A Sachverhalt
1. Der […] erstattete dem Sekretariat der Wettbewerbskommission (nachfolgend: Sekretariat) eine Meldung gestützt auf Art. 33 Verordnung vom 24. Oktober 2012 über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens der Bundesverwaltung (Org-VöB; SR 172.056.15) betreffend das angebliche Vorliegen einer Marktaufteilung im Bereich Wartung und Support von Produkten der Firma FalconStor Software GmbH, München (nachfolgend: FalconStor Software). […]
2. FalconStor Software bietet Produkte im Bereich der Speicher-Virtualisierung (insbesondere Virtual-Tape-Library, nachfolgend: VTL) sowie der Datensicherung an. […]
7. Auslöser der Meldung war eine für die […] in Aussicht gestellte und später versagte Offertstellung der Firma […] für die Wartung und den Support der bereits eingesetzten FalconStor VTL-Software.
Die […] ist kein Partner von FalconStor Software. In einer der Meldung bei gelegten Erklärung führte die […] aus, dass es gemäss „FalconStor-Policy“ nicht erlaubt sei, eine Wartungsofferte einem Kunden zu unterbreiten, der bereits FalconStor Systeme im Einsatz habe und bei dem ein anderer FalconStor-Partner mit der Wartung beauftragt sei. Des Weiteren erwähnte die […], dass die Restriktion nur für bereits existierende Installationen gelte und in Zusammenhang mit den von FalconStor Software vorgegebenen und einheitlichen Wartungskosten stehe.
8. Aufgrund der Notwendigkeit der Begründung für die freihändige Vergabe des Auftrags verlangte der […] von der FalconStor Software eine Bestätigung, dass aus Sicht von FalconStor Software einzig […] als Anbieterin in Betracht falle. Daraufhin bestätigte die FalconStor Software, dass […] derzeit der designierte FalconStor-Partner und Lieferant für […] sei (vgl. Abbildung 2). Folglich wurde […] mit der Wartung der FalconStor Produkte beauftragt.
Abbildung 2: Auszug des Briefes vom 17.10.2012 von FalconStor Software an […]
Hiermit bestätigen wir dass die […] derzeit der designierte FalconStor Partner und Lieferant für […] ist. Die Firma […] verfügt über die Voraussetzungen und die Befugnis Wartung für FalconStor Produkte abzuschliessen und zu verlängern.
[…]
9. Am 12. Februar 2013 hat das Sekretariat eine Vorabklärung eröffnet. Aus der Meldung geht hervor, dass es erstens den FalconStor-Partnern untersagt ist, Wartung und Support bei bestehenden Kunden von FalconStor Software zu erbringen, und zweitens die Wartungskosten von FalconStor Software einheitlich vorgegeben sind. Um weitere Informationen zu beschaffen, hat das Sekretariat einen Fragebogen an FalconStor Software sowie an […] gesendet. Am gleichen Tag informierte das Sekretariat das Bundeskartellamt über die Eröffnung der Vorabklärung gegen FalconStor Software.
10. Im Antwortschreiben von FalconStor Software bestreitet diese den untersagten Wechsel des bestehen den FalconStor-Partners nach Einkauf der Software sowie die einheitlich vorgegebenen Preise. FalconStor Software führt aus, dass Kunden auch nach Erwerb der FalconStor Produkte den betreuenden offiziellen FalconStor-Partner wechseln könnten. Voraussetzung für einen offiziellen FalconStor-Partner sei die Unterzeichnung eines Vertrags sowie die Ausbildung des technischen Personals. Ein FalconStor-Partner könne eine Unterbeauftragung vornehmen, dies bedinge jedoch die Qualifizierung und Zustimmung von FalconStor Software.
