Entscheid des Kantonsgerichts Nidwalden vom 15. Februar 1989

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Nicht amtliche Leitsätze: Der Sourcecode eines Computerprogramms stellt ein Geschäftsgeheimnis des Softwareproduzenten dar (Erwägung 4.a)). Beweismittel, durch die Geschäftsgeheimnisse offenbart werden können, dürfen der Gegenpartei nur insoweit zugänglich gemacht werden, als dies mit der Wahrung der Geschäftsgeheimnisse vereinbar ist (Erwägung 4.d)).

Zusammenfassung des Sachverhalts: Im Prozess ging es um die Frage, ob ein Computerprogramm rechtswidrig nachgeahmt worden war. Die Beklagte stellte ein Gesuch um Edition des Sourcecodes des klägerischen Computerprogrammes, um dieses mit dem eigenen im Rahmen eines Privatgutachtens vergleichen zu lassen.

Aus den Erwägungen:

4. – Dieser Antrag und dessen Begründung erweist sich jedoch aus verschiedenen Gründen als völlig unbegründet bzw. ist schon im Hinblick auf die Wahrung der klägerischen Geschäftsgeheimnisse abzuweisen.

a) Die Gesuchstellerin stützt sich einseitig nur auf die speziellen Bestimmungen der Editionspflicht nach § 142 ff. NW ZPO, ohne die Allgemeinen Vorschriften für das Beweisverfahren nach § 134 ff. zu beachten. Danach unterliegt auch jede Editionspflicht der Einschränkung von § 136 Abs. 2 NW ZPO, wonach – wo es zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen einer Partei oder eines Dritten nötig ist – das Gericht von einem Beweismittel unter Ausschluss der Gegenpartei oder der Parteien sowie der Öffentlichkeit Kenntnis nehmen kann. Dass es sich beim Source Code von AutoCAD um das wohl wichtigste und wertvollste Geschäftsgeheimnis der Klägerinnen handelt, bedarf wirklich keiner Weiterungen. Der Antrag auf Herausgabe dieses Geschäftsgeheimnisses an die Gegnerin im Hauptprozess – es wird ja nicht etwa die Herausgabe zu Handen des Gerichtes oder eines gerichtlich bestellten Experten verlangt – erscheint mehr als kühn und die Gesuchstellerin kann wohl kaum im Ernst mit einer Gutheissung dieses Antrages gerechnet haben.

b) Für die Ausarbeitung einer Rechtsantwort bedarf es zudem keiner Privatexpertise, weil dies kein prozessuales Expertise-Beweismittel ist. Aufgrund ihrer eigenen Fachkenntnisse und der bisherigen Aktenunterlagen ist die Zweitbeklagte durchaus in der Lage, eine angemessene Rechtsantwort zu verfassen.

c) Die Gesuchstellerin beansprucht etwas für sich, was auch die Klägerinnen für ihre Rechtsschrift nicht benützen mussten. Sie konnten ihre Klage ebenfalls ohne Source-Code-Vergleich ausarbeiten, so dass auch eine substantiierte Bestreitung dieser Klage sehr wohl möglich ist. Ob ihre Behauptungen dann zutreffen, wird die – offensichtlich notwendige – Gerichtsexpertise zeigen.
Wie die Klägerinnen, hätte auch die Zweitbeklagte schon längst ein Privatgutachten in Auftrag geben können, um – wie die Klägerinnen im Massnahmeverfahren – ihre Gegenbehauptungen irgendwie darzutun. Mehr als eine Glaubhaftmachung war im Massnahmeverfahren nach § 194 NW ZPO auch gar nicht notwendig; dies war denn auch ohne Vergleich der beiden Source Codes möglich, wie die Klägerinnen gezeigt haben.

d) Schliesslich hilft der Gesuchstellerin auch die Anrufung von Art. 15 UWG nicht, die eine Berufung auf Geschäftsgeheimnisse «ausdrücklich» ausschliessen soll. Im Gesetzestext dieser Bestimmung – laut neuer Fassung vom 19.12.1986, in Kraft seit 1.3.1988 – findet sich kein derartiger Ausschluss einer Berufung auf Geschäftsgeheimnisse bei Anwendung von Art. 5 lit.c UWG. Aus dieser Umschreibung, wonach in Streitigkeiten nach Art. 3 lit. f UWG die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse der Parteien zu wahren sind, kann nicht generell abgeleitet werden, dass in allen andern UWG-Streitigkeiten die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse der Parteien nicht zu wahren wären. Art. 15 Abs. 2 UWG sieht ausdrücklich vor, dass Beweismittel, durch die solche Geheimnisse offenbart werden können, der Gegenpartei nur soweit zugänglich gemacht werden dürfen, als dies mit der Wahrung der Geheimnisse vereinbar ist. Die Klägerinnen sind denn auch grundsätzlich bereit, diesen Source Code zum ausschliesslichen Gebrauch den gerichtlich bestellten Experten sowie dem angerufenen Gericht zur Verfügung zu stellen, unter der selbstverständlichen Verpflichtung zur Geheimhaltung und der Absicherung, dass keinerlei Kopien davon angefertigt werden. Sie ermöglichen daher hinreichend eine sachliche Abklärung im Prozess, d.h. eine einwandfreie gerichtliche Expertise. Der Argumentation der Klägerinnen kann somit vollumfänglich gefolgt werden.
Das Gesuch um vorzeitige Edition ist daher abzuweisen.

Quelle: SMI 1989, S. 271 f.
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