Einzelrichter des Kantonsgerichts Zug Verfügung vom 4. Mai 2011

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Nicht amtliche Leitsätze: Auswirkungen des Zuwartens mit Rechtsbegehren durch die Klägerin – offen gelassen; keine Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes bei grundsätzlich bezifferbarem Schaden (E. 4.2). Bei Computerprogrammen ist der sachliche Umfang der (internationalen) Erschöpfung auf das Veräusserungsrecht eingegrenzt; der rechtmässige Erwerber eines Werkexemplars hat nur ein Veräusserungs-, nicht jedoch ein Vermiet- oder ein Verleihrecht. Die Überlassung eines Programmexemplars auf unbestimmte Zeit gegen Bezahlung einer einmaligen „Lizenzgebühr“ ist als Veräusserung zu werten, sofern der „Lizenzgeber“ keine Verfügungsmacht mehr über die Programmkopie hat und keine Rückgabepflicht besteht. Beispiele für Regelungen, die nicht zur definitiven Aufgabe der Sachherrschaft führen. Vertragliche Veräusserungsbeschränkungen sind nur inter partes wirksam. Aus der zwingenden Natur des Erschöpfungsgrundsatzes folgt, dass der Rechtsinhaber die Weiterveräusserung des Programmexemplars urheberrechtlich nicht verbieten kann. Kann die „Lizenznehmerin“ die bezogenen Programmexemplare im Falle einer Kündigung des Vertrages weiterhin nutzen und bestehen keine Rückgabepflichten, ist dies ein klares Indiz für eine Veräusserung und damit keine zeitlich limitierte Gebrauchsüberlassung. Der Weiterverkauf von Programmexemplaren (und der Folgehandel), an denen Erschöpfung eingetreten ist, ist aus urheberrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Der Online-Vertrieb von Software ist der Inverkehrsetzung von physischen Programmexemplaren im Hinblick auf die Erschöpfung gleichgestellt (E. 5.1).

Die Urheberin kann sich nicht dem Vertrieb von Programmexemplaren, die mit ihrer Zustimmung in Verkehr gesetzt wurden und deren Datenträger von der Ersterwerberin richtigerweise als von der Urheberin stammende Programmexemplare gekennzeichnet wurden, unter markenrechtlichen Gesichtspunkten widersetzen (E. 5.2)

Mit dem zulässigen Weiterverkauf der mit Zustimmung der Gesuchstellerin in Verkehr gesetzten Programmexemplare wird auch das Nutzungsrecht daran übertragen. Eine vom Zweiterwerber ausgestellte „Lizenzurkunde“ suggeriert keine Lizenzierung des Programmexemplars durch die Urheberin. (E. 5.3).

Sachverhalt

1. Mit Gesuch vom 19. November 2010 beantragte die Gesuchstellerin den superprovisorischen Erlass vorsorglicher Massnahmen mit dem folgenden Rechtsbegehren:

„1. Es sei der Gesuchsgegnerin unter Androhung von Art. 292 StGB im Falle des Ungehorsams zu verbieten,

1.1 ohne Einwilligung der Gesuchstellerin hergestellte Exemplare/Kopien

a) des Computerprogrammpaketes „…“ und

b) des Computerprogrammpaketes „…“ und

c) der in den Computerprogrammpaketen gemäss Rechtsbegehren Ziffer 1.1 lit. a und b enthaltenen Einzelprogrammen

– „…“

– „…“

– „…“

[…]

sowie

d) sämtlicher Vorgängerversionen, Upgrades und/oder Updates zu den Computerprogrammpaketen und Einzelprogrammen gemäss Rechtsbegehren Ziffer 1.1 lit. a, b und c anzubieten, zu verkaufen und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen;

1.2 ohne Einwilligung der Gesuchstellerin hergestellte Exemplare/Kopien sämtlicher Computerprogramme mit den Zeichen

– „…“

– „…“

– „…

[…]

Anzubieten, zu verkaufen und/oder sonst wie in Verkehr zu bringen.

2. Die Gesuchsgegnerin sei unter Androhung von Art. 292 StGB im Falle des Ungehorsams zu verpflichten, der Gesuchstellerin Auskunft zu erteilen über Namen und Adressen von Herstellern, Lieferanten und anderen Vorbesitzern, von denen die Gesuchsgegnerin die Produkte gemäss Rechtsbegehren Ziffer 1.1 bezieht bzw. bezogen hat, sowie über Namen und Adressen der Kunden, an welche die Gesuchsgegnerin die Produkte gemäss Rechtsbegehren Ziffer 1.1 vertreibt bzw. vertrieben hat.

3. Die Gesuchsgegnerin sei unter Androhung von Art. 292 StGB im Falle des Ungehorsams zu verpflichten, alle Produkte gemäss Rechtsbegehren Ziffer 1.1 an das Gericht oder an eine vom Gericht zu benennende Stelle zur vorläufigen Verwahrung herauszugeben.

4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Gesuchsgegnerin.“

2. Mit Verfügung vom 19. November 2010 gab das Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, diesen Anträgen teilweise statt und ordnete ohne Anhörung der Gesuchsgegnerin die in Ziff. 1 des vorstehenden Rechtsbegehrens beantragten Verbote an. Im Übrigen wurde das Begehren auf superprovisorischen Erlass vorsorglicher Massnahmen abgewiesen.

3. In der Gesuchsantwort vom 10. Dezember 2010 schloss die Gesuchsgegnerin auf kostenfällige Abweisung des Gesuchs um Erlass vorsorglicher Massnahmen, soweit darauf einzutreten sei. Eventualiter sei die Gesuchstellerin zu verpflichten, eine Sicherheit in der Höhe von CHF 300’000.– zu leisten. In prozessualer Hinsicht stellte die Gesuchsgegnerin den Antrag, die superprovisorisch erlassenen vorsorglichen Massnahmen seien umgehend, ohne Anhörung der Gesuchstellerin, aufzuheben.

4. Diesen prozessualen Antrag wies das Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, mit Verfügung vom 13. Dezember 2010 ab, was in der Verfügung vom 27. Januar 2011 richtiggestellt wurde.

5. In der Replik vom 14. Januar 2011 hielt die Gesuchstellerin an ihrem Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen fest.

6. Mit Verfügung vom 25. Februar 2011 verpflichtete das Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, die Gesuchstellerin auf entsprechenden Antrag der Gesuchsgegnerin zur Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung in der Höhe von CHF 15’500.–.