11. Des Weiteren führte FalconStor Software aus, dass die Wartungspreise gestützt auf den Preis des erworbenen Produktes (als Prozentsatz davon) berechnet werden. In Bezug auf die vorgegebenen Preise hält FalconStor Software fest, dass die Wartungskosten gegenüber ihren Partnern […] berechnet werden, die Wartungskosten jedoch für die Endkunden nicht gleich blieben. FalconStor Software betonte zudem, dass sie keine Vorgaben mache, zu welchem Preis ihr Partner an Endkunden offerieren soll. […]
B Erwägungen
B.1 Geltungsbereich
[…]
B.2 Vorbehaltene Vorschriften
[…]
B.3 Unzulässige Wettbewerbsabrede über Preise und Kunden
18. Welche Gegebenheiten als Wettbewerbsabreden im Sinne des Kartellgesetzes zu qualifizieren sind, bestimmt sich nach Art. 4 Abs. 1 KG. Liegt eine solche vor, folgert nicht automatisch, dass auch ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vorliegen würde. Unter welchen Voraussetzungen eine Wettbewerbsabrede unzulässig ist, ergibt sich vielmehr erst aus Art. 5 KG.
19. Laut Art. 5 Abs. 1 KG sind Abreden, die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen, sowie Abreden, die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen, unzulässig. Bei bestimmten vertikalen Wettbewerbsabreden, d.h. Abreden zwischen Gesellschaften verschiedener Marktstufe, wird dabei die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs vermutet (Art. 5 Abs. 4 KG).
B.3.1 Wettbewerbsabrede
20. Als Wettbewerbsabreden gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken (Art. 4 Abs. 1 KG).
21. Eine Wettbewerbsabrede definiert sich daher durch zwei Tatbestandselemente: a) ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der an der Abrede beteiligten Unternehmen und b) die Abrede bezweckt oder bewirkt eine Wettbewerbsbeschränkung.
22. Die vertraglichen Beziehungen zwischen FalconStor Software und ihren Partnern sind auf den Zweck zurückzuführen, ein Netzwerk von Partnergesellschaften, welche sich als Distributoren mit dem Handeln von FalconStor Produkte sowie mit deren Wartung beschäftigen, zu gründen. Damit die Qualität der Wartung gesichert werden kann, schult FalconStor Software die Mitarbeiter ihrer Partner. Die Partner sind aufgrund des Business Partner Agreement (vgl. Art. 10) nur für der 1st Level Support (sogenannte Helpdesk) zuständig, welcher durch die Vorauswahl der Probleme (d.h. das Sammeln von Daten und die Analyse beim Auftreten von Fehlern und Systemproblemen) und deren schnelle Lösung gekennzeichnet ist. Solche Probleme werden weitestgehend selbständig bearbeitet, es ist aber auch möglich (Fern-)Unterstützung vom 2nd Level Support (in casu durch FalconStor Software) zu bekommen. Der 2nd und 3rd Level Support werden dagegen durch FalconStor Software selber erbracht: Der 2nd Level Support hat die Aufgabe, nebst der Unterstützung des 1st Level Supports komplexere Anfragen zu lösen. Der 3rd Level Support hingegen befasst sich mit den komplexen Anfragen, welche den Kenntnisstand oder die technischen Möglichkeiten des 2nd Level Support übersteigen (z.B. ein Eingriff in den Programmcode).
23. Aufgrund dieser vertraglichen Beziehungen zwischen FalconStor Software und ihren Partnern ist das Tatbestandselement des bewussten und gewollten Zusammenwirkens gegeben.
24. FalconStor Software ist wie oben geschildert der Hersteller von VTL-Software. Die FalconStor-Partner sind Unternehmen, welche die Produkte von FalconStor Software vertreiben und dazu die Wartung erbringen.
25. Somit betreffen solche mutmasslichen Abreden zwischen FalconStor Software und ihren Partnern den Support von FalconStor Produkten und wären aufgrund der verschiedenen Marktstufen der Teilnehmer als vertikale Absprachen zu qualifizieren und grundsätzlich dazu geeignet, Wettbewerbsbeschränkungen zu bezwecken oder zu bewirken.
