Entscheid des Präsidenten des Kantonsgerichts Nidwalden vom 7. Oktober 1988

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Nicht amtliche Leitsätze: Ausdehnung des Schutzanspruchs auf ein Nachfolgeprodukt (Erwägung 2); Bedeutung des monatelangen Zuwartens bis zur Anrufung des Richters und des Unterlassens einer vorgängigen Verwarnung (Erwägung 2); rechtlicher Schutz nach UWG für eine besondere Eigenleistung im Computer-Software-Bereich (Erwägung 3).

Sachverhalts: siehe Entscheid des Einzelrichters im summarischen Verfahren Kantonsgericht Zug vom 30.8.1988.

Erwägungen:

1. (…) Sowohl nach dem bisherigen UWG wie nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes, das seit der Hängigkeit dieses Verfahrens in Kraft getreten ist, sind vorsorgliche Verfügungen im Rahmen der einstweiligen Rechtschutzgewährung zu erlassen, unter der Voraussetzung, dass die gesuchstellende Partei die erforderlichen Gründe hinreichend glaubhaft macht, nämlich dass die Gegenpartei mit ihrem Verhalten gegen die Grundsätze des UWG, d.h. wider Treu und Glauben ihr einen nicht leicht zu ersetzenden Nachteil zu verursachen droht. Nach autoritativer Praxis heisst dabei «glaubhaft machen» nicht einfach «irgendwie glaubwürdig behaupten oder bloss die Möglichkeit dartun», sondern es muss aktenmässig eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das unlautere Verhalten bzw. urheberrechtlich rechtswidrige Verhalten – hier durch Verwendung und Verwertung fremder Leistungen – dargetan werden und dass dieses Verhalten eben zu einem Schadenersatzanspruch od.ä. führen würde. Wird zu Gunsten der Petentschaft eine solche Glaubhaftmachung bejaht, würde es der Opponentschaft obliegen, durch eine ebenso starke Glaubhaftmachung den petentischen Standpunkt zu entkräften.

2. – Opponentescherseits wurde vorerst einmal der grundsätzliche Einwand des mangelnden Rechtsschutz-Interesses vorgebracht: das A-CAD 1.21 Programm sei nicht mehr im Handel erhältlich und daher das Gesuch unnütz; vielmehr stehe nämlich bereits die neue nachfolgende Version im Handel. Wenn dem so wäre, ist nicht einzusehen, warum man gegen das vorsorgliche Verbot überhaupt opponiert; denn in diesem Fall würde ja das Verbot wegen Änderung des Schutzobjektes nachträglich keine Wirkung mehr schaffen. Doch wurde hier eben nicht beachtet, dass es gar nicht gegen dieses bestimmte «Programm 1.21» allein geht, sondern generell um das A-CAD-Programm, wie es hexadezimal ausgedruckt vorliegt und folglich auch für Nachfolge-Programme verwendet, d.h. dort integriert werden kann. Wenn ein Nachfolgeprogramm eine (vorher bereits geschützte) Werkleistung enthält, dehnt sich der Schutzanspruch automatisch doch auch auf die nachfolgend verwendete Werkleistung aus. Die allfällige Rechtswidrigkeit der ersten Leistung wird durch ein Nachfolgewerk in diesem Fall nicht aufgehoben oder geändert. Im übrigen hat die Erst-Opponentin selbst zugegeben, noch 31 A-CAD-Software-Pakete der Nr. 1.21 am Lager zu haben und dass hiefür sogar eine evt. Übernahmeverpflichtung stipuliert worden sei. Und zu allem Überfluss behauptet selbst die Zweit-Opponentin, dass ihr wegen des verlangten richterlichen Verbotes ein ganz beträchtlicher Schaden entstehe. Wenn aber die fragliche Handelsware gar keinen Marktwert mehr haben sollte, wäre ja auch eine Schädigung der Opponentschaft ausgeschlossen. Doch hat die Zweit-Opponentin klar und ausdrücklich begründet, dass die – vorerst rein superprovisorische – Verbotsverfügung sie treffe und ihr grossen Schaden verursachen soll.
Der weitere Einwand des fehlenden Rechtsschutz-Interesses wegen des monatelangen Zuwartens der Petentschaft bis zur Anrufung des Richters sowie wegen Unterlassens einer vorgängigen Verwarnung, kann nicht gehört werden. Denn ein gewisses Abwarten – vor allem um zuerst genügende Beweisunterlagen zu beschaffen und nötige Abklärungen vorzunehmen – ist das gute Recht der betroffenen Partei und kann doch keine Verwirkungsfolge nach sich ziehen, nachdem das Gesetz keine solche Folge stipuliert, geschweige denn ein sofortiges Eingreifen verlangt. Schon gar nicht verlangt ist eine vorgängige Verwarnung (eine solche könnte dazu führen, die notwendigerweise überraschende Beschlagnahme zu vereiteln). Vorliegend war es sogar angezeigt, dass sich die Petentschaft zuerst durch eine interne fachliche und rechtliche Abklärung Zeit liess, bevor sie den Richter anrief.

