Obergericht des Kantons Zürich / Urteil vom 29. Mai 2015 / NP150010-O/U

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Nicht amtliche Leitsätze: Gültige Vereinbarung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die in der Offerte verwiesen worden ist (E. 2.1). Keine Anwendung von Art. 8 UWG auf einen Software-Lizenzvertrag mit einer fünfjährigen Dauer, bei dem der Kunde bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung keinen Anspruch auf Rückerstattung der Lizenzgebühren hat (E. 2.2).

Erwägungen:
1. Die Klägerin hat Sitz in St. Gallen; sie erstellt und vermarktet branchenspezifische software. Der Beklagte ist Rechtsanwalt mit eigener Praxis in Zürich. Unter dem 6. August 2013 offerierte die Klägerin dem Beklagten erstens eine Lizenz für ihre software „…“, einen Wartungsvertrag und bestimmte, damit zusammen hängende Dienstleistungen, zweitens einen ergänzenden Vertrag für die Ausdehnung des ersten auf die Reinigungsfirma der Ehefrau des Beklagten, ferner drittens das Beschaffen „notwendiger Drittprodukte“ und Überlassung an den Beklagten zum Selbstkostenpreis. Der Beklagte akzeptierte die drei Offerten am 5. September 2013.

Der Beklagte zahlte am 23. September 2013 eine Akontorechnung der Klägerin, am 25. September 2013 quittierte er für bestimmte Leistungen der Klägerin, und am 30. September 2013 stellte ihm die Klägerin Rechnung für ihre vertraglichen Leistungen abzüglich die geleistete Akontozahlung.
In der Folge entstand unter den Parteien Uneinigkeit darüber, ob die Verträge überhaupt gültig zustande gekommen seien. Der Beklagte verneint es unter Hinweis darauf, dass die Klägerin Allgemeine Geschäftsbedingungen als Vertragsbestandteil ansehe, welche ihm nicht bekannt waren und nach Treu und Glauben auch nicht sein mussten. Unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach fehlende Übereinstimmung der Willenserklärungen verweigerte und verweigert er die Zahlung der (Schluss-)Rechnung und fordert die Akontozahlung zurück.

2. Der Einzelrichter erwägt, in den Allgemeinen Bedingungen seien objektiv notwendige Punkte des Vertrages enthalten. Die Variante, dass der Vertrag ohne Übernahme der Bedingungen zustande gekommen sei, scheide daher aus. Er kommt dann aber zum Schluss, dass die Bedingungen Vertragsbestandteil geworden seien, und dass der Vertrag auch nicht entsprechend der Auffassung des Beklagten nachträglich aufgelöst worden sei.

2.1 Der Beklagte lässt das nicht gelten. Was den Vertragsschluss angehe, habe er den Hinweis auf die Bedingungen in der Offerte nicht wahrgenommen. Der Hinweis sei nicht ausreichend klar gewesen, weil er nach dem fett gedruckten Wort „Zahlungskonditionen“ und nach zahlreichen belanglosen anderen Bestimmungen geradezu versteckt gewesen sei. […]

Ein Vertrag kommt zustande durch das Austauschen übereinstimmender Willenserklärungen (Art. 1 OR). Die Überlegung des Einzelrichters, in den Bedingungen fänden sich wesentliche Elemente des Vertrages, und die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 OR falle daher ausser Betracht, ist überzeugend, es kann darauf verwiesen werden. Die Kritik des Beklagten daran beruht wohl auf einem Missverständnis. Es geht hier nicht darum, dass der Hinweis auf die Bedingungen in der Offerte einen Vorbehalt der Einigung über Nebenpunkte bedeutete. Auch wenn die Parteien einen Nebenpunkt nicht vertraglich vorbehalten haben, kommt es darauf an, ob sie (wenigstens) über die wesentlichen Vertragspunkte einig waren, sonst fehlt es schon grundsätzlich am Konsens.