7. In der Duplik vom 24. März 2011 bekräftigte die Gesuchsgegnerin ihren Standpunkt und reichte neue Belege ein, zu denen die Gesuchstellerin in der Vernehmlassung vom 7. April 2011 Stellung nahm.

Erwägungen

1. […]

2. Über die Anordnung vorsorglicher Massregeln ist im summarischen Verfahren zu befinden […]

3. Gemäss § 129 Ziff. 3 ZPO-ZG in Verbindung mit Art. 65 URG kann das Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, auf Begehren einer Partei und sofern die Berechtigung der Verfügung glaubhaft gemacht wird, Verfügungen treffen, die dazu dienen, andere als auf Geld oder Sicherheitsleistung gerichtete fällige Rechtsansprüche zu schützen, wenn bei nicht sofortiger Erfüllung ihre Vereitelung oder eine wesentliche Erschwerung ihrer Befriedigung zu befürchten ist oder dem Berechtigten ein erheblicher, nicht leicht zu ersetzender Schaden oder Nachteil droht. Glaubhaft zu machen sind entsprechend a) der Anspruch, der durch eine vorsorgliche Massnahme geschützt werden soll, und b) der Verfügungsgrund, d.h. die Gefährdung dieses Anspruchs bei nicht sofortigem Eingreifen des Richters (Meier, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, Zürich 1982, S. 131 ff.; Ernst, Die vorsorglichen Massnahmen im Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht, Diss. Zürich 1992, S. 58 ff.; Alder, Der einstweilige Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, Diss. Bern 1993, S. 82 ff.).

4. Analog einer Prozessvoraussetzung ist vorab abschliessend über den Verfügungsgrund zu befinden, bevor der materiellrechtliche Anspruch überhaupt zu untersuchen ist (Alder, a.a.O., S. 90). Bei der Prüfung des Verfügungsgrundes sind der voraussichtliche Nachteil der Gesuchstellerin bei Nichterlass der beantragten Massnahme und der voraussichtliche Nachteil des Gesuchsgegners bei Erlass einer nicht gerechtfertigten Massnahme gegeneinander abzuwägen (Berti, a.a.O., S. 225; Leupold, a.a.O., S. 273).

4.1 Mit Bezug auf den Verfügungsgrund führt die Gesuchstellerin u. a. Folgendes an ([…]):

„66. Der für die Gesuchstellerin drohende nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil durch die Handlungen der Gesuchsgegnerin ist offensichtlich. Die Gesuchsgegnerin vertreibt nachweislich Raubkopien der Software der Gesuchstellerin. Durch diesen Vertrieb ist der Gesuchstellerin bereits ein hier nicht weiter zu beziffernder Schaden entsprechend dem mit dem widerrechtlichen Vertrieb der Raubkopien wegfallenden Marktanteil entstanden. Weil der Vertrieb solcher „Produkte“ den eigentlichen Gesellschaftszweck bildet (…) und das Geschäftsmodell der Gesuchsgegnerin darstellt, muss natürlicherweise davon ausgegangen werden, dass die Gesuchsgegnerin dieses widerrechtlichen Vertrieb fortsetzt, weshalb der Gesuchstellerin weiterhin Schaden und weitere nicht leicht wieder gutzumachende Nachteile drohen. Mit diesem illegalen Vertrieb entsteht im Markt der Eindruck, ein solcher Vertrieb sei rechtens, und die Rechte der Gesuchstellerin seien gar nicht mehr oder nicht im tatsächlich bestehenden Ausmass geschützt. Es besteht dadurch auch die Gefahr, dass das illegale Geschäftsmodell der Gesuchsgegnerin von weiteren Gesellschaften verfolgt wird, was für die Gesuchstellerin offensichtlich verheerende Folgen hätte. Im Weiteren kann das widerrechtliche Vorgehen der Gesuchsgegnerin vor dem Hintergrund der Unkenntnis der Gesuchstellerin in Bezug auf die Qualität dieser Raubkopien zu Haftungsfällen und insbesondere einem massiven Imageschaden der Gesuchstellerin im Markt führen (…).

67. Weil davon ausgegangen werden muss, dass die Gesuchsgegnerin diesen widerrechtlichen Vertrieb ohne richterliches Verbot weiterführen wird, und weil durch diese andauernde Rechtsverletzung für die Gesuchstellerin ein laufend zunehmender Schaden mit einhergehender, kaum wieder gut zu machender Marktverwirrung und bleibendem Imageschaden droht, besteht für den Anspruch der Gesuchsgegnerin grosse Dringlichkeit.“

„132. Dass mit dem illegalen Vertrieb von Produkten der Gesuchsgegnerin logischerweise und zwingend ein Verlust ihrer Marktanteile verbunden ist, bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen. Wie die Gesuchstellerin im Hauptprozess diese (bereits verlorenen) Marktanteile „zurückerlangen“ kann, wie die Gesuchsgegnerin sinniert, ist nicht nachvollziehbar. Angesichts der Vielzahl von Prozessen, in welche die Gesuchsgegnerin über ihre Tochterunternehmen involviert ist und in welchen diese bisher ausnahmslos unterlegen waren, dürfte sodann der Erhalt von Schadenersatz massiv gefährdet sein.

133. Dass Erwerber dieser Raubkopien etwaige Qualitätsmängel dieser Produkte nicht mit der Gesuchstellerin in Verbindung bringen würden, ist ebenso abwegig, wie in Abrede stellen zu wollen, dass sich durch diesen Handel der Gesuchsgegnerin, gerade wegen der zwingenden Verbindung zur Gesuchstellerin, keine Haftungsfälle ergeben könnten.

134. Die Marktverwirrung entsteht einerseits durch den Anschein der Rechtmässigkeit des vorliegend beanstandeten Handels mit Produkten der Gesuchstellerin. Durch die selbst fabrizierten „Lizenzurkunden“ wird dieser Anschein noch verstärkt, obwohl diese Dokumente so wertlos und irreführend sind wie diese notariellen Bestätigungen. Denn auch diese „Lizenzurkunden“ vermögen keine Rechtmässigkeit des Lizenzerwerbs zu kreieren. Diese „Lizenzurkunden“ erwähnen nicht einmal, dass es sich um gebrauchte Software handelt bzw. halten nicht einmal die Rechtekette fest, sondern beschränken sich auf lapidare Angaben wie das Lieferungsdatum, das Produkt, die Rechnungsnummer und dergleichen und erwähnen insbesondere nicht, dass es sich um Education Lizenzen handelt. Über die Wertlosigkeit einer solchen Urkunde kann auch kein Hologramm hinwegtäuschen. Für den Normalverbraucher hat dieses Dokument jedoch den Anschein eines offiziellen Charakters und ist deshalb hochgradig irreführend und wettbewerbswidrig.“

