer Bank gegenüber zur Verzinsung und Amortisation des Kredites unabhängig davon verpflichtet gewesen, ob der gekaufte Computer funktioniert oder nicht; Ansprüche aus Gewährleistung wären ihr nur gegenüber dem Verkäufer des Computers zugestanden. Da die Interessenlage beim Leasingvertrag ähnlich ist, lässt sich der Ausschluss jeder Gewährleistung seitens der Leasinggesellschaft sehr wohl begründen.

8.6. Die Beklagte betrachtet auch die Ziffern 5.1. – 5.4. der AMB über die Gewährleistung als krass rechts- und sittenwidrig. Sie lauten:
,5.1. Mängel, die anlässlich der Lieferung (Ziffer 1.2.) oder im Laufe der Benützung des Mietobjektes festgestellt werden, sind dem Lieferanten unverzüglich zu melden. Von allen Briefen ist der Vermieterin eine Kopie zuzustellen.
5.2. Im Falle solcher Mängel haftet die Vermieterin weder für direkte noch indirekte Schäden.
5.3. Die (Leasinggesellschaft) ermächtigt den Mieter, und dieser verpflichtet sich, alle ihr gegen den Lieferanten zustehenden Ansprüche aus Gewährleistung, Garantien, Service, Verzug und dergleichen auf eigene Kosten fristgemäss gegen den Lieferanten geltend zu machen. Der Mieter haftet der (Leasinggesellschaft) für Schäden, die ihr aus der Unterlassung der rechtzeitigen Mängelrüge und/oder der Geltendmachung der Ansprüche entstehen.
5.4. Ansprüche gemäss Ziff. 5.3. (ausgenommen im Falle der Wandlung) entbinden den Mieter nicht von der Einhaltung seiner vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der (Leasinggesellschaft). Insbesondere berechtigen sie ihn nicht, für die Zeit des Ausfalles oder der Leistungsreduktion der Mietgegenstände eine Sistierung oder Ermässigung des Mietzinses zu verlangen. Bei Wandelung des Kaufvertrages fällt der Leasing-Vertrag dahin.‘
Im Besonderen läuft die Beklagte gegen Ziffer 5.3. Sturm. Auch hier verkennt sie jedoch die beim Finanzierungs-Leasing gegebene Interessenlage. Die beanstandeten Klauseln ziehen lediglich die Konsequenz daraus, dass dem Leasingnehmer nach dem Willen aller Beteiligten die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers des Leasingobjektes zukommen soll. Dann ist es aber nur folgerichtig, dass der Leasingnehmer – und nicht die Leasinggesellschaft – sämtliche Ansprüche gegen den Leasinggeber selbst geltend machen muss, wobei es sich, wie vorn in Erw. 8.3. erwähnt, um die Ansprüche aus dem zwischen der Leasinggesellschaft und dem Leasinggeber abgeschlossenen Kaufvertrag handelt (Giger Leasingvertrag S. 75ff.).

8.7. Ziffer 6.1. der AMB lautet:
,Während der Mietdauer trägt der Mieter die Gefahr für Beschädigung, Verlust und Abhandenkommen der Mietgegenstände und die sich infolge des Ausfalles ergebenden Nachteile ohne Rücksicht darauf, ob der Schaden auf ein Verschulden von ihm, seiner Angestellten, Hilfspersonen oder Dritter zurückzuführen ist, oder durch Zufall, höhere Gewalt etc. verursacht worden ist. Der Mieter ist während der Zeit des Ausfalles der Mietgegenstände von der Zahlung des Mietzinses nicht entbunden.‘
Es trifft zu, dass diese Klausel eine von Art. 257 Abs.l OR abweichende Regelung trifft. Art. 257 Abs.1 OR stellt jedoch kein zwingendes Recht dar. Immerhin ist nicht ganz einzusehen, weshalb die Klägerin auch das Risiko für zufälligen Untergang und zufällige Beschädigung des Leasinggegenstandes auf die Beklagte abwälzt. Es handelt sich hier um typische Eigentümerrisiken, so dass die beim Finanzierungsleasing gegebene besondere Interessenlage gerade nicht für eine abweichende Regelung sprechen würde, liegt doch der Klägerin als Leasinggesellschaft sehr viel an ihrer Stellung als Eigentümerin des Leasinggegenstandes (Giger Leasingvertrag S.100ff.). Die Beklagte hat den Allgemeinen Mietbedingungen jedoch vollumfänglich zugestimmt und damit auch die Risikoabwälzung in Ziffer 6. l. akzeptiert. Weitere Ausführungen über die Gültigkeit dieser Klausel erübrigen sich daher, zumal die Beklagte aus deren allfälliger Ungültigkeit nichts Konkretes zu ihren Gunsten ableitet und auch nicht ableiten kann, da im vorliegenden Falle der Leasinggegenstand ja nicht durch Zufall untergegangen oder beschädigt worden ist.