3. – Ein ziemlich klarer Fall einer UWG-Verletzung ist die Verwendung einer fremden Leistung (Art. 5c des nun anwendbaren neuen UWG). Aber auch die Verletzung urheberrechtlicher Schutzansprüche im Sinne von Art. 52 URG ist damit glaubhaft dargetan, so dass die wohl als urheberrechtlich geschützte Werkleistung der Petentschaft den vorsorglichen richterlichen Schutz durch Verbot und Beschlagnahme beanspruchen kann.
Nach dem heutigen Stand der Rechtsauffassung verdient nämlich eine besondere Eigenleistung im Computer-Software-Bereich den besonderen rechtlichen Schutz nach URG wie UWG, wenn deren besonderer Werk-Charakter bejaht wird. Bei Programm-Herstellern liegt wohl in der Regel ein grosser eigener Arbeits- und Investitionsaufwand vor, was dann der berechtigte Grund ist, sich gegen die unerlaubte Verwendung dieser Eigenleistung durch Dritte (Raubkopierer, aber auch blosse Modifizierer od.ä.) zur Wehr zu setzen; denn diese Dritten würden sich ja sonst unter Ausnutzung anderer Leistungen bereichern können usw. Dass vorliegend grosse eigene Leistungen, d.h. ganz umfangreiche Werkarbeiten auf petentischer Seite für die Schaffung ihres CAD-Programmes erbracht worden sein müssen, bestätigte der konsiliarisch beigezogene Fachmann, weshalb im Rahmen der heutigen rein summarischen Prüfung die streitige Werkleistung der Petentschaft urheber- und wettbewerbsrechtlich schützenswert erscheint. Weiter bestätigte der beigezogene Fachmann, dass das petentische CAD-Programm besondere Individualitäts-Merkmale aufweist. Die Auffassung des privaten Gutachters G. Buchmann ist inzwischen durch das richterliche Gutachten von Dr. W. Seebars im Zuger-Verfahren bestätigt worden (besonders mit Hinweisen auf die spezielle System-Struktur mit Overlay-Technik; die breite Funktionalität; die Anschlussfähigkeit der Zeichnungsdateien über definierte Schnittstellen, DXF, eine Autodesk-Eigenentwicklung).
Dem konsiliarischen Experten wurde das Gutachten Seebars nicht zur Verfügung gestellt; trotzdem kam er aber stichprobeweise zu gleichen Schlüssen. Dem hierortigen Fachmann scheint es hinreichend klar, dass das A-CAD-Programm grosse Eigenleistungen des petentischen CAD-Programmes sich einverleibt hat und Werkleistungen umfasst, die man nicht als Allgemeingut bezeichnen könne, jedenfalls hätte man sich grosse eigene Aufwendungen erspart, die bei jeder derartigen Programmierarbeit notwendig seien; es seien offenbar wesentliche Teile des petentischen Arbeitsresultates ohne allzu grossen eigenen Aufwand reprografisch übernommen worden, und zwar auf Assembler-Ebene.
Die Experten-Darlegungen führen zum richterlichen Schluss, dass das von den Opponentinnen vertriebene A-CAD-Programm eine sehr weitgehende Kopie der petentischen Leistung darstellt, ohne allzu grosse besondere Eigenleistung, geschweige denn eigene Originalität oder Individualität. Jedenfalls ist auf Grund dieser Aktenlage die erforderliche Glaubhaftmachung des petentischen Standpunktes hinreichend erbracht, ohne dass noch auf spezifisch fachtechnische Einzelheiten eingegangen werden müsste.