4.2 Vorab ist festzuhalten, dass die Auseinandersetzung zwischen den Parteien seit längerer Zeit andauert. Bereits am 14. Oktober 2009 brachte die Gesuchstellerin durch einen Angestellten der A GmbH in Erfahrung, dass die […]-Gruppe, zu welcher auch die Gesuchsgegnerin gehört, was der Gesuchstellerin aufgrund der mitgelieferten Notariellen Bestätigung (KB 14) schon damals bekannt sein musste, in den Handel mit angeblichen Raubkopien der streitgegenständlichen Software involviert ist (vgl. KB 15). Das veranlasste die Gesuchstellerin, die deutsche Schwestergesellschaft der Gesuchstellerin, die B GmbH, ins Recht zu fassen. Mit Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 2009 wurde der B GmbH auf dem Wege der einstweiligen Verfügung verboten, die auch Gegenstand des vorliegenden Massnahmebegehrens bildenden Computerprogramme anzubieten und/oder feilzuhalten und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen. Gleichzeitig wurde der B GmbH aufgegeben, der Gesuchstellerin innerhalb einer Woche ab Zustellung der einstweiligen Verfügung über die Menge der hergestellten, erhaltenen und ausgelieferten oder bestellten Computerprogramme und über die Namen und Adressen von Herstellern, Lieferanten und anderen Vorbesitzern sowie den gewerblichen Abnehmern oder Auftraggebern Auskunft zu erteilen (KB 9a). Mit Faxschreiben vom 28. Dezember 2009 teilte die B GmbH der Gesuchstellerin mit, dass die Gesuchsgegnerin ihre Lieferantin sei (BB 30). Die Gesuchstellerin wusste also spätestens seit diesem Zeitpunkt vom Handel der Gesuchsgegnerin mit angeblichen Raubkopien der streitgegenständlichen Software. Unerheblich ist. wann die Gesuchstellerin vom Ausmass dieses Handels erfahren hat, denn gegen die B GmbH ging sie auch vor, ohne vom Ausmass des Handels Kenntnis zu haben. Ganz abgesehen davon sind die diesbezüglichen Angaben der Gesuchstellerin ohnehin widersprüchlich. Während ihre Ausführungen im Gesuch vom 19. November 2010 den Eindruck erwecken, es sei schon im Rahmen des am 6. Januar 2010 abgeschlossenen Verfahrens vor dem Landgericht Frankfurt am Main festgestellt worden. dass die Gesuchsgegnerin weit über 1’000 Raubkopien von der C GmbH erworben habe (vgl. Beilage 1, S. 12, Ziff. 40), trug die Gesuchstellerin in der Duplik vor, die B GmbH habe erst in der Berufungsbegründung im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Fran[k]furt am Main Ausführungen dazu gemacht (Beilage 7, S. 32, Ziff. 138). Würde man auf die Angaben in der Duplik abstellen, erlangte die Gesuchstellerin wohl im Januar oder Februar, allerspätestens aber im März 2010 Kenntnis vom Ausmass des Handels mit den angeblichen Raubkopien, denn das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erging am 22. Juni 2010 (KB 9c). Von der sicheren Kenntnis der Gesuchstellerin vom beanstandeten Softwarehandel der Gesuchsgegnerin bis zur Einreichung des vorliegenden Massnahmegesuchs verstrichen demnach mindestens elf Monate; seit mindestens acht Monaten vor Einreichung des Massnahmegesuchs kannte die Gesuchstellerin das Ausmass des Softwarehandels. Man könnte sich daher fragen, ob nicht bereits das Zuwarten der Gesuchstellerin mit der Einreichung des vorliegenden Massnahmebegehrens gegen die angeführte Dringlichkeit und den behaupteten Verfügungsgrund spricht. Wie es sich damit verhält, kann indessen aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:

Aus den Ausführungen der Gesuchstellerin zu den behaupteten Urheberrechtsverletzungen ergibt sich, dass die Gesuchsgegnerin nur Unternehmen mit Sitz im Ausland mit den angeblichen Raubkopien der streitgegenständlichen Computerprogramme belieferte, nämlich ihre Schwestergesellschaft B GmbH (vgl. BB 10-13) sowie die in London domizilierten D. (vgl. BB 22 und 23). Von Verkäufen an schweizerische Abnehmer wird hingegen nichts erwähnt. Ist aber zweifelhaft, ob ein Vertrieb der betreffenden Software das Gebiet der Schweiz überhaupt tangiert, so ist auch nicht glaubhaft, dass der Gesuchstellerin auf dem Schweizer Markt ein Schaden entstehen könnte, welcher ihr durch Geld nicht voll ausgeglichen werden kann (vgl. Alder, a.a.O., S. 86). Ohnehin fehlen im Gesuch Ausführungen des Inhalts, dass und inwiefern der Gesuchstellerin ein Schaden entstehen kann, der einer richterlichen Schadensschätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR nicht zugänglich ist (vgl. dazu Leupold, a.a.O., S. 270). Die Gesuchstellerin könnte zwar wegen des Handels der Gesuchsgegnerin mit den angeblichen Raubkopien ihrer Computerprogramme Marktanteile verlieren, die sie jedoch ohne grössere Anstrengung zurückerlangen könnte, falls sie in einem ordentlichen Verfahren obsiegen würde und potentielle Abnehmer die streitgegenständlichen Computerprogramme alsdann nicht mehr bei der Gesuchsgegnerin beziehen könnten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Schaden aus den zwischenzeitlich eingetretenen Umsatzverlusten der Gesuchstellerin oder die Gewinne, welche die Gesuchsgegnerin nach Massgabe der Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag bei einem Unterliegen im ordentlichen Verfahren an die Gesuchstellerin herauszugeben hätte, nicht beziffern oder zumindest abschätzen lassen sollten. Die Gesuchstellerin führt auch zu wenig konkret aus, warum die Gesuchsgegnerin nach Abschluss eines ordentlichen Verfahrens nicht mehr in der Lage sein sollte, der Gesuchstellerin einen allfällig entstandenen Schaden zu ersetzen oder unrechtmässigen Gewinn herauszugeben. Entsprechender Ausführungen hätte es schon deshalb bedurft, weil es unter der Herrschaft der Verhandlungsmaxime nicht angehen kann, bloss pauschal bzw. unsubstanziiert einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil zu behaupten (zu den Zwecken der Substanziierungslast ausführlich: Affolter, Die Durchsetzung von Informationspflichten im Zivilprozess, Diss. Bern 1994, S. 108 ff.; vgl. auch Troller, Die einstweilige Verfügung im Immaterialgüterrecht, in: Richter und Verfahrensrecht, Bern 1991, S. 314, mit weiteren Hinweisen). Zur Begründung der drohenden Illiquidität der Gesuchsgegnerin verweist die Gesuchstellerin bloss unbestimmt auf eine Vielzahl von Prozessen, in welche die Gesuchsgegnerin über ihre Tochterunternehmen involviert sei, ohne diese Prozesse im Einzelnen zu benennen. Aktenkundig sind einzig die in Deutschland hängigen Prozesse der Gesuchstellerin und der E gegen die B GmbH (KB 9a-c und BB 32), bei der es sich aber nicht um eine Tochter-, sondern um eine Schwestergesellschaft der Gesuchsgegnerin handelt. Inwiefern die Gesuchsgegnerin (finanziell) davon betroffen sein könnte, legt die Gesuchstellerin nicht dar. Sollte die B GmbH die besagten Prozesse verlieren, muss deswegen das Geschäftsmodell der Gesuchsgegnerin noch nicht zum Scheitern verurteilt sein, denn die Gesuchstellerin macht nicht geltend, der Handel mit gebrauchter Software sei per se unzulässig. Vielmehr stellt sie sich auf den Standpunkt, dass die Gesuchsgegnerin mit Blick auf die streitgegenständlichen Computerprogramme gerade nicht mit Gebrauchtsoftware, sondern mit Raubkopien handle.

