Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. September 1992

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Nicht amtliche Leitsätze: Urheberrechtlicher Schutz von Datensammlungen? Verstoss gegen Art. 2 UWG. Nach Art. 23 UWG sind nur Verstösse gegen die Art. 3 bis 6 UWG strafbar.Siehe dazu den Sachverhalt in der Verfügung vom 20. Juni 1989 des Einzelrichters im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Affoltern. Im vorliegenden Entscheid geht es um das von der Geschädigten angestrengte strafrechtliche Verfahren.

Aus den Erwägungen des Obergerichts:

(1. URG)
Die Geschädigte beansprucht Schutz für ihre Listen als Geisteswerk im Sinne von Art. 1 URG. Dabei kann es sich nur um einen Anwendungsfall des «wissenschaftlichen Werkes» handeln (Art. 1 Abs. 2, 1. Alinea URG).
Das Gesetz schützt die originelle und von der Individualität des Urhebers geprägte schöpferische Tätigkeit (BGE 110 IV 105; Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1983, S. 346 ff.).
Urheberrechtlich geschützt ist nur die Form. Das darf nicht ohne weiteres als Gegensatz zum Inhalt verstanden werden. Eine Gegenüberstellung der beiden Begriffe ist in diesem Fall nicht angängig, weil jede Form notwendigerweise auch Ausdruck des Inhaltes ist (Kummer, Das urheberrechtlich schützbare Werk, Bern 1968, S. 8 ff.; Troller, S. 372 f.). Anders im Patentrecht: Dort ist der Inhalt um seiner selbst willen geschützt, als Lehre zum technischen Handeln in jeder denkbaren Ausführung. Im Urheberrecht geht es um die konkrete Erscheinung (denkbar zum Beispiel die Ausführung einer patentierten Vorrichtung) – eben die Form. Der Grundsatz findet zunächst Anwendung auf mathematische oder naturwissenschaftliche Erkenntnisse oder Theorien (Kummer, S. 106, mit Beispielen). Im Patentrecht pflegt ein grosser wirtschaftlicher Erfolg als «Beweisanzeichen» für Nichtnaheliegen einer neuen technischen Lehre gewertet zu werden. Da das Urheberrecht keinen Ideenschutz verleiht, ist dieser Erfolg hier kein Grund für eine Qualifikation als Werk. Im Gegenteil ist eine Sammlung von Informationen, mag sie auch grosse Mühen gekostet haben und wirtschaftlich wertvoll sein, nicht urheberrechtlich geschützt (BGE 113 II 308 «Psychoanalyse»; Lutz, 100 Jahre URG, Bern 1983, S. 176).
Die durch die Aussage erzwungene oder auch nur nahegelegte Darstellungsweise ist ebenfalls grundsätzlich nicht geschützt (BGE 113 II 309; Kummer; S. 108 f.). So ist die Einteilung eines Lehrganges für Maschinenschreiben in einen Teil «Erarbeitung der Tastatur» und einen Teil «praktische Arbeiten» nicht originell, sondern in der Natur der Sache begründet (BGE 88 IV 123 ff.). Kataloge und Listen sind nach Troller (S. 375) mit dem Bestreben nach Lückenlosigkeit aneinandergereihte Zahlen etc., deren Auswahl sachlogisch bestimmt und daher nicht individuell ist, vorbehalten grosse Wörterbücher und Lexika, die aus einzelnen wissenschaftlichen Texten bestehen und in der Regel eine individuelle Gliederung besitzen.
Im Geiste des Urhebers entstandene Schöpfungen, die zwar von ihm nicht Bekanntem entnommen sind, die aber dem Bekannten so nahe sind, dass auch ein anderer die gleiche Form schaffen könnte, ermangeln der Originalität und Individualität. Die Individualität hängt entsprechend vom Verhältnis der im Geiste des Urhebers geschaffenen zu den aus dem Gemeingut entnommenen Elementen ab (BGE 110 IV 105 «Harlekin-Puppen» und 113 II 190 «Le Corbusier»; Kummer, S. 373). Eine Sammlung gewöhnlicher, alltäglicher Briefe, denen jegliche individuellen, originellen Züge fehlen, ist nicht geschützt, obgleich sie statistisch einmalig ist (ZR 78/1979, Nr. 80 und 83/1984, Nr. 106 «Briefe an das Personal»; zustimmend Troller, S. 363; die Kritik von Lutz [S. 177] beruht darauf, dass er den Entscheiden eine geschmackliche Wertung unterstellt – eine solche wäre sachfremd, liegt aber nicht vor).