4. – Die in sachlicher Hinsicht erfolgten opponentischen Einwendungen sind nicht geeignet bzw. derart dargetan, dass sie die Feststellungen und Folgerungen der Gutachter entscheidend in Frage stellen können.

5. – Die für eine vorsorgliche Massnahme nötige weitere Voraussetzung der Glaubhaftmachung eines drohenden, nicht leicht zu ersetzenden Schadens oder Nachteils ist hier ebenfalls zu bejahen. Schon die direkte Konkurrenz-Situation (praktisch gleiche Software) mit offenkundiger Verwechslungsmöglichkeit (sogar wegen der Ähnlichkeit der Embleme usw.) kann auf dem Markt die Konkurrenz wesentlich beeinflussen und wohl oder übel zu Lasten des Konkurrenten zu wirtschaftlich spürbaren Nachteilen führen, zu Nachteilen und Schäden, deren Umfang bereits schwer eruierbar, geschweige denn genau beweisbar werden dürfte. Neben dem rein materiellen Schaden kann bei diesem Fall auch eine beträchtliche immaterielle Einbusse entstehen, die mitzuberücksichtigen ist.

6. – Die Gesuchstellerinnen haben somit einen hinreichend begründeten Anspruch auf Erlass von vorsorglichen Massnahmen sowohl nach Art. 53 URG als auch nach Art. 14 UWG (neu), in Verbindung mit Art. 28c-f ZGB. Zur erstrangigen Massnahme zählt dabei das verlangte Verbot mit Strafdrohung. Aber auch die Weiterführung der Beschlagnahme erscheint als notwendige Sicherung des vorläufigen petentischen Schutzanspruches.

7. – Auf der andern Seite ist es klar, dass die beiden Opponentinnen durch diese Massnahmen wirtschaftlich beachtlich getroffen werden, weil sie mindestens in einem Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit blockiert werden, sofern sie sich inzwischen nicht der petentischen Produkte bedienen wollen oder können. Beide haben daher Anspruch auf eine Sicherheitsleistung für einen allfälligen Schadenersatzanspruch. Dafür bestehen bereits geleistete Bankgarantien. Angesichts der eigenen Darstellung in der Gesuchsentgegnung der Erst-Opponentin hatte sie ja nur mehr einen Restposten von A-CAD Software am Lager und hatte bereits beschlossen und sich vertraglich verpflichtet, aus diesem Geschäftsbereich auszusteigen. Die bisherige Sicherheit erscheint genügend, zumal seither nicht dargetan wurde, weshalb die verfügte erste Sicherung nicht genügend sein soll. Schwieriger ist die Berechnungsgrundlage bei der AT+C AG. Die von ihr ins Feld geführte Berechnungsart ist eine durch nichts belegte Darstellung, die allerdings ohne fachmännische Nachprüfung kaum näher bestimmbar wäre. Hinzu kommt, dass durch die – inzwischen erlassene – Massnahmeverfügung des Zuger Richters eine weitere Zulieferung von der Herstellerin unterbunden wurde und somit mindestens ein wesentlicher Teil eines allfälligen Schadens in der dortigen Anordnung und nicht in der heutigen hierortigen Entscheidung seine Ursachen haben würde. Auch hier liegt kein Grund zur Erhöhung der Sicherheit vor. Zudem kann auch hier die Frage gestellt werden, ob die Zweit-Opponentin in der Zwischenzeit nicht eine ev. Schadenminderung auf dem Weg eines Bezuges bei der Petentschaft erzielen könnte.

Quelle: SMI 1989, S. 205 ff.
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