Inwieweit der Handel der Gesuchsgegnerin mit den angeblichen Raubkopien zu einer Ausweitung von Haftungsfällen sowie einem Imageschaden der Gesuchstellerin führen könnte, leuchtet nicht ein. Die Vorlieferantin der Gesuchsgegnerin, die C GmbH, bestellte die Computerprogramme bei einer von der Gesuchstellerin autorisierten Händlerin, der F GmbH (BB 3). Sollte die von der F GmbH hernach online an die C GmbH gelieferte Software (vgl. BB 4-6) bereits bei der Übermittlung Qualitätsfehler aufgewiesen haben, so haftet die Gesuchstellerin dafür ohnehin, d.h. unabhängig davon, ob die Weiterveräusserung der Programme an die Gesuchsgegnerin rechtens war oder nicht. Sollte hingegen der Qualitätsfehler erst bei der von der C GmbH vorgenommenen Speicherung auf einen mobilen Datenträger (CD-Rom oder DVD) aufgetreten oder dieser selbst defekt sein, kann die Gesuchstellerin eine Haftung ablehnen. Die Haftungsfrage beurteilt sich mithin unabhängig von den hier in Frage stehenden Urheberrechtsverletzungen. Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Image der Gesuchstellerin darunter leiden sollte, wenn der für jedermann ohne weiteres erkennbar nicht von ihr stammende Datenträger oder die nicht von ihr darauf gespeicherten Programme mangelhaft sein sollten. Weil es sich bei den von der Gesuchsgegnerin vertriebenen Datenträgern offensichtlich nicht um Originaldatenträger der Gesuchstellerin handelt, kann — soweit ersichtlich — auch keine Marktverwirrung auftreten. Der von der Gesuchsgegnerin vertriebene Datenträger sieht völlig anders aus als der Originaldatenträger und wird in einer mit der Firma der Gesuchsgegnerin deutlich gekennzeichneten Verpackung geliefert (vgl. KB 12). Deshalb dürfte es sich bei dem von der Gesuchsgegnerin vertriebenen Datenträgern nicht um ein Produkt handeln, von dem der Abnehmer annimmt, dass es von der Gesuchstellerin oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen stammt oder auch bloss von ihr autorisiert ist. Daran ändert auch die von der Gesuchstellerin ohnehin als wertlos bezeichnete Lizenzurkunde (KB 13) nichts, mit der auf jeden Fall nicht der Anschein erweckt wird, das Produkt sei von der Gesuchstellerin lizenziert. Soweit der Abnehmer zur Annahme gelangt, der Handel mit derartigen Datenträgern sei auch ohne die Zustimmung der Gesuchstellerin rechtlich unbedenklich, liegt nicht eine Marktverwirrung, sondern höchstens ein Rechtsirrtum vor, der die von der Gesuchstellerin befürchteten Nachahmungsgeschäfte begünstigen könnte. Hier geht es jedoch einzig um den Verlust von Marktanteilen, von dem nach dem oben Gesagten nicht erhärtet ist, dass er einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil darstellt. Dem Gesuch kann somit schon mangels Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes nicht stattgegeben werden.

5. Im Übrigen hat die Gesuchstellerin, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch den Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

5.1 Die Gesuchstellerin stützt ihren Unterlassungsanspruch zunächst auf Art. 10 Abs. 2 lit. b URG, wonach der Urheber eines Werks, namentlich eines Computerprogramms, das ausschliessliche Recht hat, Werkexemplare anzubieten, zu veräussern oder sonst wie zu verbreiten. Diese Ausschliesslichkeit des Verbreitungsrechts wird allerdings durch den in Art. 12 URG verankerten Erschöpfungsgrundsatz eingeschränkt. Erschöpft im Sinne dieser Bestimmung heisst, dass der Urheber mit bzw. ab der Veräusserung eines Werkexemplars sein Recht verloren hat, über dessen weitere Verbreitung bestimmen zu können: das diesbezügliche Recht ist erloschen, erschöpft, nicht aber alle übrigen Rechte am betreffenden Werk. So ist die freie Zirkulation jener Werkexemplare gewährleistet, die vom oder mit Zustimmung des Urhebers in Umlauf gesetzt worden sind (vgl. Pfortmüller, Urheberrechtsgesetz (URG), Bern 2006, N 1 zu Art. 12 URG). Der Erschöpfungsgrundsatz gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung international. Das bedeutet, dass nicht nur eine Erstinverkehrsetzung in der Schweiz, sondern auch eine solche im Ausland beachtlich ist, und der Rechtsinhaber den (Parallel-)Import eines im Ausland verkauften Werkexemplars in die Schweiz dulden muss (vgl. BGE 124 III 321 ff.). Bei Computerprogrammen ist der sachliche Umfang der (internationalen) Erschöpfung auf das Veräusserungsrecht eingegrenzt, womit der rechtmässige Erwerber eines Werkexemplars lediglich ein Veräusserungs-, nicht jedoch ein Vermiet- oder ein Verleihrecht hat (vgl. Pfortmüller, a.a.O., N 14 zu Art. 12 URG).