8.8. Die Ziffern 6.2. Abs. 1 und 8.1. der AMB lauten:
,6.2. Der Mieter ist verpflichtet, sich vor Übernahme der Mietgegenstände gegen die vorgenannten Risiken und Schadenfälle ausreichend zu versichern sowie die Mietgegenstände in seine Unternehmer-Haftpflicht-Versicherung einzuschliessen. Die Mietgegenstände sind zum Neuwert zu versichern.
8.1. Der Mieter ist verpflichtet, die Mietgegenstände sofort nach Beendigung des Vertrages in gereinigtem, vollständigem und ordnungsgemässem Zustand der (Leasinggesellschaft) zurückzugeben. Der Rücktransport erfolgt auf Kosten und Risiko des Mieters.‘
Die Beklagte betrachtet sich gestützt auf die vorn in Erw. 7 wiedergegebene Argumentation als Eigentümerin des Computers. Wenn sie dies tatsächlich wäre, würden Ziffer 6.2. und 8.1. der AMB in der Tat etwas Unmögliches verlangen, da eine Unternehmer-Haftpflicht-Versicherung den Eigentümer nicht gegen die Folgen von Verlust, Beschädigung oder Abhandenkommen der ihm gehörenden beweglichen und unbeweglichen Sachen schützt, und da der Eigentümer einer Sache nicht zu deren Rückgabe an einen Dritten verpflichtet werden kann. In Erw. 7 ist jedoch einlässlich begründet worden, dass die Beklagte nicht Eigentümerin des Computers geworden ist. Diesfalls schützt ihre Unternehmer-Haftpflicht-Versicherung sie sehr wohl gegen die genannten Risiken, und unter diesen Umständen konnte sie sich auch ohne weiteres zur Rückgabe des Leasinggegenstandes nach Vertragsablauf verpflichten. Ebenso hat es bei dieser Sachlage seinen guten Sinn, wenn die Klägerin sich in Ziffer 9 lit. b der AMB verpflichtet hat, der Beklagten den Leasinggegenstand bei Vertragsablauf auf Wunsch zum Kauf anzubieten.

8.9. Zusammengefasst ergibt sich, dass die von der Beklagten beanstandeten Vertragsklauseln einer kritischen Überprüfung standhalten. (…).

9. Wiederholt vertritt die Beklagte in ihren Rechtsschriften die Auffassung, beim Leasingvertrag handle es sich um ein verkapptes Abzahlungsgeschäft.

9.1. Gemäss Art.226m Abs. 1 OR gelten die Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag für alle Rechtsgeschäfte und Verbindungen von solchen (. . .), soweit die Parteien damit die gleichen wirtschaftlichen Zwecke wie bei einem Kauf auf Abzahlung verfolgen, gleichgültig, welcher Rechtsform sie sich dabei bedienen. Bis vor kurzem war es in der massgebenden Literatur kaum umstritten, dass der Leasingvertrag unter die von Art. 226m Abs.1 OR anvisierten Rechtsgeschäfte fällt (Schönenberger/Schmid N.31 Vorbem. zu OR 253-274; Hausheer in ZBJV 106 S.226ff.; Schubiger N.173; Stofer S.155). Selbst wenn man dieser Ansicht folgen wollte, darf daraus aber nicht, wie es die Beklagte fälschlicherweise tut, gefolgert werden, der Leasingvertrag stelle einen Abzahlungskauf dar. Dass es sich beim Leasingvertrag nicht um einen Kauf handelt, wurde vorn in Erw.7 eingehend dargelegt. Es stellt sich deshalb nur die Frage, ob die Beklagte aus den Bestimmungen des OR über den Abzahlungsvertrag – vorliegend anwendbar sind gemäss Art.226m Abs.4 OR nur die Art.226h Abs.2, 226i Abs.1 und 226k OR – etwas für sich ableiten könnte. Das tut sie indessen nicht einmal selbst. Es ist denn auch nicht einzusehen, inwiefern die in den betreffenden Vorschriften geregelten Rechte des Veräusserers bei Verzug des Erwerbers die Beklagte von der Bezahlung der Leasingzinsen befreien könnten. Denkbar wäre höchstens die Gewährung von Zahlungserleichterungen (Art. 226k OR), doch werden solche von der Beklagten nicht verlangt.