Technische Zeichnungen oder Pläne sind (abgesehen von Werken der Baukunst, um die es hier nicht geht) ihrer Aussage nach nicht als Werk schützbar; wenn die Form nicht mit einem Sonderschutz monopolisiert ist, darf sie jedermann nachzeichnen oder kopieren. Die Ausführung der Zeichnung im Strich und in der Perspektive kann dagegen als konkrete Ausdrucksweise originell und individuell, somit urheberrechtlich geschützt sein (Kummer, S. 123 f.).
An der Grenze zwischen der Form und dem Inhalt steht die systematische Darstellung (nicht aber das System an sich, dieses ist als «reine Idee» nicht geschützt: BGE 70 II 57 «Notenschrift System Blattner»). Wo die Individualität einsetzt, bestimmt sich danach, wie frei der Urheber die Systematik gestalten konnte, anders gefragt, ob die Darstellung ohne weiteres auch anders hätte vorgenommen werden können, so dass sich die Wahrscheinlichkeit völlig verliert, ein anderer hätte das gleiche schaffen können. Das entscheidet sich aufgrund der Gesamtheit der einzelnen Entscheidungen (Kummer, S. 111). Es wurde entschieden, dass die didaktisch geschickte Stufenfolge von sorgfältig zusammengestellten Fingerübungen an der Schreibmaschine einem Lehrgang Werks-Charakter verleihe (BGE 88 IV 123 ff.). In diesem Zusammenhang ist auf den von der Geschädigten vorab abgerufenen Entscheid BGE 64 II 162 («Maag-Tabellen») einzugehen. Offenbar ging es in jenem Fall zunächst um die wissenschaftliche Leistung eines Ingenieurs, der bestimmte Formeln und Regeln für die Herstellung von Zahnrädern gefunden hatte. Dem Entscheid ist nicht klar zu entnehmen, ob das Bundesgericht das allein bereits als genügend erachtete (die Formulierung, es gehe um eine «Pionierarbeit von hohem wirtschaftlichen und praktischen Wert», mag darauf hindeuten). So allgemein könnte das aber nicht aufrecht erhalten werden, soll nicht auf dem Weg über die Form doch wieder der Inhalt als Idee (unbeschränkt) geschützt werden. Der Entscheid lässt aber offen, ob nicht doch die Art der Darstellung mit zur Bejahung des Werks-Charakters führte: Der Experte wird zitiert mit der Bemerkung, dass «das Maag’sche Verfahren zusammen mit den Maag-Tabellen» den Wert des Werkes ausmache (Unterstreichung beigefügt). Da die Tabellen im übrigen nicht näher beschrieben und im Entscheid nicht wiedergegeben sind, lässt sich die Frage nicht beantworten. Dass der Entscheidung in der Literatur (nicht nur, aber auch vom Privatgutachter des Angeklagten) Kritik erwachsen ist, hat das angefochtene Urteil dargestellt. Das Bundesgericht hat sie in BGE 113 II 306 («Psychoanalyse») nicht zitiert, wiewohl sie als Präjudiz nahe gelegen hätte. Sie kann jedenfalls nicht als Beleg dafür dienen, dass der Inhalt des Werkes an sich ohne weiteres schützbar sei. Im Gegenteil unterscheidet BGE 113 II 306 zu Recht sorgfältig zwischen dem wissenschaftlichen Gehalt und der konkreten Mitteilungsform.