Eine Veräusserung (mit Erschöpfungswirkung) liegt nur bei einer sachenrechtlichen Übereignung eines Werkexemplars vor. Dazu gehören Verkauf, Tausch und Schenkung, nicht aber die blosse Gebrauchsüberlassung. Ob eine Veräusserung vorliegt, entscheidet nicht in erster Linie die Benennung des Vertrages, vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung der vertraglichen Pflichten wie etwa die Wartung, die Gewährleistung oder die Verpflichtung zur Weiterentwicklung vorzunehmen (vgl. Pfortmüller, a.a.O., N 3 zu Art. 12 URG). Bezahlung in Teilbeträgen und eine Pflicht zur Rückgabe des Werkexemplars deuten auf eine blosse Gebrauchsüberlassung hin — in diesem Fall tritt keine Erschöpfung ein. Die Überlassung eines Programmexemplars auf unbestimmte Zeit gegen Bezahlung einer einmaligen „Lizenzgebühr“ ist dagegen als Veräusserung zu werten, sofern der „Lizenzgeber“ keine Verfügungsmacht mehr über die Programmkopie hat und keine Rückgabepflicht besteht. Der Anwendungsbereich echter Lizenzverträge, bei denen die notwendigen Programmexemplare und die dazugehörigen Dokumentationen nur leihweise abgegeben werden, erstreckt sich vor allem auf standardisierte branchenspezifische Softwarelösungen, nicht auf im Detailhandel erhältliche Massenware (Neff/Arn, in: SIWR 11/2, S. 246 f.). In der Praxis kommen zahlreiche vertragliche Regelungen vor, welche je für sich allein oder in ihrer Kombination deutlich machen, dass der Anbieter seinem Vertragspartner nicht einfach die definitive Sachherrschaft über ein Programmexemplar verschaffen, sondern ihm lediglich den Gebrauch der Software unter bestimmten vertraglichen Auflagen während der Dauer des Vertrages erlauben will. Dabei ist etwa an die folgenden Regelungen zu denken: Verpflichtung des Erwerbers, das Computerprogramm von all seinen Systemen zu löschen bzw. erhaltene Programmträger dem Anbieter zurückzugeben, wenn der betreffende Vertrag abläuft oder in Folge von Kündigung oder Rücktritt aufgelöst wird; Unterstützungspflicht des Anbieters während der Vertragslaufdauer bei der Behebung von Softwarefehlern und der Verbesserung von Programmversionen; laufende Wartung und Erweiterung des Computerprogramms während der Vertragsdauer. Solche und ähnliche Vertragsgestaltungen sind als blosse Überlassung zum Gebrauch auf Zeit zu qualifizieren. Die Abgrenzung zwischen erschöpfungsauslösender Veräusserung und anderen Formen der Überlassung von Computerprogrammen ist eigentlich klar, wenn man sich die dahinterstehende Wertung vor Augen hält. Wer vom rechtmässigen Erwerber für die zeitlich unbegrenzte Nutzung eines seiner Sachherrschaft überlassenen Programmexemplars das verlangte Entgelt erhalten hat, erleidet keinerlei wirtschaftliche Einbusse, wenn nicht mehr der Erwerber, sondern an seiner Stelle ein anderer dasselbe Programmexemplar übertragen erhält und nutzt. Die Erschöpfungswirkung wird also immer dann eintreten, wenn der entsprechende Vertrag die zeitlich unlimitierte Nutzung eines dem Erwerber überlassenen Programmexemplars und die vollständige Abgeltung dieser Nutzung durch den Erwerber vorsieht, selbst wenn dies unter einem Softwarelizenzvertrag geschieht und der Erwerber an bestimmte Nutzungsbeschränkungen gebunden bleibt (vgl. Rauber, in: Streuli-Yousseff, Urhebervertragsrecht, Zürich/Basel/Genf 2006, S. 157 f.). Sobald eine Veräusserung vorliegt, tritt Erschöpfung willensunabhängig, endgültig und nicht verhinderbar ein. Die Folgen der Erschöpfung können nur verhindert werden, indem ihre Voraussetzungen vermieden werden (vgl. Caduff, Die urheberrechtlichen Konsequenzen der Veräusserung von Computerprogrammen, Diss. Bern 1997, S. 45 f.). Vertragliche Veräusserungsbeschränkungen sind nur inter partes wirksam. Aus der zwingenden Natur des Erschöpfungsgrundsatzes folgt, dass der Rechtsinhaber die Weiterveräusserung des Programmexemplars urheberrechtlich nicht verbieten kann (vgl. Rauber, a.a.O., S. 161; BGE 124 111321 E. 3).

Die Vorlieferantin C GmbH bestellte bei der von der Gesuchstellerin autorisierten Händlerin F GmbH am 3. Juni 2009 diverse Exemplare der streitgegenständlichen Computerprogramme der Gesuchstellerin (BB 3). Am 5. Juni 2009 bestätigte die F GmbH der C GmbH die Bestellung (BB 4). Am 9. Juni 2009 übermittelte die F GmbH der C GmbH einen Lieferschein mit einer Auflistung der bestellten Artikel sowie die Lizenzdaten zu deren Aktivierung (BB 5). Mit diesen Lizenzdaten wurde die C GmbH in die Lage versetzt, die bestellten Programmexemplare vom Internet herunterzuladen. Für den entsprechenden Download erhielt die C GmbH von der F. GmbH noch am gleichen Tag eine Rechnung über insgesamt EUR 367‘342.79 (BB 6). Die Bestellung der C GmbH erfolgte auf Grundlage des zwischen der G Limited und der H am 9. November 2006 geschlossenen Mitgliedsvertrages zum Vertragslizenzprogramm für Bildungseinrichtungen (BB 2). Danach war die C GmbH als „verbundene Einrichtung“ der H berechtigt, von der F GmbH Softwareprodukte der Gesuchstellerin (zu Vorzugskonditionen) zu beziehen (vgl. BB 2, Ziff. 2.3 und 2.6). Nach Ansicht der Gesuchstellerin sind dieser Mitgliedsvertrag und das „End User License Agreement“ (EULA; BB 26), auf welches im Mitgliedsvertrag an mehreren Stellen ausdrücklich verwiesen werde, so konzipiert, dass der C GmbH die bestellten Programmexemplare lediglich zum Gebrauch überlassen und nicht übereignet wurden, was anhand des Vertragstexts zu ermitteln ist. Für eine Gebrauchsüberlassung sprechen nach dem Dafürhalten der Gesuchstellerin Ziff. 1.6, 1.9, 2.4 lit. a. Ziff. 3, insb. 3.4 des Mitgliedsvertrages, Ziff. 5-9 der Anlage B des Mitgliedsvertrages und Ziff. 2.1-2.5, 2.7, 2.8, 4.1-4.6, 13, 15.3 und 15.6-15.8 des EULA.