B.3.1.1 Unzulässige Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5 KG
26. Bezüglich vertikaler Preisabreden ist dabei gemäss Art. 5 Abs. 4 KG die Beseitigung des Wettbewerbs zu vermuten. Daraus folgt, dass zunächst zu prüfen ist, ob eine solche Preisabrede vorliegt und ob entsprechend die Vermutungsfolge greift. Ist dies nicht der Fall oder lässt sich die Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung widerlegen, ist anschliessend zu prüfen, ob eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegt, die sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lässt.
B.3.1.2 Unzulässige Wettbewerbsabrede über Preise
27. Laut Art. 5 Abs. 4 KG wird die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs bei Abreden zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen über Mindest- oder Festpreise vermutet.
28. Wie oben ausgeführt, hat das Sekretariat FalconStor Software mit dem Vorwurf, einheitliche Preise gegenüber den Kunden festgelegt zu haben, konfrontiert, woraufhin diese im Rahmen der Stellungnahme die mutmassliche einheitliche Preisfestsetzung bestritten hat. In ihrem Fragebogen hat FalconStor Software die Partnerschaftsvereinbarungen (Business Partner Agreement, vgl. Rz. 22) beigelegt, wobei diese keine Klauseln zu den Preisen beinhalten. Weiter führt FalconStor Software aus, dass die Wartungskosten gegenüber ihren Partnern […] berechnet werden, die Wartungskosten jedoch für die Endkunden nicht gleich blieben.
29. Das Sekretariat hat zudem eine Befragung der Kunden von FalconStor Software durchgeführt. Diese wurden unter anderem danach gefragt, ob FalconStor Software die Wartungspreise festlegt. Eine knappe Mehrheit der Kunden hat geantwortet, dass FalconStor Software die Wartungspreise festlegt, wobei etwa ein Drittel davon sich nach Rücksprache mit den jeweiligen Wartungsunternehmen auf dessen Aussagen gestützt und weniger als die Hälfte davon vermuteten, dass FalconStor Software die Preise festlegt. Die Minderheit hat dagegen geantwortet, dass die Wartungsunternehmen die Preise festlegen. Einigen Kunden war unbekannt, wer die Preise festlegt.
30. Dementsprechend fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine vertikale Preisabrede gemäss Art. 5 Abs. 4 KG zwischen FalconStor Software und den FalconStor-Partnern sowie für eine Beseitigung oder eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs gemäss Art. 5 Abs. 1 KG.
B.3.1.3 Unzulässige Wettbewerbsabrede über Kunden
31. Gestützt auf die vorhandenen Informationen besteht kein Hinweis auf ein Verbot von Passivverkäufen gemäss Art. 5 Abs. 4 KG, weshalb direkt zu prüfen ist, ob die Tatsache, dass den FalconStor-Partnern untersagt sei, Wartung und Support von FalconStor Software bei Kunden mit bestehenden Wartungsverträgen mit anderen FalconStor-Partnern zu erbringen, eine Wettbewerbsabrede i.S.v. Art. 5 Abs. 1 KG darstellt, und ob genügend Anhaltspunkte vorliegen, um eine Untersuchung zu eröffnen (vgl. Art. 27 Abs. 1 KG).
32. Wie oben ausgeführt, besteht zwischen FalconStor Software und den FalconStor-Partnern ein Vertrag (siehe Partnerschaftsvereinbarung, Rz. 22), nach welchem die offiziellen Partner Wartung und Support für FalconStor Software erbringen dürfen. Aus dem Vertrag geht aber nicht hervor, dass es den FalconStor-Partnern verboten ist, einem potentiellen Kunden, welcher bereits Wartung und Support von einem anderen FalconStor-Partner bezieht, eine Offerte zu unterbreiten, oder ob eventuell Kunden an bestimmte Partner-Unternehmen durch FalconStor Software zugeteilt werden.
