(…)
1. Gemäss unbestritten gebliebener Sachdarstellung der Klägerin, an der zu zweifeln kein Grund besteht, schlossen die Parteien am 30. Juni 2004 ein sog. System Integration Agreement ab. Im Rahmen dessen hatte die Beklagte der Klägerin ein EDV-basiertes Test- und Monitoring-System zu liefern, welches nicht nur der Überwachung der klägerischen Dienste, sondern auch der Erleichterung der Problembehebung dienen und allenfalls ein Benchmarking der verschiedenen gegenüber den Kunden erbrachten Dienstleistungen ermöglichen sollte. Der Preis für das von der Beklagten zu liefernde System wurde auf insgesamt CHF …– fixiert. Vorgesehen war, die Abnahme des Systems in zwei Stufen durchzuführen. Zuerst musste das System die Systemabnahme und später die Endabnahme bestehen. Mit der Systemabnahme sollte sichergestellt werden, dass das System die vertraglich vereinbarten Funktionalitäten aufwies und gemäss den abgemachten Spezifikationen arbeitete, wobei im Vertragswerk spezifische Voraussetzungen für die Abnahmebereitschaft (sog. Acceptance Criteria) festgelegt wurden. Als Abnahmedatum wurde der 24. August 2004 vereinbart. Diesem Termin wurde seitens der Parteien die Bedeutung eines sog. Milestone beigemessen, d.h. dass die Beklagte automatisch in Verzug gerät, wenn sie diesen Termin auch nach fünf Kalendertagen nicht einhalten kann. Zudem bestimmt Ziff. 7.2 des System Integration Agreements, dass die Beklagte in diesem Fall für jeden Tag, mit dem sie sich in Verzug befindet, zur Leistung einer Konventionalstrafe in Höhe von CHF 500.– verpflichtet ist. Nachdem das von der Beklagten gelieferte System im August 2004 in den dafür bereitgestellten Räumlichkeiten der Klägerin installiert worden war, kam es zu einer monatelangen Phase, in der sich beide Parteien gemeinsam erfolglos darum bemühten, das System in Gang zu bringen und abnahmebereit (ready for acceptance) zu machen. (…)
2. (…) Verträge über die Herstellung von Individualsoftware wie auch über die Implementierung einer an individuelle Bedürfnisse anzupassenden Standardsoftware unterstehen gemäss herrschender Lehre zum schweizerischen Recht den Regeln des Werkvertrags im Sinne von Art. 363 ff. OR (BSK-Zindel/Pulver, Art. 363 OR N 11; Widmer, Risikofolgeverteilung bei Informatikprojekten, Diss. Bern 1990, S. 75; Barbey, Les contrats informatiques, in: SJ 1987 S. 301). Beim Werkvertrag hat der Besteller Anspruch auf Ablieferung und Abnahme des vollendeten Werks. Unvollendete Werke können weder abgeliefert noch abgenommen werden. Auch Mängelrechte scheiden aus. Bei einem nicht vollendeten Werk behält der Besteller jedoch sämtliche Ansprüche auf Vertragserfüllung. Ist der Unternehmer mit der fälligen Ablieferung eines Werkes in Verzug – etwa wenn er einen vereinbarten Ablieferungstermin nicht einhält -, stehen dem Besteller demnach die Wahlrechte gemäss Art. 107 ff. OR zu. Ein Verschulden auf Seiten des Unternehmers ist dafür nicht vorausgesetzt (vgl. BSK-Zindel/Pulver, Art. 366 OR N 13 ff.). Vielmehr kann der Besteller bei Verzug des Unternehmers nach unbenütztem Ablauf einer Nachfrist auch ohne Verschulden des Unternehmers auf die nachträgliche Erfüllung verzichten und unter Rückforderung des Geleisteten vom Vertrag zurücktreten (Art. 107 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 109 Abs. 1 OR). Genau dieser gesetzlichen Regelung entspricht denn auch Ziff. 15.4 des zwischen den Parteien abgeschlossenen System Integration Agreements. In dieser Vertragsklausel wird festgehalten, dass die Systemabnahme als gescheitert zu betrachten ist, wenn das gelieferte System die separat festgelegten Acceptance Criteria nicht einhalten sollte. Diesfalls hat die Beklagte eine Frist von nicht länger als 14 Tagen, um „necessary remedial work and another acceptance testing“ auszuführen; nach deren unbenütztem Ablauf ist die Klägerin berechtigt, mittels schriftlicher Mitteilung den Vertrag aufzulösen und die allenfalls bereits geleistete Vergütung zurückzufordern, sofern die Systemabnahme nicht spätestens binnen 30 Tagen seit dem ursprünglich vereinbarten Ablieferungstermin erfolgreich durchgeführt werden sollte. Kumulativ dazu wird der Klägerin sodann das Recht eingeräumt, die Konventionalstrafe gemäss Ziff. 7.2 des Agreements geltend machen.