Die Auffassung der Gesuchstellerin kann nicht geteilt werden. Ziff. 1.6 des Mitgliedsvertrages stellt eine reine Begriffsdefinition für den Begriff „Endbenutzer“ dar. In Ziff. 2.2 lit. d wird hingegen festgehalten, dass das Programm-Mitglied und die verbundenen Einrichtungen Endbenutzer, d. h. solche Benutzer sein müssen, die die Produkte für den Eigengebrauch und nicht für den Vertrieb erwerben. Dabei handelt es sich um eine vertragliche Veräusserungsbeschränkung, die aber keinen Einfluss darauf hat, ob die C. GmbH die definitive Sachherrschaft über die von ihr bestellten Programmexemplare und ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht daran erlangt hat. Die Verwendung des Begriffs „Lizenz“ ist für die Vertragsqualifikation nicht weiter beachtlich. Es wird auch bei Softwareveräusserungsverträgen regelmässig von einer Lizenzierung der Software gesprochen. In Ziff. 2.4 lit. a des Mitgliedsvertrages wird stipuliert, dass sich die Rechte des Programm-Mitglieds und seiner verbundenen Einrichtungen zur Installation, zum Einsatz, zur Verwendung und Vervielfältigung jeder Kopie der Software nach dem EULA richten. Das sind Vorschriften über den Gebrauch der Software, die auch in Softwareveräusserungsverträgen regelmässig zu finden sind. Ziff. 3 des Mitgliedsvertrages handelt von dessen Laufzeit und Kündbarkeit. Nach Ziff. 3.4 wirkt sich die Kündigung oder der Ablauf des nicht verlängerten Mitgliedsvertrages dahingehend aus, dass das Programm-Mitglied jede Installation oder jeden Einsatz der Software einzustellen hat, mit Ausnahme der Installation von Software, für die das Programm-Mitglied die Lizenzen bereits gemäss Ziff. 2.6 bestellt oder bezogen hat. Daraus ist zu folgern, dass die C GmbH die von ihr bei der F GmbH bestellten und bezogenen Programmexemplare im Falle einer Kündigung des Mitgliedsvertrages weiterhin hätte nutzen dürfen und diesbezüglich keine Rückgabepflicht bestand, was ein klares Indiz für eine Veräusserung und nicht eine zeitlich limitierte Gebrauchsüberlassung ist. Ziff. 6 des Mitgliedsvertrages, worin unter der Überschrift „Schutzrechte“ geregelt wird, dass die Programm-Mitglieder das alleinige Eigentum der Gesuchstellerin an den Softwareprodukten für Ausbildungszwecke anerkennen und ihnen keine Rechte am geistigen Eigentum gewährt werden, ändert nichts daran, dass die Gesuchstellerin die Sachherrschaft über die von der C GmbH bezogenen Programmexemplare endgültig aufgegeben und sich deren Rückübertragung nicht vorbehalten hat. Die Ziff. 5-8 der Anlage B des Mitgliedsvertrages enthalten Verwendungs- und Vervielfältigungsbeschränkungen und -vorschriften, die für eine Softwareveräusserung keinesfalls untypisch sind. In Ziff. 9 der Anlage B des Mitgliedsvertrages geht es um die Kontrolle der Gesuchstellerin über die von Programm-Mitgliedern hergestellten Vervielfältigungen. Weil ein rechtmässig erworbenes Programmexemplar gemäss dem Erschöpfungsgrundsatz ohne Zustimmung des Urhebers weiterveräussert, jedoch nicht vervielfältigt werden darf, schliesst auch diese Vertragsbestimmung eine Veräusserung der von der C GmbH bei F GmbH bestellten Programmexemplare nicht aus. Dasselbe gilt für die von der Gesuchstellerin erwähnten Nutzungseinschränkungen im EULA. Vertragliche Nutzungsvorschriften, die unter Umständen sogar absolute Wirkung entfalten können, muss sich regelmässig auch der Erwerber und nicht bloss der zeitlich limitierte Nutzer eines Computerprogrammexemplars gefallen lassen (vgl. Caduff, a.a.O., S. 73 ff.). Ein vertraglich statuiertes Veräusserungsverbot verhindert, wie bereits dargelegt, nicht den Eintritt der Erschöpfung, sofern — wie im vorliegenden Fall — von einem Veräusserungstatbestand auszugehen ist. Andernfalls könnte der Erschöpfungsgrundsatz vertraglich wegbedungen werden. Weil die C GmbH die definitive Sachherrschaft über die bei der F GmbH bestellten Programmexemplare erworben hat, diese zeitlich unbeschränkt nutzen darf und dafür ein einmaliges Entgelt geleistet hat, ist das ausschliessliche Recht der Gesuchstellerin auf die (Weiter-)Verbreitung dieser Programmexemplare erschöpft. Aus diesem Grund ist der von der C GmbH getätigte Weiterverkauf der Programmexemplare an die Gesuchsgegnerin oder andere Zwischenhändler in urheberrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Dasselbe trifft auf den Folgehandel mit diesen Programmexemplaren zu, womit die Gesuchsgegnerin keine Urheberrechtsverletzung begangen hat, als sie die von der C; GmbH direkt oder über eine Zwischenhändlerin erworbenen Programmexemplare an ihre deutsche Schwestergesellschaft oder andere Abnehmer weiterverkauft hat.