33. Aus Sicht der Kunden steht ihnen beim Kauf von FalconStor Produkten die Möglichkeit offen, einen Wartungsvertrag mit einem Drittanbieter abzuschliessen, wie es aus den Antworten einer Minderheit an befragten Kunde hervorgeht. Ein Drittanbieter erbringt für die Kunden den 1st Level Support, hingegen werden 2nd und 3rd Level Support durch FalconStor Software abgedeckt (vgl. Rz. 22). Zumindest aufgrund eines Teils der befragten Kunden kann gefolgert werden, dass die Kunden nicht durch FalconStor Software an den Partnern zugeteilt werden, sondern, dass sie ihren FalconStor-Partner frei wählen können. Die Wahl eines einzigen FalconStor-Partners für den Kauf und die Wartung ist aber für die Kunden einfacher, da die Beschaffung und die Wartung vom selben Unternehmen erbracht werden. Zusätzlich sind FalconStor-Partner zertifiziert und geschult, weshalb die Wartungsdienstleistung für den Kunden wertvoll ist. Dagegen könnte die Wahl eines Drittanbieters für den Kauf eines FalconStor Produktes unter Umständen problematisch werden, da sich der Drittanbieter zuerst mit FalconStor-Partnern (Distributoren) in Verbindung setzten und nach den gesuchten Produkten fragen muss. Auch die Wartung durch Drittanbieter könnte problematisch sein, da diese nicht auf den Produkten geschult sind.
34. Eine knappe Mehrheit der Kunden hat ferner gesagt, dass die FalconStor Produkte auch ohne entsprechenden Wartungsvertrag erworben werden können. Jedoch haben manche Kunden angegeben, dass sich ein solcher Vorgang aus technischen Gründen nicht lohnt.
35. Die Kunden wurden auch gefragt, wie sie das wartende Unternehmen gewählt haben, vor allem ob diese Wahl durch FalconStor Software in irgendeiner Weise beeinflusst worden ist. Die Mehrheit der Kunden hat geantwortet, dass sie das wartende Unternehmen selber aus einer Liste von FalconStor-Partnern gewählt haben. Einige Kunden hatten schon vor der ersten Beschaffung eines FalconStor-Produktes Geschäftsbeziehungen mit dem entsprechenden FalconStor-Partner.
36. Darüber hinaus sehen die Verträge zwischen Kunden und den FalconStor-Partnern keine Klausel vor, welche es den Kunden verbietet, das wartende Unternehmen zu wechseln. In der Tat haben manche Kunden im Fragebogen angegeben, dass sie das wartende Unternehmen bereits gewechselt und einen anderen Partner von FalconStor Software mit der Wartung beauftragt haben. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass selbst […], welche die Meldung an das Sekretariat ausgelöst hat, bereits von einem FalconStor-Partner […] zu einem anderen Wartungsunternehmen […] übergegangen ist, als sie den Wartungsvertrag im Jahr 2012 verlängerte.
37. Aus den obigen Erwägungen kann verneint werden, dass die Kunden einem bestimmten Partner-Unternehmen zugeteilt werden und dass es anderen FalconStor-Partnern nicht erlaubt ist, Wartung und Support bei bestehenden Kunden zu erbringen. Laut Angaben der Kunden, der […] sowie von FalconStor Software geht dagegen hervor, dass es den Kunden frei steht, das wartende Unternehmen zu wechseln und entweder einen anderen FalconStor-Partner oder einen Drittanbieter mit der Wartung zu beauftragen oder gar auf eine Wartung zu verzichten.
38. Somit bestehen keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung gemäss Art. 5 Abs. 1 KG vorliegt.
B.3.2 Ergebnis
39. Im vorliegenden Fall liegen somit keine hinreichenden Indizien für eine unzulässige Wettbewerbsabrede, weder betreffend die Preisfestsetzung noch die Kundenzuteilung beziehungsweise das Wartungsverbot bei bestehenden Kunden, vor. […]
Quelle: RPW 2015/1, S. 76 ff.
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