Die bekannten Barwert-Tafeln von Stauffer/Schätzle mögen hier als Beispiel noch in die Überlegungen einbezogen werden. Nicht urheberrechtlich schützbar ist die Idee, Geschlecht, Lebensalter, statistische Lebenserwartung und einen angenommenen Zinssatz so in ein mathematisches Verhältnis zu setzen, dass daraus ein Faktor zur Berechnung des Barwertes einer Rente resultiert. Die ausgesprochen leserfreundliche und übersichtliche Darstellung der so berechneten Zahlen in jenem Buch liegt wohl an der Grenze zum geschützten Werk. Jedenfalls zu schützen wären die Erläuterungen und die Beispiele im ersten Teil des Buches.
Das alles ist nun auf den vorliegenden Fall anzuwenden:
Die Datensammlungen der Geschädigten sind ausserordentlich umfangreich. Es ist ohne weiteres anzunehmen, dass nur schon das reine Sammeln und Zusammenstellen der Daten sehr viel Mühe und Arbeit kostete. Es mag auch sein, dass sie einen grossen wirtschaftlichen und praktischen Wert haben. Das kann ihre Eigenschaft als Werk nach dem oben Ausgeführten jedoch nicht ausmachen.
Die Geschädigte lässt vortragen, dass sie nicht nur Daten übernommen, sondern zum Beispiel mit den fünf wichtigsten Herstellern die Preise für die «Lackliste» abgesprochen habe. Solche Festlegungen, wie auch etwa die Grösse der zu lackierenden Teile, welche die Geschädigte als «Ermessensentscheide» bezeichnet, beschlagen aber gerade die für sich allein nicht als Werk schützbare Idee der Tabellen, und nicht die konkrete Darstellung. Die Geschädigte behauptet selbst, sie verfüge mit der Lack- und der Spenglereiliste über eine Marktbeherrschung von 95 bzw. 100%. Um so weniger kann ihr gestattet sein, diese durchgesetzten allgemeinen Parameter und einzelnen Preise zu monopolisieren.
Reine Idee und als solche nicht geschützt ist die Einteilung in «Lackstufen», d.h. das Bilden von Fallgruppen je nach Umfang der an einem Auto-Bestandteil auszuführenden Arbeiten; der Einzelrichter hat zudem dargelegt, dass nach der Darstellung der Geschädigten selbst diese Einteilung allgemein gebräuchlich, also von der Sache her gegeben und daher nicht originell ist. Das gleiche gilt für das Prinzip, die Grösse der zu behandelnden Teile, den Zeitaufwand und einen Stundenansatz ins Verhältnis zu setzen.
Die Geschädigte wirft dem Angeklagten vor, er habe genau die (und nur die) Automarken und -Typen in sein Programm übernommen, die auch in den Eurotax-Listen figurierten. Dass diese Marken und Typen auf einer eigenständigen und originellen Auswahl beruhten, behauptet die Geschädigte aber nicht, und es ist aufgrund ihrer eigenen Darstellung nicht anzunehmen. Auch hier ist sie auf der behaupteten fast vollständigen Durchsetzung ihrer Daten in der Branche zu behaften. Dann drängt sich aber unwiderlegbar die Vermutung auf, dass sie die Auswahl nach den im massgeblichen Markt vorhandenen Automarken und -Typen, also nach einem sachlogischen und vorgegebenen Kriterium getroffen hat.
Die Systematik der einzelnen Automarken nach dem Alphabet («Alfa Romeo, AMC, Audi, Austin, BMW, Chrysler» etc.) ist nicht nur unoriginell, sondern ausgesprochen banal. Es hilft der Geschädigten nichts, wenn sie den Angeklagten dabei überführt, wie er – wie sie – in einem Fall die alphabetische Reihenfolge missachtet (Richtigerweise geht es zwar gar nicht darum, sondern um eine andere Untereinteilung nach der Anzahl Türen: Darum kommt der zweitürige Alfasud vor dem dreitürigen Alfa-Arna und dieser vor dem viertürigen Alfetta; (…). Das mag belegen, dass der Angeklagte die Daten wirklich kopierte und nicht nach kritischer Prüfung einzeln übernahm, macht die gewählte Systematik aber nicht originell.