Was Inhalt und Tragweite der ausgetauschten Erklärungen ist, bestimmt sich nach Treu und Glauben und hängt von den konkreten Umständen ab (Art. 2 ZGB). Erfolgt der Austausch der Erklärungen schriftlich, kann der Offerent nicht feststellen, ob der Andere die Offerte überhaupt gelesen hat, oder wie genau. Darauf kommt es allerdings in der Regel nicht an. Wer Vertragsdokumente ungelesen unterzeichnet, erweckt den Anschein, er wolle das Unterzeichnete, und er nimmt insbesondere (…) in Kauf, sich auf ungünstige Geschäftsbedingungen einzulassen (statt vieler BGE 135 IV 12). Der Einwand des Beklagten, er habe den Hinweis der Klägerin auf ihre Bedingungen tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen, ist daher nicht von Bedeutung.

So genannte Allgemeine Bedingungen einer Partei sind häufig ziemlich umfangreich und würden den konkreten Vertragstext unübersichtlich machen. Es ist daher zweckmässig, sie separat niederzulegen. Bei der Frage nach dem Inhalt des Vertrages stellt sich dann aber die Frage, ob die Bedingungen nach Treu und Glauben Inhalt der Willenserklärung (regelmässig des Akzeptes) sind, wenn sie nicht besonders besprochen oder vereinbart wurden. Der Offerent kann und darf dann nicht annehmen, der Andere akzeptiere die Bedingungen, wenn der Hinweis auf diese ohne weitere Hervorhebung oder anderweitig besondere Placierung in einem umfangreichen oder sonst unübersichtlichen Text enthalten ist. Der Beklagte beruft sich darauf, wenn er geltend macht, der Hinweis auf die Bedingungen der Klägerin stehe in dem Abschnitt, der mit „Zahlungskonditionen“ überschrieben ist, und er sei in diesem Abschnitt geradezu versteckt. Dem ist aber nicht zu folgen. Richtig ist, dass der Titel Zahlungskonditionen“ heisst. Wenn es im Vertrag eine grössere Zahl von Abschnitten mit besonderen Bestimmungen hätte, könnte zweifelhaft sein, ob ein an einem so zu sagen „sachfremden“ Ort stehender Hinweis auf ein anderes Thema nach Treu und Glauben als gewollt zu betrachten wäre. Der Beklagte sagt mit einem gewissen Recht, über die Zahlungskonditionen habe er sich keine Gedanken gemacht, und darum habe er jenen Abschnitt nicht genau gelesen. Indessen: die Offerten bestehen je aus zwei Seiten. Auf der ersten und dem grössten Teil der zweiten Seite werden die Leistungsinhalte genannt, und dann werden je die Stückzahl und das Total der Position angegeben, es folgen Zusammenfassungen der Leistungen, in einem Fall die gewährten Rabatte und ein „Gesamttotal“. Das alles definiert Leistung und Gegenleistung der Parteien. Es folgt nur noch Weniges:

Zahlungskonditionen
Lizenzverträge: 30% als Akontozahlung nach Vertragsschluss, Rest fällig bei der Aktivierung der Software, Dienstleistungen nach Erbringung, jeweils 30 Tage ab Rechnungsdatum. Offerte gültig während 30 Tagen, Preis in CHF zzgl. MwSt. Im übrigen gelten die unter www.B._____.ch/agbs publizierten
Geschäftsbedingungen.

Auftrag erteilt:
Ort und Datum: ____________________________ Unterschrift: _____________________

Dieser Text ist kurz und übersichtlich. Das Wort „Geschäftsbedingungen“ steht ganz am Ende alleine auf der letzten Zeile. Dass der Abschnitt mit „Zahlungskonditionen“ überschrieben ist, was einen Hinweis auf Geschäftsbedingungen primär nicht nahe legt, tritt dem gegenüber in den Hintergrund. Der Beklagte macht geltend, der link zu den Allgemeinen Bedingungen sei auf der homepage der Klägerin nur ganz klein angebracht. Darauf könnte es ankommen, wenn feststünde, der Beklagte habe die homepage der Klägerin gekannt, und sich die Frage stellte, ob (darum) die Bedingungen selbst dann nach Treu und Glauben als akzeptiert gölten, wenn darauf im Vertrag nicht verwiesen würde. Darum geht es aber nicht, und dass er die Bedingungen finden konnte, wenn er nach ihnen gesucht hätte (wenn er also dem Hinweis im Vertrag hätte nachgehen wollen), stellt der Beklagte nicht in Abrede. Nach Treu und Glauben durfte und musste die Klägerin annehmen, wenn der Beklagte die Verträge unterschreibe,  akzeptiere er damit auch die Bedingungen.
[…]