3.a) aa) Nach Auffassung der Klägerin gehörte es zu den Pflichten der Beklagten, dass das System im Rahmen der Abnahmetests keine kritischen („critical“) oder grossen („major“) Fehler mehr aufweisen durfte. Zudem hatte die Beklagte selbst das System zu testen, bevor es der Klägerin zur Verfügung gestellt wurde. Nach der Installation im August 2004 traten jedoch während mehrerer Monate schwerwiegende Mängel auf, welche auch unter Einsatz immer neuer Releases nicht behoben werden konnten. Schon aus diesem Grund waren die vertraglich festgelegten Voraussetzungen für die Durchführung einer Systemabnahme nicht erfüllt. Hinzu kommt, dass sowohl eine Test- als auch eine vollständige Benutzerdokumentation fehlte, obschon die Beklagte verpflichtet war, diese der Klägerin im Hinblick auf die Systemabnahme zu übergeben. Daraus ergibt sich, dass das System nie in abnahmebereitem Zustand abgeliefert wurde, weshalb sich die Beklagte fünf Kalendertage nach dem Abnahmetermin vom 24. August 2004 in Verzug befand und die Klägerin berechtigt war, den Vertrag nach Ablauf einer Nachfrist aufzulösen. (…)
b) aa) Ebenso erweist sich die von der Klägerin unter dem Titel „Konventionalstrafe“ geltend gemachte Forderung im Betrag von CHF 146’000.– als begründet. Sie stützt sich auf die bereits erwähnte Regelung in Ziff. 7.2 des System Integration Agreements, wonach die Beklagte ab dem fünften Kalendertag der Verspätung einen Betrag von CHF 500.– pro Verspätungstag schuldet. Angesichts dessen, dass die Beklagte nie ein abnahmetaugliches System geliefert hat, liegt die Verspätung im vorliegenden Fall auf der Hand. Nachdem die Klägerin die ihr zustehende Konventionalstrafe erst ab dem 26. Dezember 2004 bis zur Auflösung des Vertrags einfordert, ist die betreffende Forderung auch betragsmässig ausgewiesen. Wie erörtert, kann dieser Anspruch zudem nach Ziff. 15.4 des System Integration Agreements auch kumulativ zur Rückerstattung der bereits geleisteten Vergütung geltend gemacht werden, weshalb auch von daher der Zusprechung der Konventionalstrafe nichts entgegen steht.
bb) Die Klägerin macht für die Konventionalstrafforderung 5 % Verzugszins ab dem 14. Oktober 2005 geltend. In der Höhe entspricht dies dem gesetzlich vorgeschriebenen Zins (Art. 104 OR). Um den Schuldner in Verzug zu setzen, muss der Gläubiger nicht nur bestimmt und deutlich zu erkennen geben, dass er die Erfüllung verlangt, sondern es muss auch die zu erfüllende Verbindlichkeit genau bezeichnet werden, damit der Schuldner erkennt, was der Gläubiger fordern will. Der Gläubiger hat also die Höhe der ausstehenden Verbindlichkeit zu beziffern (BK-Weber, Art. 102 OR N 69 f.). Gleichzeitig mit der Nachfristansetzung für die Erfüllung kündigte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 26. September 2005 die Einforderung der Konventionalstrafgelder nach Ablauf der Nachfrist an. Grundsätzlich ist die Verbindung von Nachfristansetzung und Mahnung zulässig (BGE 103 II 104 f), doch sind vorliegend mangels Angabe eines Betrages die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Mahnung nicht erfüllt. Es ist der Klägerin für die Konventionalstrafforderung Verzugszins erst ab Zustellung der Klage an die Beklagte, d.h. ab 10. Januar 2007, zuzusprechen.
HG060372/U/ei
Quelle: Urteil