Die Geschädigte bezieht sich auf die Numerierung und die Abfolge der einzelnen Teile des Autos. Wie weit diese überhaupt von der Geschädigten stammt und nicht auf Angaben der Hersteller zurückgeht, kann offen bleiben. Mit dem Einzelrichter ist jedenfalls festzuhalten, dass die Numerierung in einer bestimmten Richtung (von vorne rechts nach hinten links, oder ähnlich) zweckbedingt ist, weil der Benutzer den gesuchten Teil im gedruckten Tabellen-Werk der Geschädigten innert nützlicher Frist finden sollte, und auf der Hand liegt. Der verbleibende Spielraum ist zu gering, als dass die getroffene Auswahl noch als originell gelten könnte (Darum spielte es auch hier keine Rolle, wie die Geschädigte im einzelnen nachzuweisen sucht, wenn der Angeklagte ihre spezifische Reihenfolge genau übernommen hätte).
Die Geschädigte verweist darauf, dass sie bei der Lackliste einzelne Teile-Kombinationen aufführe: «Vorderwagen / Wagenseite 2-türig / Wagenseite 4türig / Wagenheck 2-türig / Wagenheck 4-türig / Ganzlackierung ohne Dach 2türig / Ganzlackierung ohne Dach 4-türig». Diese Kombinationen sind aber nicht originell, sondern ohne weiteres logisch bedingt.
Die konkrete grafische Darstellung der Geschädigten ist geschickt, gut lesbar und optisch ansprechend gestaltet. Ob insoweit ein Werkschutz anzunehmen wäre, kann offen bleiben. Diese Darstellung konnte der Angeklagte nämlich gar nicht übernehmen, weil er eine rein fortlaufende Textdarstellung ohne grafische Hilfsmittel verwendet (…).
Ähnlich wie bei den Barwerttafeln Stauffer/Schätzle der erklärende Teil könnten bei den Listen der Geschädigten möglicherweise die vorangestellten Erläuterungen Originalität und Werkschutz beanspruchen. Diese Teile hat der Angeklagte jedoch nicht kopiert.
Den vom Angeklagten aus den Listen der Beklagten übernommenen Teilen ist der Charakter als urheberrechtlich geschütztes Werk daher abzusprechen.

2. UWG
2.1. Art. 5 lit. c UWG
Die Anklage wirft dem Angeklagten die Verletzung von Art. 5 lit. c UWG vor. Sie behauptet, er habe die fraglichen Daten eigenhändig in seinen Computer eingetippt.
Der Einzelrichter hat sorgfältig und zutreffend ausgeführt, dass und warum das manuelle Eintippen von Daten in ein Textverarbeitungs-System keine Übernahme durch ein «technisches Reproduktionsverfahren» im Sinne von Art. 5 lit. c UWG darstellt (angefochtenen Urteil S. 16 ff.). Es kann darauf verwiesen werden. Namentlich ist zu wiederholen, dass die Botschaft ausdrücklich erklärte, das Erfordernis des technischen Reproduktionsverfahrens reduziere den Tatbestand auf die typischen Erscheinungsformen, namentlich Mittel der Kopier-, Nachpress-, (…) Überspiel- und Mess-Technik (BBI 1983 II 1070). Dem ist in den Beratungen keine Kritik erwachsen (vgl. Wernli et al: UWG, Gesetz, Materialien, Rechtsprechung, Lausanne 1989, S. 419 f.). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung der Messtechnik. Es stellt sich die Frage, ob damit der massstabgetreue Nachbau ebenfalls unter Art. 5 lit. c subsumiert werden sollte. Ohne dem Wortlaut des Gesetzes Gewalt anzutun, kann man das aber nicht annehmen. Es ist vorgeschlagen worden, unter Messtechnik etwa optoelektronische Methoden zu verstehen, deren Resultate automatisch in den technischen Reproduktionsvorgang einfliessen. Es lassen sich auch Vorgehensweisen denken, bei denen ein dreidimensionaler Körper mit einem (eventuell manuell geführten) Sensor abgetastet wird und seine Form dann elektronisch oder mechanisch gesteuert mittels einer Maschine reproduziert