Die mit dem Parallelprozess (der Gesuchstellerin gegen die B GmbH) befassten deutschen Gerichte gelangten zum Schluss, dass der Erschöpfungsgrundsatz nicht zum Tragen komme, wenn anstelle eines auf einem physischen Datenträger verkörperten Computerprogrammexemplars ein unkörperlicher, elektronisch übermittelter Datenbestand in Verkehr gesetzt werde (vgl. KB 9b und c sowie BB 32). In der Schweiz vertreten mehrere Autoren eine andere Meinung. Nach Neff/Arn dürfen sich die Rechtsfolgen einer Programmveräusserung, bei der nicht ein körperliches Werkexemplar, sondern lediglich ein unkörperlicher Datenbestand veräussert wird, sei es, indem der Datenbestand durch den Zugriff auf ein Netzwerk übertragen oder vor Ort auf die Festplatte des Erwerbers überspielt wird, nicht vom traditionellen, an einen körperlichen Datenträger gebundenen Softwarekauf unterscheiden. Unter Berücksichtigung des Zweckgedankens des Erschöpfungsgrundsatzes rechtfertige es sich deshalb, auch den unkörperlichen Datenbestand als Bezugsobjekt der Erschöpfung zu betrachten. Entsprechend dürfe der Erwerber auch das auf unkörperlichem Weg erworbene Programmexemplar weiterveräussern, wenn auch nicht über eine Datenfernübertragung, da es sich dabei um einen Vervielfältigungsvorgang handle. Dass aber überhaupt keine Weiterveräusserung einer einmal erworbenen Programmkopie mehr möglich wäre, liesse sich mit dem Erschöpfungszweck nicht mehr vereinbaren (vgl. Neff /Arn, a.a.O., S. 247 f. und 250). Auch Rauber plädiert dafür, dass die Erschöpfung beim Online-Vertrieb von Computerprogrammexemplaren eintrete. Der Eintritt der Erschöpfungswirkung könne nicht davon abhängen, ob der Veräusserer zunächst selbst Eigentümer des Programmexemplars ist, das dem Anwender zur Nutzung übergeben werde. Entscheidend sei vielmehr einzig, ob der Veräusserer dem Erwerber die Sachherrschaft über ein Programmexemplar dauernd überlasse. Die Erschöpfungswirkung trete somit auch ein, wenn sich der Erwerber das fragliche Computerprogramm mit Zustimmung des Anbieters auf einen eigenen Datenträger speichere, um es dann in seinen Computer einzulesen und zu gebrauchen (Rauber, a.a.O., S. 158 f.). Nach Caduff drängt es sich ebenfalls auf, die Sachverhaltskonstellationen, in denen dem Nutzer vom Urheber die Erlaubnis eingeräumt wird, ein Programmexemplar auf einen eigenen Datenträger zu kopieren, denjenigen gleichzustellen, in denen dem Nutzer das auf einem Datenträger verkörperte Programmexemplar zu Eigentum übertragen wird. Im Ergebnis liege in den meisten Fällen dieselbe wirtschaftliche und rechtliche Situation vor: Der Urheber habe die sachenrechtliche Herrschaftsmöglichkeit über ein Werkexemplar freiwillig aufgegeben und dabei die Möglichkeit wahrnehmen können, dafür eine Vergütung zu verlangen. Eine Massgeblichkeit der fehlenden „Übertragung“ des Eigentums am Datenträger für die Erschöpfungsvoraussetzung lasse sich der ratio legis von Art. 12 URG nicht entnehmen (vgl. Caduff, a.a.O., S. 41 f.). Der Meinung, dass die Erschöpfung auch bei einer digitalen Übermittlung eines Programmexemplars eintreten kann, jedenfalls wenn anschliessend ein körperliches Programmexemplar produziert wird, schliessen sich auch noch andere Autoren an (vgl. Barrelet/Egloff, Urheberrecht, 2. A., Bern 2000, N 2 zu Art. 12 URG, mit Hinweis auf Bühler. Schweizerisches und internationales Urheberrecht im Internet. S. 275 ff.; Hilty, Urheberrecht, Bern 2011, N 161). Tatsächlich ist die Gleichbehandlung des Online-Vertriebs von Software und der Inverkehrsetzung von physischen Programmexemplaren im Hinblick auf die Erschöpfung sachgerecht. Es leuchtet nicht ein, weshalb die Weiterveräusserung ohne Zustimmung des Urhebers in einem Fall urheberrechtlich erlaubt, im anderen Fall dagegen verboten sein soll, zumal das Entgelt für den Erwerb eines Programmexemplars in der Regel nicht danach differenziert wird, ob ein elektronisch übermittelter Datenbestand oder ein Originaldatenträger des Urhebers erworben wird. Von vertraglichen Nutzungsbeschränkungen und Veräusserungseinschränkungen und -verboten sind die online oder auf einem Datenträger übermittelten Programmexemplare in der Regel auch gleichermassen tangiert. Würde man die Erschöpfung bei elektronisch übermittelten Datenbeständen generell nicht eintreten lassen, könnte der Erschöpfungsgrundsatz mit Bezug auf die Verbreitung von Computerprogrammexemplaren ausgehöhlt und der Handel damit reguliert werden.