9.2. In seinem soeben erschienenen und in den vorstehenden Erwägungen wiederholt zitierten Werk über den Leasingvertrag vertritt Giger indessen im Gegensatz zum bisherigen Schrifttum die Auffassung, die Normen über den Abzahlungsvertrag seien auf den Finanzierungsleasingvertrag überhaupt nicht anwendbar (Hans Giger, Der Leasingvertrag, Bern 1977, S.37ff.). Er begründet dies hauptsächlich mit dem fehlenden Sozialschutzbedürfnis des Leasingnehmers, weist aber zudem nach, dass die allenfalls in Frage kommenden Schutzvorschriften (Art 226h Abs.2, 226i Abs.1 und 226k OR) weitgehend auf Kaufverträge zugeschnitten sind und deshalb beim Leasingvertrag als einem Gebrauchsüberlassungsvertrag sui generis praktisch wirkungslos bleiben. Die Kontraverse braucht hier jedoch nicht entscheiden zu werden, da die Beklagte aus den Normen über den Abzahlungsvertrag wie erwähnt nichts zu ihren Gunsten ableitet.

10. Im Vertragszusatz vom 5.Juli 1973, mit dem die Beklagte bei der T.AG die Programme für den Mael-Computer bestellte, findet sich am Schluss folgende Klausel:
,Sollte die T.AG den Nachweis einer befriedigenden Funktionstüchtigkeit der im Pflichtenheft beschriebenen Programme nicht erbringen, so kann die (Beklagte) von einer Anlieferung der Mael-Computeranlage Abstand nehmen und sich vom Liefervertrag zurückziehen.‘
Die Beklagte behauptet, es sei der T.AG nicht gelungen, den Funktionsnachweis für ihre Programme zu erbringen, weshalb sie berechtigt gewesen sei, unter Berufung auf die vorerwähnte Klausel mit Schreiben vom Juni 1975 an die T. AG endgültig vom Leasingvertrag zurückzutreten. Bevor der Rücktritt der Beklagten vom Vertrag auf seine Berechtigung hin geprüft wird, fragt sich, ob die Klägerin sich die Klausel im Vertragszusatz vom 5.Juli 1973 überhaupt entgegenhalten lassen müsse.

10.1. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe Kenntnis von den zwischen der T.AG und der Beklagten bestehenden Abmachungen gehabt. Aus den Akten ergibt sich indessen das Gegenteil. Demnach wusste die Klägerin nur durch das an sie gerichtete Schreiben der T.AG vom 23.Juli 1973, was für einen Computer die Beklagte ausgewählt hatte und welche Leasingkonditionen die Parteien des Kauf-Liefer-Vertrages vom 6.Juni 1973 miteinander vereinbart hatten. Erst am 15.August 1974, d.h. ungefähr ein Jahr nach Abschluss des Leasingvertrages erhielt die Klägerin durch Zustellung einer Kopie des Briefes der Beklagten an die T. AG vom 12.August 1974 nähere, jedoch keineswegs vollständige Kenntnis über die Abmachungen zwischen der T. AG und der Beklagten; insbesondere wurde ihr auch in jenem Zeitpunkt keine Kopie der Vereinbarungen zwischen der T.AG und der Beklagten vom 6.Juni und 5. Juli 1973 zugestellt. Der vom 6.August 1973 datierte eigentliche Leasingvertrag enthält deshalb keinerlei Vorbehalte hinsichtlich der Eignung der Programme zum vorgesehenen Gebrauch. Auf Ziffer 5.3. der Allgemeinen Mietbedingungen des Leasingvertrages (vgl. den Wortlaut vorn Erw. 8.6.) kann sich die Beklagte offensichtlich nicht stützen, denn von einer Wandelung des zwischen der T. AG und der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrages, welche den Leasingvertrag automatisch dahinfallen lassen würde, kann keine Rede sein. Andere Tatbestände muss sich die Klägerin jedoch nach dem Wortlaut des Leasingvertrages nicht entgegenhalten lassen.