werden kann. Das vom Einzelrichter erwähnte Beispiel einer kennzeichnungskräftigen Verpackung (Toblerone Schokolade im Dreieck) überzeugt. So gewiss die sklavische Übernahme einer solchen (wenn nicht ursprünglich kennzeichnungskräftigen, so doch jedenfalls heute durchgesetzten) Form, wozu es selbstverständlich als «technischen» Hilfsmittels eines Massstabes bedarf, als unlauter beurteilt werden müsste, so wenig hebt die Übernahme an sich das Erfordernis des technischen Verfahrens auf (für eine strenge Beachtung dieses Tatbestandsmerkmals auch Baud: I’article 5 lit. c LCD et la copie servile …, SJZ 84/1988, 280 ff.). Gleich verhält es sich bei der Übernahme eines Textes oder einer Datensammlung. Steckt hinter der übernommenen Datenmenge eine relevante wirtschaftliche Leistung, kann man sich in der Tat fragen, warum mühsames Abschreiben, sei es mit einer Schreibmaschine oder von Hand, grundsätzlich anders beurteilt werden sollte als blosses Kopieren (immerhin zieht Troller die Grenze genau hier, indem er die nach Art. 5 lit. c verpönte fotomechanische Wiedergabe abgrenzt von einer erlaubten Übernahme, die dem Übernehmer noch die Mühe von Satz und Korrektur auferlegt: Troller, Immaterialgüterrecht 3. Aufl., Bd. 2, S. 956). Normalerweise bietet das keine besonderen Schwierigkeiten, weil die über Art. 5 lit. c UWG hinausgehenden Tatbestände, bei denen aufgrund der besonderen Umstände die Unlauterkeit der Übernahme bejaht werden muss, mit der Generalklausel erfasst werden können (das wird zwar vom Privatgutachter David, wenn auch wohl zu Unrecht, bestritten). Dass dieser Weg im Strafrecht verschlossen ist, kann nicht zu einer Ausweitung der Spezialnorm über ihren klaren Wortlaut und Sinn hinaus führen (Nur nebenbei sei noch angemerkt, dass die von der Berufungsklägerin angerufenen Rezensenten Homburger und Rauber zwar Teile der Begründung im Entscheid des Einzelrichters ZR 88/1989 Nr. 61 kritisieren, dem Ergebnis aber ausdrücklich zustimmen: SZW 1990, 113; SMI 1990, 439).
Die Berufungsklägerin sucht nachzuweisen, dass die Übernahme nicht durch manuelles Eintippen, sondern durch ein anderes Verfahren, wie Überspielen eines Trägers elektromagnetischer Daten oder technisches Lesen der Daten (Scannen) erfolgt sei. Das bildet, wie auch das angefochtene Urteil feststellt, nicht Gegenstand der Anklage. Eine Rückweisung zu deren Ergänzung käme nur in Frage, wenn sich eine andere Sachverhaltsvariante mit Sicherheit aus den Akten ergäbe. Die Berufungsklägerin verweist auf eine Vermutung, die sich aus dem Ausmass der Übereinstimmung ergebe. Im Strafverfahren gibt es keine solche Vermutung zulasten des Angeklagten, wenn auch immerhin die Übereinstimmung ein Indiz für die behauptete technische Übernahme darstellt. Dazu hat die Untersuchungsbehörde eigens ein Gutachten beigezogen. Der Experte Prof. Zehnder hatte unter anderem die Frage zu beantworten: «Sind die Angaben des Angeschuldigten, sämtliche Daten manuell eingetippt zu haben, glaubhaft?». Er stellt dazu grundsätzliche Überlegungen an und bezieht sich auf die konkrete Schreibtechnik des Angeklagten, die er einer Testmessung unterzog. Seine Antwort auf die Frage lautet «eindeutig ja». Auch wenn Gründe dagegen ins Feld geführt werden können, so ist die Anklagebehörde mit Recht zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, eine andere Variante sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit beweisbar. Daran ist festzuhalten, und eine Ergänzung oder Abänderung der Anklage kommt nicht in Frage.