2.2 Der Allgemeine Bedingungen Formulierende wird darin in aller Regel Punkte aufnehmen, die für ihn selber günstig sind. Nach der Erfahrung werden Allgemeine Bedingungen häufig nicht gelesen und pauschal übernommen. Wie bereits erwähnt, hindert das ihre Gültigkeit zwar nicht. Es besteht aber gleichwohl das Bedürfnis, für besonders einseitige oder ungewöhnliche Elemente eine Korrektur vorzusehen. Die Praxis fand dazu die „Unklarheits-“ und (bei ungelesenen Bedingungen) die „Ungewöhnlichkeitsregel“: Unklarheiten gehen zu Lasten dessen, der die Bedingungen formuliert hat, und bei ungewöhnlichen Bestimmungen wird gesagt, der sie Postulierende dürfe und könne nach Treu und Glauben nicht damit rechnen, der andere Teil wollte sie wirklich, wenn er sie zur Kenntnis nähme. Art. 8 UWG sodann definiert zwar nicht direkt den Inhalt des einzelnen Vertrages, bringt aber zum Ausdruck, wo der Gesetzgeber im Bereich des fairen Wettbewerbs die Grenze zieht: Unter dem Titel „Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen“ heisst es: „Unlauter handelt insbesondere, wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen“.

Nach Art. 4 der Allgemeinen Bedingungen ist der Lizenzvertrag fest auf fünf Jahre abgeschlossen und hat der Kunde bei vorzeitiger Beendigung keinen Anspruch auf Rückerstattung von Lizenzgebühren. Der Beklagte argumentiert, das sei für den Kunden äusserst nachteilig und ungewöhnlich. Wie andere Anbieter von branchenspezifischer software die Unterschreitung einer festen Vertragsdauer regeln, ist dem Gericht nicht bekannt. Auch wenn eine Mehrheit für diesen Fall die (teilweise) Rückerstattung von Lizenzgebühren vorsähen, machte das die Bestimmung in den Bedingungen der Klägerin aber weder objektiv ungewöhnlich noch würde die Klägerin nach dem Wortlaut des UWG „in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen“.

Einen Arbeitsvertrag kann man gültig auf zehn Jahre abschliessen (Art. 334 Abs. 3 OR). Ein software-Lizenzvertrag bedeutet für den Besteller eine wesentlich weniger starke Bindung, und die fünfjährige feste Dauer ist damit nicht bedenklich. Verträge sind zu halten, und das gilt insbesondere auch dann, wenn eine Seite von der ihr geschuldeten Leistung keinen Gebrauch macht. Nach Treu und Glauben kann der Anbieter der Leistung den Anspruch auf die Gegenleistung verlieren: wenn er die Leistung anderweitig verwerten könnte und das ohne ausreichenden Grund nicht tut. Der Mechanismus ist bekannt etwa aus dem Mietrecht, wenn der Mieter die Sache frei gibt und der Vermieter eine zumutbare Weitervermietung unterlässt. Eine Computer-software kann der Anbieter aber grundsätzlich beliebig Vielen in Lizenz überlassen, und er kann daher gar keine seinen Schaden mindernden Vorkehren treffen, wenn einer der Lizenznehmer von der software keinen Gebrauch mehr macht. Die Bestimmung der Klägerin hält daher auch der bei Allgemeinen Bestimmungen vorzunehmenden (beschränkten) Inhalts-Kontrolle stand.
[…]

Quelle: Urteil (http://www.gerichte-zh.ch/entscheidel)