5.2 Im Weiteren leitet die Gesuchstellerin ihren Unterlassungsanspruch aus Art. 13 Abs. 1 und 2 lit. a, b und d MSchG ab, wonach das Markenrecht dem Markeninhaber das ausschliessliche Recht verleiht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen oder darüber zu verfügen und insbesondere das Zeichen auf Waren oder deren Verpackung anzubringen, unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu diesem Zwecke zu lagern sowie unter diesem Zeichen Waren ein-, aus- oder durchzuführen. Die Gesuchstellerin ist u.a. Inhaberin der Gemeinschafts- sowie der Schweizer Wortmarke „…“ für die Warenklasse 9 (KB 5), welches Zeichen auf dem von der Gesuchsgegnerin vertriebenen, selbstgebrannten Datenträger angebracht ist (vgl. KB 12). Wie die Ausschliesslichkeitsrechte des Urhebers gelten aber auch diejenigen des Markeninhabers nicht schrankenlos. Der Erschöpfungsgrundsatz ist zwar im Markenrecht im Gegensatz zum Urheberrecht nicht ausdrücklich verankert. Seine Geltung ist aber unbestritten und wurde vom Bundesgericht mehrfach bekräftigt (vgl. Thouvenin/Dorigo, Markenschutzgesetzt (MSchG), Bern 2009, N 91 zu Art. 13 MSchG, mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Nach diesem Grundsatz ist das ausschliessliche Verbreitungsrecht des Markeninhabers nach dem erstmaligen Inverkehrbringen einer Ware durch den Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung mit Bezug auf dieses konkrete Warenexemplar erschöpft. Dahinter steht der Gedanke, dass der Wirtschaftsverkehr durch Markenrechte nicht übermässig belastet werden soll. Die Wirkung der Marke ist auf die Kennzeichnung zur Individualisierung und Unterscheidung von Produkten beschränkt; dieser spezifische Gegenstand des Markenrechts vermittelt dem Markeninhaber die Möglichkeit, seine Produkte in Verkehr zu bringen und dabei als Einziger die Marke kennzeichenmässig zu benützen. Hingegen soll der Markeninhaber einem Dritten nicht unter Berufung auf sein Markenrecht vorschreiben können, wie der weitere Vertrieb zu gestalten ist. Mit seiner Zustimmung zum Inverkehrbringen bestätigt der Markeninhaber die Richtigkeit der Kennzeichnung; eine Beeinträchtigung der Herkunfts- und Unterscheidungsfunktion durch den weiteren Vertrieb ist demnach nicht möglich (Thouvenin/Dorigo, a.a.O., N 92 zu Art. 13 MSchG). Im vorliegenden Fall hat zwar die Gesuchstellerin nur den Datenbestand, nicht aber den Datenträger in Verkehr gesetzt, auf welchen die Ersterwerberin C GmbH den Datenbestand gespeichert hat. Die Verantwortung dafür, dass das von der Gesuchstellerin hergestellte Programmexemplar nicht auf einem Originaldatenträger ausgeliefert, sondern auf elektronischem Weg an die C GmbH übermittelt wurde, liegt allerdings bei der Gesuchstellerin, die sich für diese Vertriebsart entschieden hat. Würde der Ersterwerberin oder ihren Rechtsnachfolgern nicht gestattet, auf dem Datenträger einen Hinweis darauf anzubringen, welches Programm darauf gespeichert ist („…“), so könnte der urheberrechtlich grundsätzlich zulässige Handel mit solchen Programmexemplaren über das Markenrecht ausgehebelt werden. Für den Abnehmer sind nicht der Datenträger und dessen Herkunft, sondern der Speicherinhalt und dessen Herkunft von Interesse. Da sich das Kennzeichen „…“ nicht auf den Datenträger, sondern auf das darauf gespeicherte Programmexemplar bezieht, das von der Gesuchstellerin stammt und mit ihrer Zustimmung in Verkehr gesetzt wurde, wird der Individualisierungsfunktion des Markenrechts Rechnung getragen, wenn auf dem Datenträger ein Hinweis auf den Speicherinhalt angebracht wird, auch wenn dieser nicht vom Markeninhaber angebracht wurde und wegen der gewählten Vertriebsart auch gar nicht von ihm angebracht werden konnte. Das Einverständnis der Gesuchstellerin, dass ein von ihr hergestelltes Programmexemplar auch auf dem Datenträger, auf welchem es abgespeichert wird, als solches gekennzeichnet wird, darf vorausgesetzt werden, zumal sie mit dem Online-Vertrieb auf eine eigene Kennzeichnung auf dem Datenträger verzichtet hat, eine solche sich aber für den Weitervertrieb als notwendig erweist. Demzufolge kann sich die Gesuchstellerin dem Vertrieb von Programmexemplaren, die mit ihrer Zustimmung in Verkehr gesetzt wurden und auf den von der Ersterwerberin verwendeten Datenträgern richtigerweise als von ihr stammende Programmexemplare gekennzeichnet werden, auch unter markenrechtlichen Gesichtspunkten nicht widersetzen. Andernfalls würde es der Gesuchstellerin auch hier ermöglicht, den Handel mit elektronisch übermittelten Computerprogrammexemplaren, welcher denjenigen mit physischen Programmexemplaren bei weitem überwiegt, über das Markenrecht zu regulieren, was der Erschöpfungsgrundsatz verhindern will.

5.3 Schliesslich lastet die Gesuchstellerin der Gesuchsgegnerin einen Verstoss gegen das Lauterkeitsrecht an. Durch die Verwendung der selbst fabrizierten „Lizenzurkunden“ (KB 13) sowie der notariellen Bestätigungen (KB 14), in welchen festgehalten wird, über welche Stationen die Gesuchsgegnerin in den Besitz der von ihr vertriebenen Programmexemplare gelangt ist, soll die Gesuchsgegnerin falsche und irreführende Angaben über die von ihr vertriebenen Produkte im Sinne von Art. 3 lit. b und Art. 2 UWG gemacht haben. Die Gesuchsgegnerin suggeriere, dass mit solchen „Lizenzurkunden“ rechtmässig eine Lizenz übertragen werde und ein Notar eine amtliche Überprüfung der Rechtekette durchgeführt habe und gestützt darauf bestätige, dass es zu einer rechtwirksamen Übertragung der Nutzungsrechte gekommen sei. Von einer solchen Rechtsmässigkeit könne aber keine Rede sein.

Dem kann nicht beigepflichtet werden. Mit dem aus den oben dargelegten Gründen zulässigen Weiterverkauf der mit Zustimmung der Gesuchstellerin in Verkehr gesetzten Programmexemplare wurde grundsätzlich auch das Nutzungsrecht daran übertragen. Eine andere Frage ist, wieweit vertraglich vereinbarte Nutzungseinschränkungen zwischen der Gesuchstellerin und der Ersterwerberin auch späteren Erwerbern entgegengehalten werden können. Die von der Gesuchsgegnerin ausgestellte „Lizenzurkunde“ suggeriert sodann keine Lizenzierung des Programmexemplars durch die Gesuchstellerin. Die Richtigkeit des Inhalts der notariellen Bestätigung wird von der Gesuchstellerin nicht widerlegt und von der Rechtswirksamkeit der Übertragung war die Gesuchsgegnerin — aus hiesiger Sicht zu Recht — überzeugt, womit weder von einer falschen noch von einer irreführenden Wettbewerbsäusserung ausgegangen werden kann. Ganz abgesehen davon könnte der Gesuchsgegnerin nicht der Handel mit den streitgegenständlichen Computerprogrammen verboten werden, wenn bloss die Verwendung der „Lizenzurkunde“ und der notariellen Bestätigung als unlauter zu qualifizieren wäre. In diesem Falle könnte der Gesuchsgegnerin höchstens die Verwendung der betreffenden Urkunden untersagt werden.

6. Nachdem weder eine Urheberrechtsverletzung noch eine Markenrechtsverletzung oder eine unlautere Wettbewerbshandlung durch die Gesuchsgegnerin glaubhaft gemacht ist, ist auch den Auskunfts- und Einziehungsbegehren der Gesuchstellerin die Grundlage entzogen.

7. Das Gesuch ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.[…]

Verfügung

1. Das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann, und die superprovisorisch erlassene Verfügung des Kantonsgerichts Zug, Einzelrichter, vom 19. November 2010 wird aufgehoben.

[…]“