In diesem Punkt stellte sich überdies ebenfalls ein prozessuales Problem: Art. 5 lit. c UWG enthält als weiteres Tatbestandsmerkmal das Fehlen eines angemessenen eigenen Aufwandes beim Übernehmer. Nach der Botschaft ist dazu einerseits die Leistung des Erstkonkurrenten mit der des Zweitbewerbers und anderseits die Leistung des Zweitbewerbers bei Übernahme durch technische Reproduktionsverfahren mit seinem hypothetischen Aufwand bei Nachvollzug der einzelnen Produktionsschritte zu vergleichen. Nach welchen Kriterien der Vergleich dann zu ziehen sei, ist von der Praxis noch nicht geklärt; namentlich stellen sich Fragen der Amortisation der ersten Leistung (Nur bezogen auf das konkrete erfolgreiche Produkt? Ausdehnung auf sogenannte «Fühler»?) und des Verhältnisses einer solchen betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise zu den maximalen Schutzfristen anderer Immaterialgüterrechte. Die Anklage macht aber gar keine Angaben zu diesen verschiedenen miteinander in ein Verhältnis zu setzenden Leistungen und Aufwänden. Damit fehlt die Voraussetzung für eine Verurteilung des Angeklagten.

2.2. Art. 5 lit. b UWG
Dass der Angeklagte die Daten der Geschädigten verwendete, obschon er «wissen musste, dass sie ihm unbefugt zugänglich gemacht wurden» (Art. 5 lit. b UWG) bildet nicht Gegenstand der Anklage.
Die Geschädigte zitiert die Botschaft zur Revision des UWG unvollständig. Wohl heisst es dort (S. 1070), «unbefugterweise wird ein Arbeitsergebnis dann überlassen oder zugänglich gemacht, wenn der Erzeuger weder ausdrücklich noch stillschweigend zugestimmt hat». Im nächsten Absatz heisst es aber, «es geht hier namentlich darum, zu verhindern, dass anvertraute Offerten, Berechnungen, Pläne usw. einem anderen Unternehmer zur (in der Regel billigeren) Ausführungen übergeben werden». Darum geht es im vorliegenden Fall überhaupt nicht. Die Geschädigte verkauft ihre Listen jedem Abonnenten, sie war und ist an grossen Verkaufszahlen interessiert. Die Publikationen enthalten übrigens auch keinen Vermerk, dass ein Abonnent sein Exemplar keinem anderen zeigen, ausleihen oder weiterverkaufen dürfte. Dass die Geschädigte die Listen dem Angeklagten nicht geliefert hätte, wenn sie gewusst hätte, dass er sie abschreiben will, ändert daran nichts. Sie kann nicht auf diesem Umweg einen sonst nicht bestehenden Sonderschutz schaffen.
Auf eine Ergänzung der Anklage in diesem Punkt muss daher verzichtet werden.

2.3. Art. 3 UWG
(…)

2.4. Generalklausel
Die Rechtsprechung hat das blosse Abschreiben wesentlicher Teile eines urheberrechtlich nicht geschützten Werkes, das ohne grossen Aufwand hätte verändert werden können, als unlauteren Wettbewerb qualifiziert (ZR 83/1984 Nr. 106, «Briefe an das Personal»). Es kann nicht angenommen werden, die Revision des UWG habe den Bereich der geschützten Leistung einschränken wollen. Somit läge hier der Fall vor, wo (entgegen der Meinung des Privatgutachters David) die Übernahme zwar nicht von Art. 5 lit. c. aber von der Generalklausel erfasst wäre.
Strafbar ist nach Art. 23 UWG aber nur die Verletzung eines Tatbestandes der Art. 3 bis 6, nicht der Generalklausel von Art. 2. Das hat der Einzelrichter richtig ausgeführt und wird auch in der Literatur gleich beurteilt (Martin-Achard, La loi fédérale contre la concurrence déloyale, S. 114 und dort N. 45, ein Urteil des Bundesgerichtes zu Art. 13 aUWG zitierend; David, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, N. 681). Das ist durchaus begründet: Die Spezialtatbestände der Art. 3 bis 6 UWG sind wesentlich leichter zu definieren als der Verstoss gegen die Generalklausel. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des Straftatbestandes (Art. 1 StGB) ist die Unterscheidung daher sachlich geboten.

Quelle: SMI 1993, S. 332
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