10.2. Auch ausserhalb des Wortlautes des Leasingvertrages lassen sich keine Gründe finden, die die Beklagte zum Rücktritt vom Leasingvertrag mit der Klägerin berechtigen würden. Insbesondere bindet die im Vertragszusatz vom 5. Juli 1973 enthaltene Klausel nur die T. AG und nicht die Klägerin. Gemäss Art. 1 Abs. 1 OR entstehen vertragliche Bindungen nur durch gegenseitige übereinstimmende Willensäusserungen. Unbestrittenermassen hat die Klägerin gegenüber der Beklagten nie eine Erklärung abgegeben, wonach sie den Leasingvertrag als aufgehoben betrachte, wenn die von der T. AG gelieferten Programme nicht funktionieren sollten. Auch Treu und Glauben verpflichten die Klägerin nicht, in einem solchen Falle auf die Einforderung der Leasingzinsen zu verzichten. Sie hat ja ihre Leistungen ordnungsgemäss erbracht, indem sie der T.AG den Kaufpreis des Computers bezahlt und der Beklagten die Anlage zur Verfügung gestellt hat.

10.3. Es ergibt sich somit, dass die Beklagte der Klägerin ein allfälliges Nichtfunktionieren der von der T.AG gelieferten Programme nicht entgegenhalten kann. Sie hat der Klägerin somit die Leasingzinsen nach Massgabe des vom 6.August 1973 datierten Leasingvertrages zu bezahlen. Unter diesen Umständen erübrigt es sich, im vorliegenden Prozess auf die Frage einzugehen, ob die Programme unbrauchbar waren bzw. ob sie verspätet geliefert wurden. Sollte die Beklagte auf dieser Ansicht beharren wollen, so hat sie ihre Ansprüche gegen die T.AG geltend zu machen. Ergibt sich im Prozess gegen die T.AG, dass die Programme die im Pflichtenheft festgehaltenen Anforderungen nicht oder nicht rechtzeitig erfüllen, so wird die T.AG der Beklagten unter anderem den durch die unnütze Bezahlung der Leasingzinsen entstandenen Schaden gestützt auf ihre Zusicherung im Vertragszusatz vom 5.Juli 1973 ersetzen müssen. Im vorliegenden Prozess hat die T.AG jedoch keine Parteistellung, denn ihr ist lediglich von der Klägerin der Streit verkündet worden. Die allein im Verhältnis Beklagte – T.AG bedeutsame Frage der Funktionstüchtigkeit der Programme ist daher nicht weiter zu prüfen. Immerhin sei angemerkt, dass das Protokoll vom 30.Mai 1975 kaum einen genügenden Titel für den Rücktritt vom Vertrag abgeben dürfte, konnten doch die beiden darin festgehaltenen Programmierungsfehler am nächsten Arbeitstag innert einer halben Stunde behoben werden. Es kann daher sehr wohl die Ansicht vertreten werden, bei den festgestellten Fehlern handle es sich um Mängel des Werkes, die der Unternehmer im Rahmen seines Nachbesserungsrechtes nachträglich noch verbessern durfte (Art.36S Abs.2 OR).
Im übrigen verdient festgehalten zu werden, dass die T.AG sämtliche Kosten übernommen hat, die durch die Sistierung des Leasingvertrages in der Zeit von August 1974 bis und mit Mai 1975 entstanden sind.
Damit hat die T. AG die Beklagte für die Verzögerung bei der Lieferung der ,software‘ zumindest hinsichtlich ihrer Verpflichtungen gegenüber der Klägerin aus dem Leasingvertrag schadlos gehalten.

11. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Hauptklage gutzuheissen und die Widerklage abzuweisen ist.»

Quelle: ZR 1977, Nr. 50
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